Einleitung: Die Kartierung des Bewusstseins
Die Aussage, das Bewusstsein sei nur der Pressesprecher des Unterbewusstseins, ist eine treffende Metapher, die durch eine Vielzahl von Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft und der kognitiven Psychologie gestützt wird.
Sie bedeutet im Kern:
Die meisten unserer Entscheidungen, Impulse und Verhaltensweisen werden von schnellen, automatischen und unbewussten Prozessen initiiert. Das Bewusstsein tritt oft erst danach auf den Plan, um diese bereits getroffenen „Entscheidungen“ zu registrieren, zu interpretieren und – wie ein Pressesprecher – eine plausible, logische und sozial akzeptable Erklärung dafür zu konstruieren und nach außen zu vertreten.
Hier sind die zentralen Gründe, warum diese Sichtweise valide ist:
Neuronale Aktivität geht der bewussten Absicht voraus
Das berühmteste Beispiel sind die Experimente von Benjamin Libet. Er zeigte, dass im Gehirn ein sogenanntes Bereitschaftspotenzial (eine unbewusste neuronale Aktivität) bereits etwa eine halbe Sekunde bevor eine Person die bewusste Absicht verspürt, eine einfache Handlung (z.B. einen Finger zu bewegen) auszuführen, messbar ist. Das Gehirn hat die Handlung also bereits unbewusst eingeleitet, bevor das bewusste „Ich“ entscheidet, sie auszuführen. Das Bewusstsein scheint die Entscheidung eher zur Kenntnis zu nehmen als sie zu treffen.
Der linkshemisphärische Interpret
Forschungen von Michael Gazzaniga an Split-Brain-Patienten (bei denen die Verbindung zwischen linker und rechter Gehirnhälfte getrennt ist) zeigen dies eindrücklich. Wenn die nonverbale rechte Hirnhälfte eine Aktion ausführt (z.B. auf einen Befehl hin aufsteht), wird die sprachlich dominante linke Hälfte (der „Interpret“) nach dem Grund gefragt. Da sie den ursprünglichen Befehl nicht kennt, erfindet sie spontan eine plausible Erklärung, z.B. „Ich wollte mir eine Cola holen.“ Sie rationalisiert eine Handlung, deren wahren Ursprung sie nicht kennt. Das ist die Kernaufgabe eines Pressesprechers: eine kohärente Geschichte zu erzählen.
Die Zwei-Systeme-Theorie (Kahneman)
Das Denken lässt sich in zwei Systeme einteilen:
System 1 (das Unterbewusstsein)
Arbeitet schnell, automatisch, emotional und intuitiv. Es ist für den Großteil unserer Eindrücke, Gefühle und schnellen Urteile verantwortlich. Es ist der eigentliche Entscheider im Hintergrund.
System 2 (das Bewusstsein)
Arbeitet langsam, analytisch, anstrengend und logisch. Es wird oft erst aktiv, wenn System 1 auf ein Problem stößt oder wenn eine bewusste Anstrengung erforderlich ist. Häufig besteht seine Aufgabe aber nur darin, die intuitiven Vorschläge von System 1 zu überprüfen und zu bestätigen (zu rationalisieren).
Unbewusste Beeinflussung (Priming)
Experimente zeigen, dass unser Verhalten massiv durch Reize beeinflusst werden kann, die wir nicht bewusst wahrnehmen. Wenn Menschen unbewusst mit Wörtern konfrontiert werden, die mit Alter assoziiert sind, gehen sie anschließend langsamer. Fragt man sie aber, warum sie langsam gehen, werden sie rationale Gründe anführen (z.B. „Ich bin nachdenklich“), weil ihr Bewusstsein den wahren Grund nicht kennt. Es agiert als Pressesprecher für ein vom Unterbewusstsein gesteuertes Verhalten.
Kognitive Leichtigkeit
Das Unterbewusstsein (System 1) hat eine grundlegende Präferenz für kognitive Leichtigkeit – also für alles, was einfach und mühelos zu verarbeiten ist. Diese Leichtigkeit dient als Signal, dass die Dinge gut laufen und keine besondere Aufmerksamkeit (also kein Einschalten des bewussten Systems 2) erforderlich ist. Diese Präferenz erzeugt jedoch systematische Illusionen. So entstehen Illusionen des Gedächtnisses und Illusionen der Wahrheit: Eine Aussage, die wir schon einmal gehört haben oder die in klarer Schrift gedruckt ist, fühlt sich vertrauter und damit wahrer an, unabhängig von ihrem tatsächlichen Inhalt. Dieses Prinzip erklärt, wie man eine überzeugende Mitteilung schreibt: Man maximiert die kognitive Leichtigkeit durch einfache Sprache, Wiederholung und klare Darstellung. Umgekehrt führt Beanspruchung und Anstrengung dazu, dass System 2 mobilisiert wird. Ein schwer lesbarer Text macht uns misstrauischer und analytischer. Letztlich gibt es die Freuden mühelosen Denkens, denn kognitive Leichtigkeit, eine gute Stimmung und Intuition sind eng miteinander verknüpft. Fühlen wir uns gut, vertrauen wir eher unserer Intuition und sind kreativer.
Eine Maschine für voreilige Schlussfolgerungen
System 1 ist im Wesentlichen eine Maschine für voreilige Schlussfolgerungen. Seine Hauptaufgabe ist es, aus den verfügbaren Informationen so schnell wie möglich eine kohärente Geschichte zu bilden. Dies führt zur Vernachlässigung von Ambiguität und zur Unterdrückung von Zweifeln. Das System entscheidet sich für eine plausible Interpretation und verwirft andere Möglichkeiten, ohne dass das Bewusstsein dies bemerkt. Es existiert eine grundlegende Vorliebe, Aussagen zu glauben und eigene Erwartungen zu bestätigen, denn das Anzweifeln erfordert bewusste Anstrengung von System 2. Ein weiteres Merkmal ist die überzogene emotionale Kohärenz, besser bekannt als der Halo-Effekt: Wenn wir eine positive Eigenschaft an einer Person mögen, neigen wir dazu, auch alle anderen Eigenschaften positiv zu bewerten. Der zugrundeliegende Mechanismus für all diese Phänomene ist das Prinzip „What you see is all there is“ (WYSIATI). Das Unterbewusstsein arbeitet nur mit den Informationen, die ihm unmittelbar zur Verfügung stehen, und ignoriert alles, was es nicht weiß. Dies lässt uns auf Basis begrenzter und oft irrelevanter Daten zu übermäßig selbstsicheren Schlussfolgerungen kommen.
Wie wir Urteile bilden
Das Unterbewusstsein führt permanent und automatisch elementare Bewertungen der Umgebung durch: Ist etwas gut oder schlecht? Besteht eine Bedrohung? Ist die Situation normal? Es arbeitet dabei mit Mengen und Prototypen auf eine intuitive, aber oft statistisch fehlerhafte Weise. So kann es zwar Durchschnittswerte gut einschätzen, versagt aber bei Summen. Weiterhin besitzt es die Fähigkeit, Intensitäten zu vergleichen und über verschiedene Dimensionen hinweg abzugleichen (z.B. die Schwere eines Verbrechens mit einer dunklen Farbe zu assoziieren). All diese Prozesse laufen dank der mentalen Schrotflinte ab: Wenn das Gehirn eine spezifische Frage beantworten soll, berechnet es oft unwillkürlich auch die Antworten auf viele andere, einfachere Fragen mit.
Eine leichtere Frage beantworten
Der zentrale Mechanismus hinter vielen intuitiven Urteilen ist die Substitution. Wenn wir mit einer schwierigen Frage konfrontiert sind (z.B. „Wie glücklich sind Sie mit Ihrem Leben?“), wird diese automatisch und unbemerkt durch eine leichtere ersetzt, die wir tatsächlich beantworten (z.B. „Wie ist meine Stimmung gerade jetzt?“). Wir ersetzen also Fragen, ohne es zu merken, und das Bewusstsein – der Pressesprecher – akzeptiert die Antwort auf die leichte Frage als gültige Antwort auf die schwierige.
Heuristiken und kognitive Verzerrungen
Diese Substitution ist die Grundlage für viele Heuristiken und kognitive Verzerrungen. Ein fundamentaler Fehler ist die Missachtung des Gesetzes der kleinen Zahlen, bei dem wir kleinen Stichproben eine zu hohe Aussagekraft zuschreiben und Muster in reinem Zufall erkennen. Es gibt eine starke Tendenz, eher zu glauben als zu zweifeln und überall Ursache und Zufall zu vermischen, wo keine kausale Verbindung existiert. Besonders wirkmächtig sind Anker: Eine beliebige Zahl, die wir hören, bevor wir eine Schätzung abgeben, beeinflusst unser Urteil massiv. Dies geschieht auf zwei Wegen: entweder durch Ankerung als Anpassung, bei der das bewusste System 2 von dem Anker ausgeht und sich unzureichend von ihm entfernt, oder durch Ankerung als ein Priming-Effekt, bei dem der Anker unbewusst assoziierte Gedanken aktiviert. Der Gebrauch und Missbrauch von Ankern ist in Verhandlungen und Marketing allgegenwärtig, da die Ankerung beide Systeme des Denkens beeinflusst.
Selbstüberschätzung
Eine der größten Konsequenzen der Arbeitsweise von System 1 ist die systematische Selbstüberschätzung. Wir leiden unter der Illusion des Verstehens: Im Nachhinein erscheint uns die Welt viel verständlicher und vorhersagbarer, als sie es tatsächlich war. Diese sozialen Kosten der Rückschau führen dazu, dass wir Experten für vergangene Fehler bestrafen, die nicht vorhersehbar waren, und falschen Erfolgsrezepten von erfolgreichen Führungskräften glauben. Ebenso erliegen wir der Illusion der Gültigkeit, bei der wir auf unser Urteilsvermögen vertrauen, selbst wenn es nachweislich unzuverlässig ist, wie der Irrglaube, einen guten Riecher für Aktien zu haben, zeigt. Wir unterliegen diesen Illusionen von Kompetenz und Gültigkeit, weil unser Geist kohärente Geschichten liebt und statistische Realitäten ignoriert. Selbst Experten können nichts dafür, denn die Welt ist eben kompliziert. Studien zeigen immer wieder, dass einfache Formeln die Intuitionen von Experten übertreffen. Wir können der Intuition von Experten nur dann vertrauen, wenn sie auf Wiedererkennen in einer hochgradig regelmäßigen und vorhersagbaren Umgebung beruht und durch jahrelanges Feedback und Übung erworben wurde. Um die Gültigkeit von Intuitionen zu beurteilen, müssen wir die Umgebung prüfen, in der sie entstanden sind.
Ein Weg, die Selbstüberschätzung zu bekämpfen, ist die Einnahme der Außensicht. Wir neigen zur Verlockung der Innensicht und betrachten unsere Situation als einzigartig. Dies führt zum Planungsfehlschluss, bei dem wir Zeit und Kosten systematisch unterschätzen. Um Planungsfehlschlüsse in den Griff zu bekommen, sollten wir unsere Entscheidungen und Irrtümer analysieren, indem wir Statistiken vergleichbarer Fälle heranziehen. Die Tendenz zur Selbstüberschätzung ist jedoch tief verankert; wer einen Test nicht besteht, sucht die Schuld oft bei den Umständen. Diese optimistische Verzerrung ist gleichzeitig die Maschine des Kapitalismus: Optimisten und ihre Illusionen von Unternehmern treiben Innovationen an, auch wenn viele scheitern, weil sie die Vernachlässigung der Konkurrenz und ihre eigene Selbstüberschätzung nicht erkennen. Eine Methode, um dem entgegenzuwirken, ist die Prä-mortem-Methode, bei der man sich vorstellt, ein Projekt sei bereits gescheitert, und nach den Gründen dafür sucht.
