Modern Money Theory

MMT: die Lizenz zum Geldrucken

Aktuell ist die Inflation in aller Munde. Viele erkennen zum ersten Mal, dass unser Geld – wie Obst – langsam verfault. Und wie es immer ist, wenn Menschen emotional werden –  sie verfallen sie in Aktionismus. Natürlich sind die Extremisten nicht weit: hier schreien die einen, dass der Gold-Standard wieder eingesetzt werden soll und anderswo heißt es nur noch BITCOIN und Krypto. Modern Money Theory (kurz MMT), eine neue Wirtschafts- bzw. Geld-Theorie aus der Makroökonomik (oder auch Volkswirtschaft) bildet den anderen Pol der Extremen. Ihr Versprechen: der Staat kann nicht pleite gehen, wenn er Transferleistungen, wie das 9-Euro-Ticket oder hohe Sozialleistungen (z.B. Bürgergeld usw.) auszahlt. Eine solche Theorie sollte man nicht einfach als Schwachsinn abtun, sondern verstehen, wie sie funktioniert. Denn zurecht kann man klassischen Ökonomen vorwerfen, dass neue Paradigmen seit je her gegen den Widerstand der vorherschenden Lehre Zeit brauchten, um sich zu etablieren.  „New is always besser!“ ist der Geist der Progression. Das Alte bewahren lieben die Konservativen.

Theorie oder Glaube

Zu Erinnerung: Theorien sind im wissenschaftlichen Kontext mehr als der Begriff, wie er im Alltagsgebrauch genutzt wird. Im Alltag verwenden ihn viele synonym mit dem Begriff Vermutung, mit schwammigen Rändern zum Glauben.

Eine Theorie ist jedoch ein ausgefeiltes Modell, dass zu Erklärung eines Sachverhalts dient und Voraussagen trifft. Sie eine nützliche Vereinfachung von komplexen Vorgängen, um bessere Entscheidungen in der Zukunft treffen zu können. Theoriebildungen folgen einem klaren Prozess:

  1. Start: Theorie vorhanden oder keine Theorie vorhanden
  2. Mache eine Beobachtung, erkenne ein Problem, stelle eine Frage.
  3. Sammel Daten
  4. Formuliere eine Hypothese, die widerlegt werden kann (Falsifizierbarkeit) und sei sehr präzise. Dies schränkt ein und macht es leichter Ergebnisse zu falsifizieren, da Störgrößen (Drittvariablen) in ihrer Wirkung reduziert werden.
  5. Teste deine Hypothese (z.B. in einem Experiment)
  6. Interpretiere deine Daten.
  7. Veröffentliche und verbinde deine Ergebnisse mit einer bestehenden Theorie (Modifikation) oder trage zur Theoriebildung bei.

Widerlegbar

Diese Falsifizierbarkeit ist einer der wesentlichen Punkte in diesem Prozess, denn sie trennt Glauben von Wissen, Fakten von Annahmen, und Überzeugungen von der Realität.

Können Hypothesen nicht widerlegt werden, folgen weitere Hypothesen und Experimente, bis ein Konstrukt aus Wahr/Falsch-Feldern im unbekannten Raum einen Weg zeichnet – die Theorie. Bildlich kann man sich das vorstellen, wie das Classic-Gabe Minesweeper.

Eine Theorie ist jedoch nicht die Realität! Sie ist ein Modell der Realität. Und jedes Modell, das nützlich ist, um erfolgreich zu navigieren, ist gut! Genau so, wie ein Seemann früher verschiedene Karten benötigte, brauchen wir verschiedene Modelle, um gute Entscheidungen zu treffen, denn jedes Modell hat seine Grenzen – es kann also viele Dinge nicht voraussagen oder beschreibt gewisse Sachverhalte eben nicht. So ist sind die zwei Relativitätstheorien wenig hilfreich, wenn es darum geht, Abläufe zu erklären, die auf der mikroskopischen Ebene der  Quanten stattfinden. Und andersrum kann die Quantenmechanik nicht beschreiben, wie schwarze Löcher oder Zeitreisen in die Zukunft ablaufen.