Entscheidungen
Die Art, wie wir Entscheidungen treffen, widerspricht oft der klassischen ökonomischen Rationalität. Die Irrtümer Bernoullis lagen in der Annahme, dass Menschen auf absolute Vermögenszustände reagieren. Die Neue Erwartungstheorie zeigt, dass wir stattdessen auf Veränderungen relativ zu einem Referenzpunkt reagieren. Sie basiert auf zwei Kernkonzepten: Verlustaversion (Verluste schmerzen stärker als Gewinne gleicher Höhe erfreuen) und abnehmender Empfindlichkeit. Die Theorie hat jedoch auch blinde Flecken, da sie Enttäuschung oder Reue nicht berücksichtigt. Die Verlustaversion erklärt den Endowment-Effekt: Wir schätzen Dinge, die wir besitzen, wertvoller ein, als wir bereit wären, dafür zu zahlen. Um rationaler zu handeln, müsste man wie ein Wertpapierhändler denken, für den Güter nur potenzielle Tauschobjekte sind.
Negative Ereignisse haben einen psychologischen Vorrang. Unsere Ziele sind Referenzpunkte, und der Schmerz, ein Ziel nicht zu erreichen, ist größer als die Freude, es zu übertreffen. Dies führt dazu, dass wir stark den Status quo verteidigen. Diese Asymmetrie zeigt sich auch im Rechtswesen, wo die Verlustaversion die Wahrnehmung von Recht und Unrecht prägt. Aus diesen Prinzipien ergibt sich das viergeteilte Muster des Risikoverhaltens: Bei hohen Wahrscheinlichkeiten sind wir bei Gewinnen risikoscheu und bei Verlusten risikofreudig. Bei geringen Wahrscheinlichkeiten kehrt sich das Muster um. Wir verändern Wahrscheinlichkeiten mental, was im Allais-Paradoxon deutlich wird, und geben ihnen subjektive Entscheidungsgewichte. Dies erklärt die Attraktivität von Lotterien und Versicherungen, also Glücksspiele im Schatten des Gesetzes.
Der Umgang mit seltenen Ereignissen ist besonders fehleranfällig. Wir neigen zum Überschätzen und Übergewichten geringer Wahrscheinlichkeiten, besonders wenn sie durch anschauliche Ergebnisse und anschauliche Wahrscheinlichkeiten emotional aufgeladen werden. Oft treffen wir Entscheidungen auf der Basis globaler Eindrücke, anstatt analytisch vorzugehen. Kluge Risikostrategien bündeln Risiken und betrachten sie im Portfolio, anstatt jede Entscheidung isoliert zu treffen. Unser Gehirn neigt jedoch dazu, Buch zu führen – wir nutzen getrennte mentale Buchführung für verschiedene Lebensbereiche, was zu irrationalen Entscheidungen führt. Auch die Antizipation von Reue und die Übernahme von Verantwortung beeinflussen unsere Wahl massiv. Ein weiteres Problem sind Umkehrungen: Je nachdem, ob wir Optionen einzeln oder gemeinsam bewerten, können sich unsere Präferenzen umkehren – eine große Herausforderung für die Ökonomik. Dies geschieht, weil unterschiedliche Kategorien unterschiedliche emotionale Reaktionen auslösen und zu ungerechten Umkehrungen führen können. Letztlich hängt alles davon ab, wie wir Frames und Wirklichkeit wahrnehmen. Emotionales Framing kann unsere Entscheidungen komplett verändern, selbst wenn die zugrunde liegenden Fakten identisch sind. Wir haben oft leere Intuitionen über Probleme, die wir nicht verstehen, und sind daher anfällig für die Wahl sogenannter guter Frames.
Zwei Selbste
Schließlich müssen wir erkennen, dass in uns zwei Selbste existieren: das erlebende Selbst, das im Moment lebt, und das erinnernde Selbst, das die Geschichten unseres Lebens schreibt und Entscheidungen für die Zukunft trifft. Der Erfahrungsnutzen des erlebenden Selbst wird oft vom erinnernden Selbst ignoriert. Unsere Erfahrung und das Gedächtnis davon sind zwei verschiedene Dinge. Das erinnernde Selbst wird von zwei Prinzipien dominiert: der Peak-End-Regel (nur der Höhepunkt und das Ende einer Erfahrung zählen) und der Vernachlässigung der Dauer. Die Frage ist, welches Selbst zählen sollte. Oft dominiert das erinnernde Selbst, was eine Konfrontation von Biologie kontra Rationalität darstellt. Wir sehen das Leben als eine Geschichte, und eine gute Geschichte ist wichtiger als die Summe der erlebten Momente. Ein amnestischer Urlaub, bei dem man eine tolle Zeit hat, aber danach alle Erinnerungen daran gelöscht werden, hat für das erinnernde Selbst keinen Wert. Wir müssen daher zwischen erlebtem Wohlbefinden und der Lebenszufriedenheit unterscheiden. Letztere ist ein Urteil des erinnernden Selbst und unterliegt der Fokussierungs-Illusion: Nichts im Leben ist so wichtig, wie man denkt, während man darüber nachdenkt. Immer wieder ist der Faktor Zeit entscheidend, denn die Art, wie wir unsere Zeit verbringen, bestimmt das Glück des erlebenden Selbst.
Embodied Cognition
Das Konzept der Embodied Cognition (verkörperte Kognition) rundet dieses Bild ab. Es besagt, dass unser Denken nicht von unserem Körper getrennt ist. Physische Zustände und Handlungen beeinflussen unsere Gedanken und Gefühle direkt. Wenn wir lächeln, fühlen wir uns glücklicher; wenn wir einen warmen Becher halten, nehmen wir andere als „herzlicher“ wahr. Dies untermauert die Vorstellung, dass unser Bewusstsein nicht ein rein logischer Prozessor ist, sondern tief in den automatischen, körperlichen und emotionalen Prozessen des Unterbewusstseins verwurzelt ist.
Die Funktion des „Pressesprechers“
Diese Sichtweise bedeutet jedoch nicht, dass das Bewusstsein nutzlos ist. Der Pressesprecher hat eine wichtige Funktion:
Soziale Kohärenz
Wir müssen unser Verhalten vor anderen (und uns selbst) begründen können, um als rationale und verlässliche Akteure zu gelten. Das Bewusstsein liefert diese Narrative.
Lernen und Zukunftsplanung
Indem das Bewusstsein die Aktionen des Unterbewusstseins beobachtet und deren Konsequenzen bewertet, kann es zukünftige automatische Reaktionen beeinflussen und langfristige Ziele setzen.
Veto-Recht
Auch Libet argumentierte, dass das Bewusstsein zwar nicht die Handlung initiiert, aber möglicherweise ein „Veto“ einlegen und die bereits unbewusst eingeleitete Handlung in den letzten Millisekunden stoppen kann. Es ist also weniger ein Initiator als ein Kontrolleur oder Zensor.
Zusammenfassend kann man sagen, die Metapher des Pressesprechers ist deshalb so passend, weil sie die Arbeitsteilung im Gehirn gut beschreibt: Das Unterbewusstsein ist der schnelle, mächtige Akteur, der auf Basis von Emotionen, Erfahrungen und Instinkten handelt. Das Bewusstsein ist die Instanz, die diese Handlungen in eine logische, sprachliche Form bringt, sie rechtfertigt und somit unsere soziale Interaktion und unser Selbstbild ermöglicht.
160 Fragen zum Bewusstsein und Unterbewusstsein
Die folgende Sammlung von Fragen und Antworten stellt eine systematische Untersuchung der grundlegendsten und zugleich komplexesten Herausforderung der modernen Wissenschaft dar: dem Verständnis des menschlichen Bewusstseins. Diese Fragen sind nicht willkürlich gewählt. Sie bilden eine logische Abfolge, die von den fundamentalen neurobiologischen Grundlagen bis zu den weitreichenden praktischen und ethischen Implikationen reicht. Ihre Bedeutung ergibt sich aus drei zentralen Aspekten:
Sie definieren die Grenzen unseres Wissens:
Die Fragen zielen direkt auf das Kernproblem der Neurowissenschaft und Psychologie – wie physische Prozesse im Gehirn subjektive, mentale Erlebnisse hervorbringen. Sie beleuchten die Mechanismen hinter Wahrnehmung, Gedanken und Gefühlen und decken auf, wo unsere Erklärungsmodelle an ihre Grenzen stoßen, insbesondere beim sogenannten „schwierigen Problem des Bewusstseins“.
Sie enthüllen die Architektur unseres Handelns:
Ein wesentlicher Teil der Fragen widmet sich der fundamentalen Unterscheidung zwischen bewussten und unbewussten Prozessen. Die Antworten darauf sind entscheidend, weil sie zeigen, dass ein Großteil unseres Verhaltens, unserer Entscheidungen und Gewohnheiten von automatischen, nicht-bewussten Systemen gesteuert wird. Das Verständnis dieser „unbewussten Maschinerie“ ist die Voraussetzung, um menschliches Verhalten jenseits von Intuition und Selbstwahrnehmung objektiv zu analysieren und zu verstehen.
Sie bilden die Brücke von der Theorie zur Anwendung:
Die Beantwortung dieser Fragen ist keine rein akademische Übung. Die Erkenntnisse über neuronale Netzwerke, kognitive Verzerrungen und die Funktionsweise des Gedächtnisses bilden die direkte Grundlage für wirksame therapeutische Interventionen bei psychischen und neurologischen Störungen wie ADHS, Angststörungen oder Traumata. Gleichzeitig zwingen sie uns, die ethischen Konsequenzen von Technologien zu bewerten, die Bewusstsein manipulieren können – von der unbewussten Beeinflussung durch Priming bis hin zur Entwicklung künstlicher Intelligenz.
Zusammengefasst dient diese strukturierte Befragung dazu, das komplexe Feld des Bewusstseins zu kartieren. Sie zeigt, wie die Integration von Erkenntnissen aus der Biopsychologie, der kognitiven Psychologie und dem Behaviorismus ein immer präziseres Bild davon zeichnet, was es bedeutet, ein denkendes, fühlendes und handelndes Wesen zu sein.
1. Entsteht Bewusstsein aus der integrierten Aktivität verteilter neuronaler Netzwerke?
Ja, es wird allgemein angenommen, dass Bewusstsein aus der integrierten Aktivität verteilter neuronaler Netzwerke entsteht [8, 11]. Die meisten Neurokognitionswissenschaftler sind sich einig, dass bewusste Erfahrungen im Vorderhirn entstehen und die Beteiligung weit verteilter, aber miteinander verbundener Schaltkreise im Neokortex sowie in subkortikalen Zentren wie den Basalganglien und limbischen Strukturen erfordern [vgl. 8, S. 20, zit. n. 335, S. 234; 342, S. 130]. Die Aktivierung dieser Vorderhirnschaltkreise, die dem Bewusstsein zugrunde liegen, geht von der retikulären Formation des Hirnstamms aus, insbesondere von ihren pontomesenzephalen und dienzephalen Komponenten, die den Kortex über das thalamokortikale System regulieren [8, 11]. Während einige Neurobiologen, wie Francis Crick und Christof Koch, sich auf die Idee konzentrierten, dass Bewusstsein aus einer spezialisierten und begrenzten Population von Neuronen entsteht, vertreten andere, wie Stanislas Dehaene und Gerald Edelman, die Ansicht, dass Bewusstsein eine globale Eigenschaft des Gehirns ist, die eine große Anzahl von Nervenzellen und ein komplexes System von Feedforward- und Feedback-Reentrant-Schaltkreisen umfasst [vgl. 11, S. 18, zit. n. 94, S. 263; 100, S. 119; 102, S. 804]. Die menschliche Informationsverarbeitung wird hauptsächlich von Neuronen durchgeführt [2].
2. Welche Rolle spielt der präfrontale Kortex für bewusste Prozesse?
Der präfrontale Kortex spielt eine zentrale Rolle in bewussten Prozessen, insbesondere bei der kognitiven Kontrolle und Planung [1, 10]. Er ist entscheidend für Funktionen wie die Strukturierung des Verhaltens, die Anpassung an die Umgebung und die langfristige Planung [vgl. 1]. Beim Menschen ist der präfrontale Kortex, insbesondere der dorsolaterale präfrontale Kortex (DLPFC), im Vergleich zu anderen Primaten viel stärker entwickelt und wird mit Intelligenz assoziiert [vgl. 10]. Er ist an der Aufrechterhaltung und dem Löschen von Gedächtnisinhalten beteiligt und somit eng mit Arbeitsgedächtnisfunktionen verknüpft [vgl. 21, S. 146, zit. n. 248, S. 463].
Darüber hinaus übt der präfrontale Kortex eine wichtige hemmende Funktion auf subkortikale Erregungen und Impulse aus und ist an der Emotions- und Impulsregulation sowie an Aufmerksamkeits- und Bewusstseinsprozessen beteiligt [vgl. 11]. Eine angemessene Funktion des präfrontalen Kortex ist grundlegend für eine gute Selbstregulation [11]. Bei Traumzuständen (REM-Schlaf) zeigt der dorsolaterale präfrontale Kortex einen reduzierten Blutfluss, was einen Unterschied zum Wachbewusstsein darstellt [vgl. 8, S. 178, zit. n. 37, S. 24]. Auch die Fähigkeit des Menschen, das eigene Verhalten und das anderer zu interpretieren und auf unbeobachtbare mentale Zustände wie Wünsche und Absichten zu schließen, korreliert mit der Ausdehnung des frontalen Kortex [2].
Neurowissenschaftliche Studien mit bildgebenden Verfahren haben den präfrontalen Kortex, zusammen mit dem insulären und anterioren zingulären Kortex, als vorrangig am Selbstbewusstsein beteiligt identifiziert. Es wird jedoch betont, dass Selbstbewusstsein eher ein „Patchwork-Produkt“ vieler Hirnareale ist, die zusammenwirken [vgl. 22]. Der ventromediale präfrontale Kortex (VMPFC) ist zudem ein Kerngebiet des Default Mode Networks (DMN) und in die Integration von Wahrnehmungen aus verschiedenen sensorischen Modalitäten und dem DMN zu einem einheitlichen Eindruck involviert [vgl. 9, S. 106, zit. n. 201, S. 1].
3. Ist der Thalamus notwendig für bewusste Wahrnehmung?
Ja, der Thalamus wird als essenziell für bewusste Wahrnehmung angesehen [14, 8]. Bewusstsein hängt von der physiologischen Verfassung des oberen Gehirns ab, insbesondere von der kontinuierlichen Aktivierung der Milliarden von Gehirnzellen im Großhirnkortex und Thalamus durch den Hirnstamm [vgl. 14, S. 129]. Das weit verteilte thalamokortikale System ist wahrscheinlich für die synchrone Aktivierung der kortikalen Schaltkreise verantwortlich, die das physikalische Substrat bewusster Erfahrung bilden [vgl. 8, S. 20].
Der Thalamus dient als Umschaltstation für sensorische Afferenzen, bevor diese den Hirnkortex im Wachzustand erreichen [2]. Bei Blindheit zum Beispiel können sich visuelle Areale funktionell stärker mit höheren kognitiven Schaltkreisen im Frontal- und Parietalkortex verbinden, wobei die top-down frontoparietale Konnektivität die „visuellen“ Schaltkreise übernimmt, was auf eine zentrale Rolle des Thalamus und seiner Vernetzung hinweist [vgl. 5, S. 802, zit. n. 30, S. 6809; 31, S. 16; 33, S. 17]. Funktionsstörungen im thalamischen Retikularkern können Aufmerksamkeitsdefizite verursachen [vgl. 21, S. 58, zit. n. 176, S. 58].
Der thalamische Nucleus reticularis ist zudem an der Generierung von globalen Alpha-Oszillationen beteiligt, die mit dem kortikalen Arousal in Verbindung stehen und zur Regulierung grundlegender Funktionen beitragen [vgl. 21, S. 141, zit. n. 238, S. 2039; 239, S. 63; 240, S. 16039; 241, S. 63; 21]. Sensorische Informationen aus der Peripherie erreichen die spezifischen thalamischen Schaltkerne (z. B. das Corpus geniculatum mediale für auditive Reize) und werden über thalamokortikale Bahnen an die primären sensorischen Kortikalbereiche weitergeleitet [21].
4. Welche Funktion hat der parietale Kortex im Bewusstsein?
Der parietale Kortex, insbesondere der inferiore Parietallappen (IPL) und der temporoparietale Übergang (TPJ), spielt eine wichtige Rolle in bewussten Prozessen, die mit Aufmerksamkeit, Selbstrepräsentation und der Integration sensorischer Informationen verbunden sind [3]. Die dorsalen und medialen Anteile des Precuneus und des posterioren cingulären Kortex (PCC) sind zentrale Kerngebiete des Default Mode Network (DMN), das an intern gerichteten Aufmerksamkeitsprozessen beteiligt ist [21]. Der posteriore inferiore Parietallappen (pIPL), auch Gyrus angularis genannt, ist wichtig für die Interpretation und Integration sensorischer Informationen aus verschiedenen Modalitäten und fungiert als Arbeitsspeicher [vgl. 21, S. 98, zit. n. 199, S. 1].
Bei angeborener Blindheit zeigen visuelle Areale eine stärkere funktionelle Kopplung mit höheren kognitiven Schaltkreisen im Frontal- und Parietalkortex [5]. Dies deutet auf eine bemerkenswerte funktionelle Reorganisation hin, bei der der Parietalkortex eine kompensatorische Rolle übernimmt [vgl. 5, S. 802]. Global synchrone Alpha-Oszillationen, die im wachen Ruhezustand im parietookzipitalen Bereich dominant sind, werden als Hinweis darauf interpretiert, dass diese Regionen durch Hemmungsprozesse den visuellen Kortex deaktivieren und die Prozesse des hinteren DMN einleiten [vgl. 21, S. 142]. Die Aktivierung des parietalen Operculums mit erhöhter Durchblutung ist zudem ein Merkmal des Traumzustands [8].
5. Gibt es eine einzelne „Bewusstseinsregion“ im Gehirn?
Nein, es gibt keine einzelne „Bewusstseinsregion“ im Gehirn, die für alle Aspekte des Bewusstseins verantwortlich ist [8, 11, 22]. Stattdessen wird Bewusstsein als ein Phänomen angesehen, das aus der integrierten Aktivität weit verteilter und miteinander verbundener Schaltkreise im Neokortex und in subkortikalen Zentren wie den Basalganglien und limbischen Strukturen entsteht [8, 11].
Obwohl früher angenommen wurde, dass bestimmte Areale wie der insuläre, der vordere zinguläre und der mediale präfrontale Kortex vorrangig am Selbstbewusstsein beteiligt sind, zeigen neuere Forschungen, dass diese Lokalisierung zu einfach ist. Bei Patienten, deren vermeintliche „Selbstbewusstseins-Areale“ weitgehend zerstört waren, konnten andere Hirnregionen diese Funktionen übernehmen. Dies lässt den Schluss zu, dass Selbstbewusstsein ein „Patchwork-Produkt“ aus vielen Arealen ist [vgl. 22].
Die Neurowissenschaften haben gezeigt, dass das Gehirn unterschiedliche funktionelle Regionen besitzt [vgl. 11, S. 17]. Zum Beispiel konnten durch Neuropsychologie, die sich mit Hirnschäden befasst, frühe Erkenntnisse über die Lokalisation von Funktionen wie der Sprache (Broca-Areal) gewonnen werden [vgl. 5, S. 29, zit. n. 129, S. 377]. Jedoch geht die moderne neurowissenschaftliche Forschung über die reine Korrelation kognitiver Funktionen mit bestimmten Hirnregionen hinaus und versucht zu verstehen, wie diese Funktionen ausgeführt werden [5]. Auch wenn bestimmte Hirnregionen bei spezifischen Aufgaben erhöhte Aktivität zeigen (z. B. beim Wahrnehmen eines visuellen Objekts, Vorstellen, ein Gesicht wiederzuerkennen), vermeiden Neurowissenschaftler vereinfachende Aussagen wie „dieser Teil des Gehirns tut dies und jenes“, da die Analyse der Hirnaktivität komplexer ist [vgl. 10].
6. Wie definieren sich neuronale Korrelate des Bewusstseins (NCCs)?
Neuronale Korrelate des Bewusstseins (NCCs) werden als das Minimum an neuronalen Ereignissen definiert, die gemeinsam ausreichend für jede spezifische bewusste Wahrnehmung sind [vgl. 2, S. 805; 2]. Diese Definition wurde von Christof Koch und Francis Crick geprägt, die Pioniere in der neurowissenschaftlichen Erforschung des Bewusstseins waren [vgl. 2, S. 803, zit. n. 94, S. 263; 100, S. 119]. Die Forschung konzentriert sich darauf, die Neuronen und Hirnregionen zu identifizieren, die für die Erzeugung eines spezifischen Inhalts des Bewusstseins verantwortlich sind – beispielsweise das Sehen eines horizontalen anstelle eines vertikalen Streifenmusters oder die Farben Rot anstelle von Grün [vgl. 2, S. 804]. Die Unterscheidung zwischen „einfachen Problemen des Bewusstseins“ (Phänomene, die mit wissenschaftlichen Methoden erforscht werden können) und dem „schwierigen Problem“ (der neuronalen Grundlage des subjektiven bewussten Erlebens) ist hierbei von zentraler Bedeutung [vgl. 2, S. 991].
7. Was sind die minimalen neuronalen Mechanismen für bewusste Wahrnehmung?
Die Bestimmung der minimalen neuronalen Mechanismen für bewusste Wahrnehmung ist eine komplexe Herausforderung in der Neurowissenschaft. Das Hauptziel der NCC-Forschung ist es, die minimale Hirnaktivität zu identifizieren, die für eine bewusste Erfahrung ausreicht [vgl. 2, S. 807]. Ein Kernproblem dabei ist die „Kontamination“: Die beobachtete neuronale Aktivität könnte eine Voraussetzung oder eine Konsequenz der bewussten Erfahrung sein, aber nicht zwangsläufig das eigentliche neuronale Substrat [vgl. 2, S. 807].
Bewusstsein hängt eng mit der synchronen Aktivierung weit verteilter und miteinander verbundener kortikaler Schaltkreise zusammen, die wahrscheinlich über das thalamokortikale System stattfindet [8, 11]. Die Aktivierung dieser Vorderhirnschaltkreise, die dem Bewusstsein zugrunde liegen, wird durch die retikuläre Formation des Hirnstamms, insbesondere durch ihre pontomesenzephalen und dienzephalen Komponenten, gesteuert [8, 11].
Während des Traumzustands (REM-Schlaf) wird Bewusstsein aufrechterhalten, ohne dass eine Wachheit eintritt, weil die Input-Output-Tore durch hemmende Deaktivierung sensorischer Eingangskanäle und motorischer Ausgangspforten geschlossen sind. Dies bedeutet, dass trotz der Aktivierung des thalamokortikalen Systems keine Wachheit erfolgt [vgl. 8, S. 178]. Die Unterschiede zwischen Wach- und Traumzustand ergeben sich aus veränderten neuromodulatorischen Einflüssen vom Hirnstamm auf den Kortex (z. B. eine Schwächung noradrenerger und serotonerger Einflüsse und eine Verstärkung cholinerger Einflüsse) sowie regionalen Aktivierungsunterschieden (z. B. erhöhte Durchblutung im limbischen Subkortex und verminderte im dorsolateralen präfrontalen Kortex) [8, 11].
8. Zeigt fMRI reliable Korrelationen zwischen Bewusstsein und Hirnaktivität?
fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie) zeigt zuverlässige Korrelationen zwischen Hirnaktivität und Bewusstsein, allerdings ist es wichtig zu verstehen, dass fMRI eine korrelative Methode ist und keine direkten kausalen Beziehungen belegen kann [5, 5]. fMRI-Studien erfassen Veränderungen im Blutfluss (BOLD-Signal), die auf erhöhte neuronale Aktivität in bestimmten Hirnregionen hindeuten, da aktive Neuronen mehr Glukose und Sauerstoff benötigen [vgl. 2, S. 227].
Kombinierte bildgebende (fMRI) und elektrophysiologische (EEG) Studien liefern jedoch wichtige Hinweise. Sie unterstützen die Hypothese, dass die Arbeitsgedächtnisfunktion aus der koordinierten Interaktion zwischen posterioren Speicher- und Verarbeitungsmodulen sowie präfrontalen exekutiven Kontrollmechanismen resultiert, die sensorische Repräsentationen über selektive Aufmerksamkeitssignale an den extrastriären visuellen Kortex aufrechterhalten [vgl. 21, S. 26]. Auch bei der Untersuchung des komplexen neuronalen Systems, das der Sprache zugrunde liegt, ist fMRI eine häufig genutzte Methode [vgl. 5, S. 837]. fMRI-Studien haben auch spezifische neuronale Korrelationen bestätigt, wie die negative Beziehung zwischen tonischen Alpha-Rhythmen im parietookzipitalen Bereich und dem kortikalen Arousal [vgl. 21, S. 142]. Die Fähigkeit, während mentaler Aktivität funktionelle Veränderungen im Gehirn zu visualisieren, erlaubt es, selbst komplexe kognitive Prozesse direkt zu untersuchen [11].