Dennoch können wir mit beiden Theorien beide Welten erkunden und gute Entscheidungen treffen. Ein LASER „erkennt“ dein Gesicht, wenn du ein iPhone mit Face ID nutzt, die Relativitätstheorie navigiert dich jedes Mal, wenn via du Google-Maps bemerkst, dass die Straße gesperrt ist.

Zurück zur MMT.

Diese Theorie geht von vielen Annahmen aus. Bedeutet konkret: Das Modell ist nur nützlich für Entscheidungen, wenn gewisse Sachverhalte stimmen, also wahr sind (wenn => dann).

Der Wikipedia-Artikel ist ausreichend, um das Für und Wider dieser Theorie grundlegen nachzuvollziehen.

Die Kernthese ist jedoch (wenn die Bedingungen alle zutreffen), dass Staaten, die ausschließlich von der eigenen FIAT-Währung abhängig sind und diese selber emittieren (Geldschöpfung), nicht insolvent gehen.. Mit anderen Worten: der Staat kann einfach mehr Geld drucken, solange dem ganzen ausreichend Güter gegenüberstehen. Der Staat verteilt so also über Transferzahlungen und hemmt die Inflation über Steuereinnahmen. Heißt: immer wenn die Preise steigen, müssen Steuererhöhungen her. Theoretisch schlüssig, in der Praxis kaum vorzustellen. Wer soll die Steuern denn bei steigenden Preisen zahlen? Nun, da kann man ganz leicht einen Schluss ziehen, wenn man schaut, aus welchem Lager die vielen Vertreter der MMT stammen.

Eine Theorie, die impliziert, dass der Staat über die „richtige“ Verteilung von Wirtschaftsgütern und Ressourcen BESSERE Informationen hat, als der Markt – das kennen wir doch schon, oder? Darüber hinaus wird unterstellt, dass die Allokation effizienter geschieht, als durch den Markt. Wissen wir es nicht besser?!

Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft. Dies bedeutet, der Markt sollte frei wirken, und er soll nur da eingeschränkt werden, wo wir als Staatsbevölkerung demokratisch entscheiden, dass wir eingreifen wollen oder präventiv, um negative externe Effekte zu kompensieren (Asymmetrische Informationen, Gemeinsame Güter, Moral Hazard usw.), sogenanntes Marktversagen. Demokratisch entscheiden bedeutet hierbei:

Jedes Wirtschaftssubjekt sollte eigene Bewertungen treffen. Manchen ist Freizeit mehr wert, als mehr finanzielle Freiheit. Andere machen lieber Urlaub in den Bergen, wieder andere am Meer. Diese kumulierten Werte bilden unser politisches System und werden in Wahlen zum Ausdruck gebracht. Alles dies geschieht immer noch dezentral – also nicht staatlich gesteuert!

Wenn der Staat nun entscheiden möchte, wo Ressourcen besser aufgehoben sind, ist das legitim, wenn es dezentral und demokratisch entschieden wird und Regeln eingehalten werden, die wir uns gesteckt haben (Grundgesetz inkl. dem Wirtschaftssystem). In diesem Rahmen kann natürlich alles möglich sein. Die MMT scheitert meiner Meinung nach an der Demokratie bzw. unserem Wahlsystem. Wenn Ressourcen wirklich vom Staat verteilt werden sollen, so müssen folgerichtig auch Bürger entscheiden, wohin diese allokiert werden sollen – und es reicht nicht, nur alle 4 Jahre einen Freibrief für eine Regierung und Verwaltung ausstellen. Ein Beispiel wäre: direkte Abstimmungen, wie in der Schweiz. Die gewählten Politiker sind hier eher vergleichbar mit einem Berater: Sie werben für Ideen, sind bereit im Notfall kurzfristige Entscheidungen zu treffen, müssen ständig Koalitionen bilden u.s.w..

Warum dies nicht passiert? Ganz einfach: die möglichen Ergebnisse wollen sich selbst die Vertreter der MMT nicht vorstellen. Sie nutzen diese Theorie, um zu legitimieren, Ressourcen nach Ihren Werten zu verteilen. Werte, die viele jedoch nicht teilen. Beispiele?

Was würde wohl passieren, wenn die Bürger bestimmen müssten,

  • was 2015 mit den Flüchtlingen passieren hätte sollen?
  • Tempolimit auf den Autobahnen
  • Waffenlieferungen
  • Mietpreis-Bremsen
  • Arbeitslose, die nicht kooperieren
  • Mindestlohn
  • Rentensystem
  • usw.