9. Kann EEG bewusste Erfahrungen objektiv messen?
EEG (Elektroenzephalographie) kann die elektrische Aktivität des Gehirns objektiv messen und ein grobes Bild der sich ständig ändernden Muster der Gehirnaktivität liefern [vgl. 14, S. 373]. Durch Computeranalyse können aus EEG-Aufzeichnungen ereigniskorrelierte Potenziale abgeleitet und lokalisiert werden [14].
Das EEG erfasst neuronale Oszillationen, die verschiedenen Bewusstseinszuständen zugeordnet werden, wie Delta (1–4 Hz), Theta (4–8 Hz), Alpha (8–12 Hz), Beta (13–21 Hz) und Gamma (35–45 Hz). Jedes dieser Frequenzbänder repräsentiert einen Bewusstseinszustand, obwohl die Definitionen und Zuordnungen in der Forschung noch uneinheitlich sind [vgl. 21].
Neurofeedback-Methoden, die auf EEG basieren, nutzen spontane und induzierte Oszillationen sowie ereigniskorrelierte Potenziale, um die Selbstregulation des Gehirns zu trainieren [vgl. 21, S. 116]. Das Gehirn erhält dabei in Echtzeit Rückmeldungen über seine eigene Aktivität (akustisch, visuell, taktil) und kann lernen, diese zu diskriminieren und spezifische neurophysiologische Veränderungen als Reaktion auf die Verstärkung bestimmter Frequenzen zu zeigen [vgl. 21, S. 314].
Trotz dieser objektiven Messungen des Gehirns kann das EEG jedoch nicht die subjektive, gedankliche und gefühlte Bedeutung dieser Gehirnprozesse erfassen [22]. Diese kann nur von der Person selbst verbalisiert werden [22].
10. Was ist das P300-Ereigniskorrelierte Potenzial?
Das P300 ist eine prominente Komponente des ereigniskorrelierten Potentials (EKP oder ERP) [14]. Ereigniskorrelierte Potenziale sind Maße der Gehirnaktivität, die computergestützt aus EEG-Aufzeichnungen abgeleitet und über verschiedene Latenzzeiten gemittelt werden, nachdem einem Probanden ein spezifischer Reiz dargeboten wurde [vgl. 14, S. 373].
Die N2- und P3-Komponenten (wobei P300 eine P3-Komponente ist) werden ausgelöst, wenn Reize neuartig sind oder als Signale für Verhaltensaufgaben dienen und daher Aufmerksamkeit erfordern und verarbeitet werden müssen [vgl. 14, S. 374]. Dieses allgemeine Reaktionsmuster wird als „Orientierungskomplex“ bezeichnet. Die P3-Komponente wird insbesondere ausgelöst, wenn der experimentelle Reiz die Aufmerksamkeit des Probanden erregt hat und ihm bewusst geworden ist [vgl. 14, S. 374, zit. n. 327, S. 371].
11. Korreliert P300 tatsächlich mit bewusster Wahrnehmung?
Ja, das P300-Ereigniskorrelierte Potenzial, insbesondere die N2/P3-Komponenten, korreliert tatsächlich stark mit bewusster Wahrnehmung und spielt eine zentrale Rolle bei Prozessen, die als Bewusstsein erlebt werden [vgl. 14, S. 375].
Die Tatsache, dass die N2/P3-Komponenten nur auftreten, wenn der verwendete experimentelle Reiz „die Aufmerksamkeit des Probanden erregt hat und ihm bewusst geworden ist„, weist auf eine enge Verbindung zur bewussten Verarbeitung hin [vgl. 14, S. 374, zit. n. 327, S. 371]. Bewusstsein, in diesem Zusammenhang eng verbunden mit Hinwendung und Orientierung, wird als entscheidend für die Bewertung von Neuartigkeit angesehen. Es ist unerlässlich, um Unvorhersehbares durch Verhaltensänderungen im Bereich des Unbekannten in einen spezifischen und klar definierten Kontext zu setzen [vgl. 14, S. 375]. Dies unterstreicht die Rolle des P300 als neuronalen Marker für die bewusste Verarbeitung relevanter oder neuer Reize.
12. Wie entstehen neuronale Signaturen des Bewusstseins?
Neuronale Signaturen des Bewusstseins entstehen durch komplexe physikalische und biologische Prozesse im Gehirn [2]. Bewusstsein ist das Endprodukt der Interaktionen zwischen elementaren Verarbeitungseinheiten im Gehirn [11]. Die Milliarden von Gehirnzellen im Großhirnkortex und Thalamus müssen kontinuierlich vom Hirnstamm aktiviert werden, um bewusste Erfahrungen zu ermöglichen [vgl. 14, S. 129; 21].
Neuromodulatoren spielen wahrscheinlich eine integrative Rolle bei der Ko-Kontrolle der lokalen neuronalen Aktivität und der zerebralen Mikrozirkulation. Dies ist von grundlegender Bedeutung für die selektiven Gehirnaktivierungsmuster in verschiedenen Bewusstseinszuständen [vgl. 8, S. 130; 8]. Auch unbewusste Prozesse, deren Bedeutung in der kognitiven Neurowissenschaft neu bewertet wird, tragen zur Entstehung bewusster mentaler Aktivität bei [vgl. 11, S. 13].
Das Gehirn konstruiert eine kohärente Abbildung der Außen- und Innenwelt. Wahrnehmungen aus verschiedenen sensorischen Modalitäten und dem Default Mode Network (DMN) konvergieren in Assoziationsgebieten (z. B. Gyrus angularis, Gyrus supramarginalis, orbitofrontaler Kortex (OFC)) und werden im ventromedialen präfrontalen Kortex (VMPFC) zu einem einheitlichen Eindruck integriert [vgl. 9, S. 106, zit. n. 201, S. 1]. Die Funktionsweise des Gehirns basiert auf den fortlaufenden Mustern von Aktionspotenzialen in den Gehirnzellen und den langanhaltenden Veränderungen synaptischer Verbindungen, welche Lernen und Gedächtnis zugrunde liegen [11]. Diese Prozesse sind fundamental dafür, wie das Gehirn psychologisch relevante Variablen berechnet und repräsentiert [11, 5]. Die präzisen Mechanismen der „Signatur“ des Bewusstseins, wie die Rolle von Gamma-Band-Aktivität, werden weiterhin intensiv erforscht [vgl. 2, S. 805].
13. Sind NCCs ausreichend oder nur notwendig für Bewusstsein?
Die Debatte um die Neuronalen Korrelate des Bewusstseins (NCCs) dreht sich darum, ob diese Hirnaktivitäten lediglich notwendige Voraussetzungen sind oder ausreichende Bedingungen für eine bewusste Erfahrung darstellen [2]. Das zentrale Ziel der NCC-Forschung ist es, die minimale Hirnaktivität zu identifizieren, die für eine bewusste Erfahrung ausreicht [vgl. 2, S. 807].
Der Begriff „minimal“ ist jedoch problematisch, da die Möglichkeit der „Kontamination“ besteht: Die beobachtete neuronale Aktivität könnte eine Voraussetzung oder eine Folge der bewussten Erfahrung sein, aber nicht das eigentliche neuronale Substrat [vgl. 2, S. 807]. Es wird auch diskutiert, ob NCCs in koordinierter oder korrelierter Aktivität über mehrere Gehirnareale hinweg liegen, anstatt auf die Aktivität eines einzelnen Areals beschränkt zu sein [2].
Obwohl Bewusstsein und Aufmerksamkeit oft eng miteinander verbunden sind und Aufmerksamkeit üblicherweise mit Bewusstsein einhergeht, sind sie tatsächlich unterschiedliche Prozesse [vgl. 2, S. 293; 2]. Studien, die zeigen, dass Bewusstsein ohne Aufmerksamkeit existieren kann, bleiben kontrovers [2]. Daher ist die Frage, ob NCCs als ausreichende Bedingungen für Bewusstsein gelten können, weiterhin Gegenstand intensiver Forschung und philosophischer Debatte.
14. Welche Hirnregionen interagieren dynamisch für Bewusstsein?
Für bewusste Prozesse interagieren zahlreiche Hirnregionen dynamisch in komplexen Netzwerken [8, 11]. Bewusstsein entsteht aus der synchronen Aktivität weit verteilter und miteinander verbundener Schaltkreise im Neokortex sowie in subkortikalen Zentren wie den Basalganglien und limbischen Strukturen [vgl. 8, S. 20]. Die Aktivierung dieser Vorderhirnschaltkreise wird durch die retikuläre Formation des Hirnstamms, die mit dem thalamokortikalen System interagiert, gesteuert [8, 11].
Während des Traumzustands (REM-Schlaf) gibt es spezifische regionale Aktivierungsunterschiede im Vergleich zum Wachzustand: eine Intensivierung der Durchblutung im limbischen Subkortex (z. B. Amygdala), im Hippocampus, den parahippocampalen und anterioren zingulären Kortexarealen, den Basalganglien, dem basalen Vorderhirn und dem parietalen Operculum, während die Durchblutung im dorsolateralen präfrontalen Kortex vermindert ist [vgl. 8, S. 178; 8].
In Fällen angeborener Blindheit können „visuelle“ Netzwerke durch höhere kognitive Informationen aus frontoparietalen und frontotemporal-Netzwerken „übernommen“ werden, wobei die top-down frontoparietale Konnektivität die „visuellen“ Schaltkreise übernimmt [5]. Dies demonstriert die Plastizität und dynamische Interaktion zwischen verschiedenen Hirnregionen.
Wichtige dynamisch interagierende Netzwerke für kognitive Fähigkeiten sind:
Default Mode Network (DMN): Dies ist ein intrinsisches Bereitschaftsnetzwerk, dessen Kerngebiete der ventromediale präfrontale Kortex (VMPFC), der hintere Teil des Gyrus cinguli (PCC) und der ventrale Precuneus (vPre) sind [21]. Es ist an intern gerichteten Aufmerksamkeitsprozessen, Selbstbezug und emotionaler Verarbeitung beteiligt [vgl. 21, S. 91; 9; 21; 21]. Der VMPFC integriert Wahrnehmungen aus verschiedenen sensorischen Modalitäten und dem DMN zu einem einheitlichen Eindruck [vgl. 9, S. 106].
Salienznetzwerk (SN): Das SN moduliert die Aktivität des Exekutivkontrollnetzwerks (ECN) und reguliert zusammen mit dem Locus coeruleus des Hirnstamms das allgemeine Erregungsniveau (Arousal) des zentralen Nervensystems [vgl. 21, S. 91, zit. n. 170, S. 119; 171, S. 2763; 21]. Sein Aktivitätslevel beeinflusst die Geschwindigkeit der sensorischen Verarbeitung [21].
Exekutivkontrollnetzwerk (ECN): Das ECN, insbesondere der dorsolaterale präfrontale Kortex (DLPFC), ist an der top-down-Steuerung der Aufmerksamkeit beteiligt und analysiert und vergleicht Muster im Arbeitsgedächtnis [vgl. 21, S. 98].
Das „Wachheitssystem“, bestehend aus der retikulären Formation des Hirnstamms und dem thalamischen Nucleus reticularis, ist eine Grundvoraussetzung für Aufmerksamkeitsprozesse und die Aufrechterhaltung des kortikalen Erregungsniveaus (Arousal) [21, 21, 21]. Diese Netzwerke und Regionen arbeiten in einem komplexen Zusammenspiel, das die Grundlage für bewusste Erfahrungen bildet.