Ist das nun gut oder schlecht? Nun, das kommt an, auf welcher Seite man steht, oder?

Nicht ganz. Unser Grundgesetz schützt nämlich Minderheiten, u.a. durch Meinungsfreiheit. Aber auch durch unser politisches System. Warum? Schauen wir doch mal die demografische Entwicklung an. Hier würde es so heißen: alt gegen jung. Es würde also sehr opportun gehandelt werden. Regeln und Gesetze, nennen wir es mal einen Gesellschaftsvertrag, sind aber eben in Zeiten formuliert worden, als tabula rasa war. Die Deutschen hatten „Rock Bottom“ erreicht – alles musste neu errichtet und gebaut werden, auch Ziele, Werte und Regeln. Das Soll war hier frei.

Diese Regeln gelten auch in Zeiten, in denen eine Kohorten in der Überzahl ist und so eben nicht durch pure Mehrheit eine Minderheit erdrücken kann – denken wir mal an die Pogrome gegenüber den Juden.  Wir wollen eben keinen puren (Sozial-) Darwinismus, auch wenn diese Mehrheit meint, sie sei moralisch überlegen – ein stets gefährlicher Gedanke. Hier ein Hinweis: Darwinismus heißt, Überleben des Stärkeren (der, der sich am besten an seine Umwelt anpasst). Dieser gibt die seine Gene (Meme) weiter. Damit verbunden ist keine Bewertung: „sollte das so sein?“ Es ist ein stochastisches Faktum, ohne Moral. Es ist nötig, dass man zunächst anerkennt, WIE ETWAS IST und sich dann überlegt, wie etwas sein soll. Beides zusammen ergeben Start und Ziel. Ziele nach dem SMART-Prinzip implizieren eben auch „REALISTISCH“ und „akzeptiert“.

Insofern ist die MMT eine Beschreibung von Gesetzmäßigkeiten in einem anderen Spiel – ein Spiel, dass wir nicht spielen. Es klammert aus, dass Menschen sind, wie sie sind und sozialistische Staaten (Zentralismus) nicht funktionieren. Beispiele? Siehe China, Russland vor dem Krieg, Russland heute, Kuba, Nordkorea und alle anderen Länder, die es mit dem Sozialismus versucht haben. Das Ergebnis waren stets Krieg, Gräuel, Autokratie, Tyrannei und Staats-Versagen (siehe meinen Artikel dazu).

Wer die Realität ausklammert, kann nicht wissenschaftlich vorankommen und verfällt in Ideologie, ein Prozess, den aufmerksame Beobachter in allen Teilen des menschlichen Zusammenlebens heute beobachten können.

Ideologie ist das Ergebnis von Ängsten und Träumen und führt deshalb zu Trennung, Spaltung und letztlich zu Kriegen.
© Robert Kroiß (*1949), deutscher Schriftsteller.

Und so wundert es mich nicht, wenn ich sehe, aus welchen Kreisen die Fürsprecher eine der MMT zusammenstehen, welche Personen am lautesten schreien, dass alle anderen ja komplett bescheuert sind, kein Verständnis von unserem Geldsystem aufbringen.

In seinem Buch „Beyond Order“ – 12 more Rules“  möchte Prof. Dr. Jordan Peterson Hilfe leisten, den Spagat zwischen Erkundung und (Selbst-)Entwicklung wagen. Dabei geht es darum, einen Weg im Chaos zu finden, das Unbekannte zu untersuchen und Neues zu wagen, um neue Möglichkeiten zu ergreifen, ohne dabei sein Leben zu verlieren, weil der Boden unter den Füßen weggerissen wird:

Rule 1: Do not carelessly denigrate social institutions or creative achievement. — Jordan Peterson

Neue Theorien sind wünschenswert, wenn sie der Wahrheitsfindung dienen und helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Doch was bringt eine Theorie, die theoretisch ist und die Praxis ausklammert? Für mich ist diese Theorie nach heutiger Betrachtung nur ein weiterer Versuch, die eigene sozialistische Ideologie durch pseudorationale marktwirtschaftliche Argumente über die Hintertür zu manfestieren.