15. Können bewusste Zustände durch Hirnstimulation ausgelöst werden?
Ja, Hirnstimulation kann bewusste Zustände und damit verbundene mentale Prozesse beeinflussen und möglicherweise auslösen, und die Forschung nutzt solche Methoden, um kausale Zusammenhänge zu untersuchen [5]. Die Einführung der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) hat es ermöglicht, spezifische Hirnregionen nicht-invasiv zu stimulieren oder zu hemmen, indem eine Magnetspule in der Nähe des Kopfes platziert wird. Dies erlaubt es Forschern, neuronale Aktivität zu verändern und die daraus resultierenden psychologischen oder verhaltensbezogenen Konsequenzen zu beobachten, wodurch kausale Beziehungen erforscht werden können [vgl. 5, S. 49, zit. n. 287, S. 210; 288, S. 31; 5].
Informationen aus Hirnläsions- und Stimulationsstudien werden verwendet, um Modelle der Bewusstseinskontrolle zu entwickeln und zu diskutieren [vgl. 8, S. 20; 11]. Frühe Erkenntnisse über die Lokalisation von Hirnfunktionen stammten aus neuropsychologischen Studien an Patienten mit Hirnschäden (Läsionen) [vgl. 5, S. 29]. Auch Tierversuche, bei denen elektrische Stimulationen angewendet wurden, trugen zum Verständnis kognitiver Funktionen bei [5].
Obwohl nicht direkt das „Auslösen“ eines bewussten Zustands im Sinne eines „Ein-Aus-Schalters“, zeigen Neurofeedback-Ansätze, wie das Gehirn durch gezielte Rückmeldung seiner eigenen Aktivität (z. B. mittels EEG-Sensoren, die akustisches oder visuelles Feedback liefern) seine Selbstregulation verbessern kann [21]. Das Gehirn kann dabei lernen, spezifische Frequenzen zu diskriminieren und daraufhin neurophysiologische Veränderungen zu bewirken [vgl. 21, S. 314]. Dies deutet auf die Fähigkeit des Gehirns hin, seine eigenen Zustände durch spezifische „Stimulation“ (in diesem Fall durch Feedback) zu modulieren.
16. Reguliert das Gehirn Körperfunktionen vollständig unbewusst?
Das Gehirn reguliert zahlreiche Körperfunktionen weitgehend unbewusst über das autonome Nervensystem [2, S. 168]. Dieses System ist für die Steuerung innerer Organe, Drüsen und der Blutgefäßversorgung zuständig und unterliegt keiner direkten bewussten Kontrolle [2, S. 168]. Auch die Modulation basaler Funktionen, die für die Aufrechterhaltung des Erregungsniveaus verantwortlich sind, erfolgt über die Interaktion der Hirnstamm-Reticularis-Formation mit dem thalamokortikalen System [8, S. 103; 11, S. 103; 21, S. 103]. Neuromodulatoren spielen hierbei eine integrative Rolle [8, S. 130; 8, S. 130]. Bestimmte neuronale Systeme entfalten ihre Wirkung auf einer breiten räumlichen und zeitlichen Skala, indem sie komplexe Verhaltensweisen steuern, die von unbewusstem Einschlafen bis zu Gefühlen wie Verliebtsein reichen können [2, S. 559]. Diese diffusen Modulationssysteme steuern unter anderem Erregungs- und Gefühlszustände [2, S. 561]. Zudem existieren im zentralen Nervensystem physiologisch verankerte oder automatisierte Subsysteme, die für die biologische Regulierung zuständig sind, wie beispielsweise die Überwachung des Kohlendioxidgehalts im Blutplasma [14, S. 349].
17. Erfolgt die Atemregulation ohne bewusste Kontrolle?
Die Atemregulation wird, wie andere grundlegende Körperfunktionen zur Aufrechterhaltung des Lebens, hauptsächlich durch automatisierte, physiologisch verankerte Subsysteme des zentralen Nervensystems gesteuert [14, S. 349]. Diese basalen Überlebensfunktionen sind bereits bei Geburt ausgebildet und umfassen die grundlegende biologische Regulierung [22, S. 389]. Obwohl diese Subsysteme unsere Fantasien und Pläne beeinflussen können, greifen sie nicht direkt in das Verhalten ein, um uns zu bloßen Automaten zu machen [14, S. 349]. Die Prozesse, die für die Atmung verantwortlich sind, laufen unbewusst und instinktiv ab, was auch in Konzepten wie dem „Autopiloten“ des Systems 1 widergespiegelt wird, der Aktivitäten wie das Kauen steuert, die willentlicher Kontrolle zugänglich sind, aber gewöhnlich automatisch ausgeführt werden [10, S. 319].
18. Ist der Herzschlag komplett unbewusst gesteuert?
Der Herzschlag ist primär eine unbewusst gesteuerte Körperfunktion. Er wird durch das vegetative Nervensystem reguliert, das für die Kontrolle der inneren Organe und Drüsen zuständig ist [2, S. 168]. Diese Regulation erfolgt automatisch und unterliegt nicht der direkten bewussten Kontrolle [2, S. 168]. Die viszeralen und motorischen Neuronen des Herz-Kreislauf-Systems werden vom autonomen Nervensystem gesteuert [11, S. 1058]. Dies fällt unter die Kategorie der „basalen Netzwerke“, die der Implementierung und Regulierung von grundlegenden Körperfunktionen dienen und meist von subkortikalen Regionen vermittelt werden [21, S. 55].
19. Was ist prozedurales Gedächtnis neurobiologisch?
Das prozedurale Gedächtnis ist eine Form des nichtdeklarativen Gedächtnisses, das auf dem Erlernen von Verhaltensgewohnheiten beruht [2, S. 931]. Es handelt sich um unbewusst repräsentiertes Wissen, das nur performativ abgerufen werden kann [14, S. 366, zit. n. 165]. Dieses Wissen entwickelt sich phylogenetisch primitiv und ontogenetisch früh, lange vor dem deklarativen Wissen [14, S. 366, zit. n. 203]. Beispiele hierfür sind intuitive Regulationsprozesse wie Fahrradfahren oder Zähneputzen, die durch Lernprozesse zu automatisierten Routinen werden [21, S. 16]. Neurobiologisch ist das Striatum entscheidend für das prozedurale Gedächtnis und die Ausbildung von Verhaltensgewohnheiten [2, S. 931]. Das Kleinhirn (Cerebellum) ist ebenfalls daran beteiligt, gelernte Bewegungen unbewusst und automatisch auszuführen, indem es neue Bewegungsprogramme schafft [2, S. 533].
20. Welche Hirnregionen speichern Fahrradfahren-Fähigkeiten?
Die Fähigkeiten zum Fahrradfahren werden als prozedurales Gedächtnis gespeichert [21, S. 16]. Diese Art von Wissen ist unbewusst und wird durch die Ausbildung von Verhaltensgewohnheiten erworben [14, S. 366, zit. n. 165]. Neurobiologisch ist das Striatum von entscheidender Bedeutung für das prozedurale Gedächtnis [2, S. 931]. Das Kleinhirn (Cerebellum) spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der unbewussten und automatischen Ausführung gelernter Bewegungen, indem es neue Bewegungsprogramme erstellt [2, S. 533]. Somit sind primär das Striatum und das Kleinhirn an der Speicherung und Ausführung solcher automatisierten motorischen Fertigkeiten beteiligt, die keine bewusste Kontrolle mehr erfordern [2, S. 533; 2, S. 931].
21. Wie funktionieren Priming-Effekte neuronal?
Priming-Effekte zeigen, dass unser Denken und Verhalten in viel stärkerem Maße vom augenblicklichen Umfeld beeinflusst werden, als wir es bewusst wahrnehmen oder wollen [10, S. 330]. Neuronale Priming-Effekte basieren auf der Aktivierungsausbreitung im assoziativen Gedächtnis [10, S. 323]. Eine aktivierte Vorstellung (Knoten in diesem Netzwerk) ruft nicht nur eine, sondern viele andere Vorstellungen wach, die ihrerseits weitere evozieren können. Der Großteil dieser assoziativen Denkprozesse vollzieht sich dabei lautlos und unterhalb der Bewusstseinsschwelle [10, S. 323]. Dies bedeutet, dass Informationen, die man nicht bewusst beachtet, das Verhalten beeinflussen können [10, S. 330]. Im Falle des „negativen Primings“ lernt das Gehirn, Orte als irrelevant zu definieren, was durch die Amygdala und das Dopaminsystem im Nucleus accumbens gesteuert wird und die Reaktion auf neue Informationen beeinflussen kann [14, S. 370, zit. n. 158]. Das Gefühl der Vertrautheit, das durch wiederholte Erfahrung entsteht, kann beispielsweise Wahrnehmungsflüssigkeit (fluency) erzeugen, die als Hinweis auf Wahrheit oder Gefallen interpretiert wird, ohne dass die wahre Ursache dafür bewusst ist [10, S. 325, zit. n. 120].
22. Können Konzepte unbewusst voraktiviert werden?
Ja, Konzepte können unbewusst voraktiviert werden. Priming-Forschung zeigt, dass unser Denken und Verhalten von Stimuli beeinflusst werden kann, denen man keine Aufmerksamkeit schenkt und die sogar gänzlich unbemerkt bleiben [10, S. 330]. Die meisten Eindrücke und Gedanken tauchen in unserem Bewusstsein auf, ohne dass wir wüssten, wie sie dorthin gelangten [10, S. 315]. Der größte Teil der Arbeit des assoziativen Denkens vollzieht sich lautlos, unterhalb der Bewusstseinsschwelle [10, S. 323]. Dies ist eine automatische Operation des Systems 1, das fortwährend „Berechnungen“ im Gehirn durchführt, um aktuelle Antworten auf Schlüsselfragen wie „Geschieht etwas Neues?“ oder „Besteht eine Bedrohung?“ aufrechtzuerhalten und zu aktualisieren [10, S. 324].
23. Beeinflusst unbewusste Voraktivierung nachfolgendes Verhalten?
Ja, unbewusste Voraktivierung, bekannt als Priming, beeinflusst nachfolgendes Verhalten maßgeblich [10, S. 330]. Unser Denken und Handeln wird in viel stärkerem Maße vom augenblicklichen Umfeld beeinflusst, als wir es erkennen oder wollen [10, S. 330]. Das automatische System 1, das diese Voraktivierung vornimmt, wird als der „geheime Urheber“ vieler unserer Entscheidungen und Urteile beschrieben, selbst wenn sich das bewusste System 2 (unser logisch denkendes Selbst) im Zentrum des Geschehens wähnt [10, S. 317]. Die Eindrücke und Gefühle, die spontan von System 1 erzeugt werden, sind die Hauptquellen der expliziten Überzeugungen und bewussten Entscheidungen von System 2 [10, S. 318]. So können selbst unscheinbare Reize wie ein Bildschirmschoner die Bereitschaft zur Hilfe beeinflussen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind [10, S. 330].
24. Verarbeitet das Gehirn sensorische Informationen unter der Bewusstseinsschwelle?
Das Gehirn verarbeitet einen erheblichen Teil sensorischer Informationen unterhalb der Bewusstseinsschwelle [10, S. 315; 22, S. 388]. Die Menge an Informationen, die aus der Umwelt über unsere Sinnesorgane eintreffen, ist so umfangreich und komplex, dass eine neuronale Verarbeitung ohne Selektion ineffizient wäre [21, S. 39]. Redundante Informationen der eintreffenden sensorischen Signale werden durch einen neuronalen Schleusenmechanismus (neural gating) unterdrückt [21, S. 61]. Unsere Wahrnehmung wird stark von unseren Erinnerungen bestimmt; jedes Bild der äußeren Realität, das auf die Netzhaut trifft, wird mit vergangenen, oft unbewussten Erfahrungen verglichen und vermischt, wodurch es seine subjektive Bedeutung erlangt [22, S. 388]. Die Fähigkeit, einer Gefahr auf der Straße auszuweichen, bevor man sich ihrer bewusst wird, ist ein Beispiel für solche unterbewussten Verarbeitungsprozesse [10, S. 315]. Das Nervensystem ist darauf ausgelegt, Vorhersehbares auszublenden und seine begrenzten analytischen Ressourcen auf unerwartete oder neue Veränderungen zu konzentrieren [14, S. 369].
25. Können komplexe Entscheidungen unbewusst getroffen werden?
Komplexe Entscheidungen können maßgeblich durch unbewusste Prozesse beeinflusst und sogar initiiert werden [10, S. 315]. Die mentale Arbeit, die Eindrücke, Intuitionen und viele Entscheidungen hervorbringt, vollzieht sich im Stillen im Geist [10, S. 315]. Das intuitive System 1 ist der „geheime Urheber“ vieler unserer Entscheidungen und Urteile [10, S. 317]. Es generiert erstaunlich komplexe Vorstellungsmuster [10, S. 318]. Menschen haben oft intuitive Gefühle und Meinungen über fast alles, was ihnen begegnet, und können Sympathie oder Misstrauen gegenüber Fremden empfinden, ohne den Grund zu kennen. Auch das Gefühl, dass ein Unternehmen erfolgreich sein wird, kann ohne detaillierte Analyse entstehen [10, S. 328]. Diese automatischen Prozesse von System 1 liefern oft Antworten auf leichtere, aber verwandte Fragen, die dann die heuristische Antwort des System 2 beeinflussen, wobei das träge System 2 oft dem Pfad des geringsten Widerstandes folgt und die intuitive Antwort unterstützt, ohne sie genauer zu prüfen [10, S. 329].
26. Löst das Gehirn Probleme ohne bewusste Beteiligung?
Das Gehirn ist in der Lage, Probleme teilweise ohne bewusste Beteiligung zu lösen, insbesondere durch die automatischen Operationen des Systems 1 [10, S. 315]. Die mentale Arbeit, die Eindrücke, Intuitionen und viele Entscheidungen hervorbringt, vollzieht sich im Stillen im Geist [10, S. 315]. System 1 überwacht fortwährend die interne und externe Umgebung und führt automatische Bewertungen durch, die bestimmen, ob eine zusätzliche Anstrengung von System 2 (dem bewussten System) erforderlich ist [10, S. 324; 10, S. 327]. Das Nervensystem ist „konstruiert“, um Vorhersehbares auszublenden und seine begrenzten analytischen Ressourcen auf Bereiche zu konzentrieren, in denen sie zu nützlichen Ergebnissen führen, also dort, wo Veränderungen stattfinden oder noch kein Modell existiert [14, S. 369].
Allerdings ist für komplexere Problemstellungen, die ein hohes Maß an Flexibilität, bewusster Kontrolle und aufmerksamem Handeln erfordern, der „Autopilot“ (System 1) nicht ausreichend, und hier werden die exekutiven Funktionen des Systems 2 notwendig [21, S. 44]. Diese umfassen Fähigkeiten wie Argumentation, Planung und Problemlösung [21, S. 45]. Das bewusste System 2 wird mobilisiert, wenn System 1 keine Antwort bereitstellt oder etwas Überraschendes geschieht, das gegen das Weltmodell von System 1 verstößt, und übernimmt dann die Überwachung des Verhaltens, um Fehler zu bemerken und zu korrigieren [10, S. 320]. Die Erkennung von Fehlern erfolgt somit oft unbewusst durch System 1, was dann System 2 zur bewussten Problemlösung aktivieren kann [10, S. 320].
27. Welche Rolle spielt das limbische System bei unbewussten Emotionen?
Das limbische System, insbesondere die Amygdala und der Hippocampus, spielt eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen, einschließlich unbewusster emotionaler Reaktionen [19, S. 148, zit. n. 54; 2, S. 675]. Informationen aus allen sensorischen Systemen erreichen die Amygdala, insbesondere die basolateralen Kerne, was ihre Beteiligung an der Verarbeitung von Furcht und anderen Affekten untermauert [2, S. 677]. Die Amygdala ist für die vorläufige Bestimmung der affektiven Bedeutung unvorhersehbarer Ereignisse verantwortlich und hat einen starken Einfluss auf motorische Kontrollzentren [14, S. 358]. Emotionen, die durch Neuartiges oder Unerwartetes ausgelöst werden, scheinen nicht erlernt zu sein und sind bereits mit einem Affekt beladen, was auf eine unmittelbare, prä-bewusste Bewertung durch limbische Strukturen hindeutet [14, S. 358]. Studien zeigen beispielsweise die Reagibilität der Amygdala auf maskierte furchteinflößende Augenweißbereiche, die nicht bewusst wahrgenommen werden [10, S. 344, zit. n. 131]. Starke Gefühle, ob angenehm oder unangenehm, blockieren die Vernunft und dienen der Natur dazu, in Gefahrensituationen blitzschnell Entscheidungen und Handlungen zu ermöglichen, was auf eine primäre, unbewusste Funktionsweise des emotionalen Systems hindeutet [22, S. 393].
28. Steuern die Basalganglien unbewusste Gewohnheiten?
Ja, die Basalganglien spielen eine entscheidende Rolle bei der Steuerung unbewusster Gewohnheiten [2, S. 931]. Das Striatum, ein Hauptbestandteil der Basalganglien, ist maßgeblich am prozeduralen Gedächtnis beteiligt, das die Ausbildung von Verhaltensgewohnheiten umfasst [2, S. 931]. Die Basalganglien sind an vielen parallelen Schaltkreisen beteiligt, von denen nur wenige strikt motorisch sind; einige sind mit Gedächtnis und kognitiver Funktion verbunden [2, S. 533]. Sie tragen zur Schaffung neuer Bewegungsprogramme bei, die dann mehr oder weniger unbewusst und automatisch ablaufen können [2, S. 533]. Dies bestätigt ihre Funktion in der unbewussten und automatischen Verhaltenskontrolle von Gewohnheiten.
29. Entstehen emotionale Reaktionen vor bewusster Wahrnehmung?
Ja, emotionale Reaktionen können vor der bewussten Wahrnehmung entstehen [10, S. 315]. Die mentale Arbeit, die Eindrücke, Intuitionen und viele Entscheidungen hervorbringt, vollzieht sich im Stillen im Geist [10, S. 315]. Man kann beispielsweise eine Spur von Verärgerung aus der Stimme einer Person heraushören oder einer Gefahr auf der Straße ausweichen, ehe man sich dessen bewusst wird [10, S. 315]. Neurobiologische Studien haben gezeigt, dass die Amygdala auf emotionale Reize reagieren kann, selbst wenn diese maskiert und somit nicht bewusst wahrgenommen werden [10, S. 344, zit. n. 131]. Unvorhersehbare oder neuartige Ereignisse können bereits mit einem Affekt beladen sein und im Wesentlichen durch die Amygdala initial mit großer Angst und Neugier belegt werden, noch bevor ein Lernprozess stattgefunden hat, was auf prä-bewusste emotionale Bewertungen hindeutet [14, S. 358]. Starke Gefühle können die Vernunft blockieren und sind von der Natur so vorgesehen, um in Gefahrensituationen blitzschnell Entscheidungen und Handlungen zu ermöglichen, was impliziert, dass die emotionale Reaktion der bewussten kognitiven Verarbeitung vorausgeht [22, S. 393].
30. Können unbewusste Prozesse bewusste Entscheidungen beeinflussen?
Ja, unbewusste Prozesse können bewusste Entscheidungen maßgeblich beeinflussen [10, S. 317]. Das intuitive System 1 ist der „geheime Urheber“ vieler Entscheidungen und Urteile, auch wenn das bewusste System 2 (das logisch denkende Selbst) glaubt, im Zentrum des Geschehens zu stehen [10, S. 317]. Die Eindrücke und Gefühle, die spontan von System 1 erzeugt werden, sind die Hauptquellen der expliziten Überzeugungen und bewussten Entscheidungen von System 2 [10, S. 318]. System 2 unterstützt oder rationalisiert oft Vorstellungen und Gefühle, die von System 1 generiert wurden, auch wenn der Ursprung dieser Eindrücke unbekannt ist [10, S. 337]. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist die Studie von Benjamin Libet, die zeigte, dass das Bewusstsein, eine Bewegung ausführen zu wollen, der neuronalen Bereitschaftspotenzial („readiness potential“) um bis zu eine ganze Sekunde folgte. Dies deutet darauf hin, dass Handlungen, die wir als freien Willen betrachten, einen signifikanten unbewussten Schritt beinhalten können, da neuronale Aktivität den Wunsch zu handeln vor dem bewussten Willen vorhersagen kann [11, S. 384, zit. n. 40]. Frühkindliche Prägungen und Erfahrungen, die in den ersten beiden Lebensjahren gesammelt werden, können beispielsweise im Erwachsenenalter nicht mehr gelöscht werden und bilden ein fundamentales Fundament unserer psychischen „Software“, die unser Denken und Fühlen beeinflusst [22, S. 389]. Unsere Wahrnehmung ist stark von unbewusst gefilterten Erinnerungen geprägt, was wiederum unsere bewussten Interpretationen und Entscheidungen beeinflusst [22, S. 388]. Selbst subtile Einflüsse wie informelle Kritik können die unbewusste Persönlichkeit und emotionale Stabilität untergraben, was wiederum bewusste Gedanken und Entscheidungen tangiert [14, S. 377].
31. Ist Bewusstsein ein Zustand aktiver Informationswahrnehmung?
Ja, Bewusstsein wird maßgeblich als Zustand aktiver Informationswahrnehmung und -verarbeitung verstanden. Umgangssprachlich bedeutet Bewusstsein, sich einer Sache gewahr zu sein [10, S. 133]. Die Neurowissenschaften definieren die neuronalen Korrelate des Bewusstseins (NCC) als das Minimum neuronaler Ereignisse, die für jede spezifische bewusste Wahrnehmung ausreichen [vgl. 10, S. 144, zit. n. Christof Koch]. Ein Großteil dessen, was wir als Bewusstsein bezeichnen, basiert auf unwillkürlicher Aufmerksamkeit für Dinge, die unseren Vorhersagen und Wünschen zuwiderlaufen [14, S. 242]. Diese unwillkürliche Aufmerksamkeit ist der erste Schritt in einem Lernprozess, bei dem wir unser Verhalten und unsere Interpretationsschemata an die Erfahrungswelt anpassen [14, S. 242]. Bewusstsein ist entscheidend an der Bewertung von Neuartigem beteiligt und unerlässlich dafür, Unvorhersehbares durch eine Änderung des Verhaltens im Bereich des Unbekannten in einen bestimmten und klar definierten Kontext zu setzen [vgl. 14, S. 250]. Es kann sogar als das Organ betrachtet werden, das sich auf die Analyse und Klassifizierung unvorhersehbarer Ereignisse spezialisiert hat [14, S. 268]. Darüber hinaus intensiviert das Auftauchen des Unbekannten (z.B. eine Bedrohung) die Bewusstheit und motiviert zu aktiver Erkundung; Bewusstheit hängt dabei von der Aktivierung archaischer Nervensystem-Schaltkreise ab, die auf das Unbekannte reagieren [vgl. 14, S. 285]. Unsere bewusste Wahrnehmung wird auch stark von unseren inneren Bedürfnissen und früheren Erfahrungen beeinflusst, vergleichbar mit einer Taschenlampe in der Dunkelheit, die den Strahl unserer Aufmerksamkeit lenkt [16, S. 311]. Was wir sehen, ist demnach immer eine Mischung aus Realität und subjektiven Erfahrungen, da Sinneseindrücke mit Erinnerungen aus Assoziationsgebieten verglichen und vermischt werden [16, S. 311]. Obwohl viele Eindrücke und Gedanken automatisch in unser Bewusstsein gelangen, ohne dass wir ihren Ursprung kennen, vollzieht sich ein Großteil der mentalen Arbeit, die Intuitionen und Entscheidungen hervorbringt, im Stillen [10, S. 171].
32. Erfordert bewusste Verarbeitung immer Reflexion?
Nein, bewusste Verarbeitung erfordert nicht immer Reflexion. Ein erheblicher Teil unserer mentalen Prozesse, die zu Eindrücken, Intuitionen und vielen Entscheidungen führen, vollzieht sich lautlos und automatisch, noch bevor sie uns bewusst werden [10, S. 171, 193-194]. Das automatische System 1 generiert spontan Eindrücke und Gefühle, die die primären Quellen für die expliziten Überzeugungen und bewussten Entscheidungen von System 2 sind [10, S. 176]. System 2, das wir als unser bewusstes, logisch denkendes Selbst identifizieren, rationalisiert oder unterstützt oft die von System 1 erzeugten Ideen und Gefühle [10, S. 227]. Reflexion, die dem anstrengenden System 2 zugeschrieben wird, wird typischerweise dann mobilisiert, wenn System 1 keine Antwort bereitstellt oder etwas Überraschendes geschieht [10, S. 178]. System 2 übernimmt, sobald es schwierig wird, und hat normalerweise das letzte Wort [10, S. 178]. Allerdings ist System 1 automatisch und kann nicht willentlich abgestellt werden, was es schwierig macht, intuitive Denkfehler zu verhindern. Dies erfordert eine gesteigerte Überwachung und mühsame Aktivierung von System 2, was im Alltag unpraktisch ist [10, S. 181]. Die „Faulheit“ von System 2 führt oft dazu, dass es den Vorschlägen von System 1 folgt, ohne genauer zu prüfen, ob diese wirklich angemessen sind, wodurch Urteilsfehler entstehen können [vgl. 10, S. 199, 214-215]. Wir verstehen implizit mehr, als wir explizit wissen können, da viele automatisierte Klassifizierungsstrategien dem bewussten Verständnis nicht zugänglich sind [vgl. 14, S. 256]. Die Forderung nach Reflexion bedeutet, Annahmen zu hinterfragen und sich an neue Gegebenheiten anzupassen, ein Prozess, der Anstrengung und ein Abweichen von der einfachen, automatischen Verarbeitung erfordert [14, S. 291]. Starke Emotionen können die Vernunft blockieren und verhindern, dass reflektierte Gedanken in eine Entscheidung einfließen [16, S. 313].
33. Welche Rolle spielt Aufmerksamkeit für Bewusstsein?
Aufmerksamkeit spielt eine zentrale und vielschichtige Rolle für das Bewusstsein. Sie ist ein entscheidender Mechanismus, der nach unseren Sinnesorganen den zweiten limitierenden Faktor bei der Auswahl, Enkodierung und Weiterverarbeitung oder Unterdrückung sensorischer Reize darstellt [21, S. 32]. Unser Gehirn wählt nahezu automatisch Reize aus einer unzähligen Menge aus, um sich auf wichtige Informationen zu konzentrieren, während andere im Hintergrund verbleiben [21, S. 14]. Es werden verschiedene Aspekte der Aufmerksamkeit unterschieden:
Aufmerksamkeitsintensität: Dazu gehören die ungerichtete Reaktionsbereitschaft (Alertness) und die willentlich kontrollierte Reaktionsbereitschaft bei niedriger Reizfrequenz (Vigilanz) oder hoher Reizfrequenz (Daueraufmerksamkeit) [vgl. 21, S. 34]. Die tonische (intrinsische) Wachheit stellt dabei die Grundvoraussetzung für eine fokussierte, selektive Wahrnehmung dar, während die phasische (extrinsische) Wachheit einen zeitlich begrenzten Anstieg der Aktiviertheit infolge eines äußeren Reizes beschreibt [vgl. 21, S. 35].
Aufmerksamkeitsselektivität und -ausrichtung: Die selektive Aufmerksamkeit ermöglicht es uns, aus einer Vielzahl von Reizen bestimmte Informationen priorisiert zu verarbeiten und Irrelevantes auszublenden [21, S. 38]. Die fokussierte Aufmerksamkeit, im Alltag auch Konzentration genannt, kann bildlich mit einem Bühnenlicht verglichen werden, das nur einen bestimmten Bereich beleuchtet [21, S. 39].
Systeme der Aufmerksamkeit: Posner unterscheidet ein Alerting-, Orientierungs- und Exekutivsystem, die anatomisch in weitverzweigte und voneinander unabhängige Netzwerke unterteilt sind, sich aber gegenseitig beeinflussen [vgl. 21, S. 33]. Das Salienznetzwerk (SN) moduliert beispielsweise die Aktivität von Exekutivfunktionsnetzwerken, um Ressourcen für die nach außen gerichtete Aufmerksamkeit bereitzustellen [21, S. 54].
Das Bewusstsein ist eng mit der Aufmerksamkeit verknüpft; wir sind uns im Allgemeinen des Objekts oder Ereignisses bewusst, dem wir unsere Aufmerksamkeit schenken [10, S. 134]. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Aufmerksamkeit auch ohne bewusste Wahrnehmung existieren kann [vgl. 10, S. 150], und umgekehrt wird diskutiert, ob Bewusstsein ohne Aufmerksamkeit existieren kann [10, S. 151]. Das Nervensystem ist darauf ausgelegt, Vorhersehbares auszublenden und seine begrenzten analytischen Ressourcen auf Veränderungen und noch nicht verstandene Bereiche zu konzentrieren. Bewusstsein kann als das Organ angesehen werden, das auf die Analyse und Klassifizierung unvorhersehbarer Ereignisse spezialisiert ist [14, S. 268]. Beide Denksysteme, System 1 und System 2, sind an der Aufmerksamkeitssteuerung beteiligt: System 1 lenkt die Aufmerksamkeit unwillkürlich auf neue oder laute Reize und mobilisiert dann die willentliche Aufmerksamkeit von System 2 [10, S. 177]. System 2-Aktivitäten erfordern Aufmerksamkeit, und ihre Leistungsfähigkeit wird durch Ablenkung beeinträchtigt [10, S. 177]. Mentale Anstrengung, die durch Pupillenerweiterung messbar ist, korreliert direkt mit dem Aufwand für Aufmerksamkeitsaufgaben [10, S. 184-185].
34. Ist das Arbeitsgedächtnis notwendig für bewusste Prozesse?
Ja, das Arbeitsgedächtnis ist für bewusste Prozesse von entscheidender Bedeutung und kann als nahezu gleichbedeutend mit unserem Bewusstsein betrachtet werden [16, S. 311]. Es ist eine Kernexekutivfunktion, die es uns ermöglicht, aktuell wahrgenommene Inhalte kurzzeitig zu behalten, auf das Langzeitgedächtnis zuzugreifen, diese Informationen auszuwerten und zu speichern [vgl. 21, S. 41]. Das Arbeitsgedächtnis (oft als Kurzzeitgedächtnis bezeichnet) dient als Schnittstelle zwischen sensorischem Register und Langzeitgedächtnis und initiiert verschiedene Gedächtnisleistungen wie Abruf- und Suchstrategien, wodurch es den Informationsfluss im gesamten System steuert [vgl. 21, S. 70]. Aufmerksamkeit ist notwendig, um Informationen in modalitätsspezifische Kurzzeitspeicher zu enkodieren [vgl. 21, S. 45, zit. n. Baddeley, 29]. Theorien wie Baddeleys Modell beschreiben das Arbeitsgedächtnis als ein kapazitätsbegrenztes System mit einer „zentralen Exekutive“, die die Aufmerksamkeit steuert und die untergeordneten Subsysteme (phonologisch, visuell-räumlich, episodisch) überwacht und koordiniert [vgl. 21, S. 44-45, zit. n. Baddeley und Hitch, 29]. Neuere Interpretationen betrachten die Arbeitsgedächtnisfunktion als Ergebnis der koordinierten Interaktion zwischen Speicher- und Verarbeitungsmodulen sowie präfrontalen exekutiven Kontrollmechanismen, die über selektive Aufmerksamkeitssignale sensorische Repräsentationen aufrechterhalten [vgl. 21, S. 48, zit. n. Postle, 269]. Einige argumentieren sogar, dass Baddeleys Modell als „Arbeitsaufmerksamkeitsmodell“ verstanden werden könnte [vgl. 21, S. 48, zit. n. Rapport und Kollegen, 271]. Eine geringere Arbeitsgedächtnisleistung, sowohl im visuell-räumlichen als auch im verbalen Bereich, wird häufig bei Personen mit ADHS beobachtet, wobei die Symptomstärke der Aufmerksamkeitsdefizite dabei ausschlaggebender ist als die Hyperaktivität [21, S. 49]. Leistungsdefizite im Arbeitsgedächtnis zeigen sich besonders bei hohen Anforderungen an zentralexekutive Leistungen [21, S. 49]. Physiologisch sind fronto-mittlere Theta-Oszillationen und asynchrone Beta-Oszillationen mit Arbeitsgedächtnisfunktionen verbunden, da sie die Aufrechterhaltung von Informationen, die Top-down-Aufmerksamkeit und die Eliminierung von Ablenkreizen unterstützen [vgl. 21, S. 75, 81]. System 2, das bewusste und anstrengende Denksystem, ist stark auf das Arbeitsgedächtnis angewiesen, insbesondere bei komplexen Aufgaben wie mentaler Multiplikation oder dem Wechsel zwischen anspruchsvollen Aufgaben [10, S. 188].
35. Erfolgt Problemlösung primär bewusst oder unbewusst?
Problemlösung erfolgt sowohl bewusst als auch unbewusst, wobei unbewusste Prozesse oft die Grundlage für bewusste Einsichten und Entscheidungen bilden. Die „mentale Arbeit, die Eindrücke, Intuitionen und viele Entscheidungen hervorbringt, vollzieht sich im Stillen in unserem Geist“, also größtenteils unbewusst [10, S. 171]. System 1, das automatische Denksystem, generiert spontan Eindrücke und Gefühle, die die Hauptquellen für die expliziten Überzeugungen und bewussten Entscheidungen von System 2 sind [10, S. 176]. Die assoziative Aktivierung, ein Prozess des Systems 1, lässt Vorstellungen in einer sich ausbreitenden Kaskade im Gehirn aufleuchten, wobei nur ein Bruchteil dieser aktivierten Vorstellungen bewusst registriert wird; der Großteil vollzieht sich lautlos unterhalb der Bewusstseinsschwelle [10, S. 193-194]. System 1 ist zudem darauf spezialisiert, aus aktivierten Vorstellungen die „bestmögliche Geschichte“ zu konstruieren, auch wenn Informationen begrenzt sind, was als „WYSIATI“ (What you see is all there is) bezeichnet wird und zu voreiligen Schlussfolgerungen führt [10, S. 204]. Das bewusste System 2 wird mobilisiert, wenn System 1 keine direkte Antwort auf eine Frage hat oder wenn etwas Überraschendes geschieht [10, S. 178]. System 2 ist für die Konstruktion von Gedanken in einer geordneten Abfolge von Schritten zuständig und kann Gedächtnissuchen gezielt programmieren, um gewohnte Reaktionen zu überwinden [10, S. 176, 187]. Obwohl System 2 die Fähigkeit hat, System 1-Vorschläge zu überprüfen und zu korrigieren, ist es oft „faul“ und unterstützt intuitive Antworten, ohne gründliche Prüfung, da dies weniger Anstrengung erfordert [10, S. 199, 209, 215]. Im Kontext der Expertise erfolgt Problemlösung oft als Zusammenspiel beider Systeme: Ein vorläufiger Plan wird automatisch vom assoziativen Gedächtnis (System 1) ins Bewusstsein gehoben, gefolgt von einem willentlichen, zielgerichteten Prozess des mentalen Simulierens (System 2), um die Effektivität des Plans zu überprüfen. Intuition wird hier als Mustererkennung verstanden, bei der ein Hinweisreiz dem Experten Zugang zu im Gedächtnis gespeicherten Informationen verschafft, die die Antwort liefern [vgl. 10, S. 219, zit. n. Klein, 82; Herbert Simon, 82]. Das Nervensystem ist darauf ausgelegt, Regelmäßigkeiten auszublenden und seine begrenzten analytischen Ressourcen auf Bereiche zu konzentrieren, in denen Veränderungen stattfinden und noch kein Modell existiert. Bewusstsein spezialisiert sich auf die Analyse und Klassifizierung unvorhersehbarer Ereignisse [14, S. 268]. Die kreative Erkundung, bei der wir unser Verhalten und unsere Interpretationsschemata an neue Erfahrungen anpassen, erfordert Anstrengung und ist der Prozess, durch den das Unbekannte nützlich wird [14, S. 240, 291]. „Zielgerichtetes“ Verhalten kann auch bei Lebewesen auftreten, die noch nicht abstrakt konzeptualisieren können, da Ziele zunächst in instinktive sensomotorische Reflexhandlungen eingebettet sind, bevor sie explizit bewusst werden [vgl. 14, S. 270, zit. n. Jean Piaget, 189].
36. Sind bewusste Entscheidungen tatsächlich bewusst gesteuert?
Die Quellen legen nahe, dass bewusste Entscheidungen oft nicht vollständig bewusst gesteuert, sondern stark von unbewussten Prozessen beeinflusst werden, auch wenn wir uns selbst als bewusste Entscheider wahrnehmen. Wir identifizieren uns mit System 2, unserem bewussten, logisch denkenden Selbst, das Überzeugungen hat, Entscheidungen trifft und sein Denken und Handeln bewusst kontrolliert [10, S. 176]. Doch in Wahrheit ist das unwillkürliche System 1 der „Held dieses Buches“, da es spontan Eindrücke und Gefühle erzeugt, die die Hauptquellen für die expliziten Überzeugungen und bewussten Entscheidungen von System 2 sind [10, S. 176]. System 2 hat zwar das „letzte Wort“, wenn System 1 in Schwierigkeiten gerät oder etwas Überraschendes passiert, und es ist für die kontinuierliche Überwachung des Verhaltens zuständig [10, S. 178]. Allerdings ist System 1 automatisch und kann nicht willentlich abgeschaltet werden, was dazu führt, dass intuitive Denkfehler oft nur schwer zu verhindern sind [10, S. 181]. Zudem neigt das „faule“ System 2 dazu, den Vorschlägen von System 1 zu folgen, ohne diese genauer zu prüfen, insbesondere wenn es sich um scheinbar einfache Antworten auf schwierige Fragen handelt [vgl. 10, S. 199, 209, 215]. Dies kann dazu führen, dass wir Urteile fällen, deren Herkunft wir nicht kennen, und die sich subjektiv nicht von gültigen Urteilen unterscheiden, selbst wenn sie auf fehlerhaften Intuitionen beruhen [10, S. 220]. Priming-Effekte zeigen, dass unser Denken und Verhalten in viel stärkerem Maße von unserem augenblicklichen Umfeld beeinflusst wird, als wir erkennen oder wollen, sogar durch Stimuli, die gänzlich unbemerkt bleiben. Dies wird oft als Bedrohung für unser subjektives Bewusstsein von Handlungskompetenz und autonomer Selbstbestimmung empfunden [10, S. 211]. Die Inkonstistenz vieler assoziativer Verknüpfungen und der Einfluss unbeachteter Stimuli auf unser Denken und Handeln werden der extremen Kontextabhängigkeit von System 1 zugeschrieben [10, S. 217]. Starke Gefühle, sei es Angst oder Euphorie, können die Vernunft blockieren. Die Natur will dies so, um in Gefahrensituationen blitzschnell Entscheidungen und Handlungen zu ermöglichen oder die Festlegung auf einen Sexualpartner zu sichern [16, S. 313]. Zwar können neue Gedanken und Erkenntnisse das Angstzentrum (Amygdala) bremsen, doch dies muss geschehen, bevor ein „heftiger Gefühlssturm“ einsetzt [16, S. 313]. Die Fähigkeit, Gefühle noch vor der verstandesmäßigen Einstellung wahrzunehmen, ist ein wichtiger Schritt zur Selbstreflexion und zur Identifikation authentischer Wünsche [vgl. 4, S. 331, zit. n. Murphy & Zajonc, 236; van den Berg et al., 237]. Die Schlussfolgerung ist, dass unsere bewussten Entscheidungen zwar von unserem bewussten Selbst (System 2) getroffen werden, aber ihr Input und ihre Richtung oft tief in den unbewussten, automatischen Prozessen von System 1 verwurzelt sind, die wir nicht vollständig kontrollieren oder deren Ursprung wir nicht immer identifizieren können.
37. Was besagt die Global Workspace Theory von Baars?
Die vorliegenden Quellen enthalten keine spezifischen Informationen über die „Global Workspace Theory“ von Baars [nicht in Quellen enthalten].
38. Entsteht Bewusstsein durch Integration in einem globalen Arbeitsbereich?
Obwohl die Quellen die „Global Workspace Theory“ von Baars nicht explizit erwähnen, legen sie nahe, dass Bewusstsein durch komplexe Integrationsprozesse verschiedener Gehirnregionen und kognitiver Systeme entsteht. Das Gehirn versucht, eine kohärente Abbildung der äußeren und inneren Welt zu konstruieren, indem es Wahrnehmungen aus verschiedenen sensorischen Modalitäten und Informationen aus dem Default Mode Network (DMN) in Assoziationsgebieten zusammenführt und im ventromedialen präfrontalen Kortex zu einem einheitlichen Eindruck integriert [vgl. 21, S. 106]. Die Neurowissenschaften untersuchen die Fähigkeit des Gehirns, Informationen von sensorischen Systemen zu integrieren und Entscheidungen über sensorischen Input zu fällen, als einen Weg, Einblicke in das Bewusstsein zu gewinnen [10, S. 141-142]. Die Frage, wie die gleichzeitige Aktivität weit voneinander entfernt liegender kortikaler Neuronen miteinander verknüpft wird und wo dies stattfindet, bleibt jedoch eine zentrale, noch nicht vollständig beantwortete Frage der neurowissenschaftlichen Forschung [10, S. 116]. Das „Verschmelzen“ paralleler Ströme sensorischer Daten zu Empfindungen, Wahrnehmungen, Bildern und Ideen wird als der „Heilige Gral“ der Neurowissenschaft bezeichnet [10, S. 121]. Netzwerke im Gehirn, wie das Salienznetzwerk, fungieren als supramodale Vermittlernetwerke, die Empfindungen und intern erzeugte Gedanken integrieren [21, S. 64]. Ihre ausgewogene Wechselwirkung ist von großer Bedeutung für die Aufrechterhaltung kognitiver Fertigkeiten [21, S. 54]. Obwohl System 1 automatische Prozesse wie die assoziative Kohärenz zur Konstruktion von Welterklärungen nutzt [10, S. 176, 193], und das Selbstbewusstsein als „Patchwork-Produkt“ vieler Hirnareale beschrieben wird, die flexibel Funktionen übernehmen können [22, S. 309], wird kein einzelner, globaler „Arbeitsbereich“ als empirisch nachweisbarer Ort der Bewusstseinsintegration genannt. Vielmehr scheint es sich um eine verteilte und dynamische Koordination über verschiedene, miteinander interagierende Systeme zu handeln [10, S. 149].
39. Werden Informationen aus spezialisierten Prozessoren integriert?
Ja, die Quellen bestätigen, dass Informationen aus spezialisierten Prozessoren integriert werden, um komplexere kognitive Funktionen und das Bewusstsein zu ermöglichen. Das Gehirn ist so organisiert, dass verschiedene Attribute gleichzeitig über unterschiedliche Bahnen verarbeitet werden („Parallelverarbeitung“) [10, S. 113]. Das letztendliche Verschmelzen dieser parallelen Ströme sensorischer Daten zu Empfindungen und Wahrnehmungen ist ein zentrales Forschungsobjekt der Neurowissenschaft [10, S. 121]. Beispiele für spezialisierte Prozessoren und deren Integration sind:
Sensorische Systeme: Zentrale Netzwerke, wie die sensorischen Netzwerke, verarbeiten modalitätsspezifisch äußere Reize (z.B. auditiv, visuell) und werden dabei von Vermittlernetwerken unterstützt [21, S. 54]. Das parahippocampale Ortsareal (PPA) spielt eine spezifische Rolle bei der Szenenerkennung und -kategorisierung und wird auch bei Wörtern aktiviert, die sich auf Ortskategorien beziehen [2, S. 1]. Ein „sensorisches Gating“ stellt sicher, dass nur relevante Informationen in die verschiedenen sensorischen Systeme des Kortex gelangen [21, S. 58].
Aufmerksamkeitsnetzwerke: Aufmerksamkeit ist keine einzelne Fähigkeit, sondern beinhaltet zahlreiche Unterfunktionen, die mit unterschiedlichen neuronalen Netzwerken und Regelkreisen in Verbindung stehen und auf komplexe Weise miteinander agieren [21, S. 32]. Posner unterscheidet beispielsweise drei Aufmerksamkeitssysteme (Alerting, Orientierung, Exekutiv), die anatomisch getrennt sind, sich aber gegenseitig beeinflussen [21, S. 33].
Arbeitsgedächtnissubsysteme: Im Gedächtnismodell nach Baddeley gibt es ein phonologisches Subsystem für sprachliche Informationen, eine visuell-räumliche Komponente und ein episodisches Subsystem, die alle von einer „zentralen Exekutive“ überwacht und koordiniert werden [vgl. 21, S. 44-45, zit. n. Baddeley und Hitch, 29].
Exekutivfunktionen: Kernexekutivfunktionen wie Arbeitsgedächtnis, Hemmung und kognitive Flexibilität sind eigenständige, aber interagierende Fähigkeiten, die zu übergeordneten Funktionen wie Argumentation, Planung und Problemlösung führen [vgl. 21, S. 41-42].
Hirnhälften: Die rechte Gehirnhälfte ist auf die diffuse, ganzheitliche Verarbeitung von Neuartigem spezialisiert und bildet erste bedeutungsvolle Kontexte, während die linke Gehirnhälfte diese Bilder explizit und verbalisiert zu Geschichten organisiert, die Logik, zeitliche Ordnung und Konsistenz beisteuern [vgl. 14, S. 243, 257].
Gedächtnissysteme: Es existieren multiple Gedächtnissysteme (z.B. prozedurales vs. deklaratives Wissen, letzteres unterteilt in episodisch und semantisch), die sich physiologisch und entwicklungsgeschichtlich unterscheiden und qualitativ unterschiedliche Repräsentationsmodi aufweisen [vgl. 14, S. 259, zit. n. Squire und Zola-Morgan, 184].
Die Integration dieser spezialisierten Verarbeitungen ist notwendig, um eine kohärente Wahrnehmung und ein umfassendes Verständnis der Welt zu ermöglichen [10, S. 141-142; 22, S. 311].
40. Macht globale Verteilung Informationen bewusst zugänglich?
Die Quellen legen nahe, dass Informationen im Gehirn zwar global verteilt und koordiniert werden, dies allein jedoch nicht ausreicht, um sie bewusst zugänglich zu machen; vielmehr ist der bewusste Zugang selektiv und ressourcenabhängig. Die Suche nach neuronalen Korrelaten des Bewusstseins (NCC) beinhaltet die Frage, ob diese in koordinierter oder korrelierter Aktivität über mehrere Gehirnareale verteilt sind, anstatt in einem einzelnen Areal [10, S. 149]. Das Default-Mode-Netzwerk (DMN) zeigt beispielsweise funktionelle Koordination zwischen weit voneinander entfernten Hirnregionen, was auf eine verteilte Aktivität im Ruhezustand hindeutet [10, S. 135]. Allerdings ist der Großteil der mentalen Arbeit, die Eindrücke, Intuitionen und Entscheidungen hervorbringt, „im Stillen“ vollzogen, und die meisten Eindrücke und Gedanken tauchen im Bewusstsein auf, ohne dass wir wüssten, wie sie dorthin gelangten [10, S. 171]. Im assoziativen Gedächtnis breitet sich die Aktivierung zwar durch ein riesiges Netzwerk assoziierter Vorstellungen aus, doch nur „einige wenige der aktivierten Vorstellungen [werden] bewusst registriert“; der größte Teil des assoziativen Denkens vollzieht sich lautlos unterhalb der Bewusstseinsschwelle [10, S. 194]. Dies deutet darauf hin, dass eine globale Verteilung der Aktivierung nicht automatisch zu bewusstem Zugang führt. Viele unserer Fähigkeiten und automatisierten Klassifizierungsstrategien sind dem expliziten Bewusstsein nicht zugänglich, was bedeutet, dass wir mehr „verstehen“, als wir „wissen“ [14, S. 256]. Prozedurales Wissen beispielsweise ist „unbewusst“ repräsentiert und lässt sich nur performativ abrufen, im Gegensatz zu deklarativem Wissen, das bewusst abrufbar ist [14, S. 259]. Das Nervensystem ist evolutionär darauf ausgelegt, Vorhersehbares auszublenden und seine begrenzten analytischen Ressourcen auf Bereiche zu konzentrieren, in denen Veränderungen stattfinden oder etwas noch nicht verstanden wird. Bewusstsein ist demnach ein spezialisiertes Organ zur Analyse und Klassifizierung unvorhersehbarer Ereignisse [14, S. 268]. Dies deutet darauf hin, dass bewusster Zugang eine selektive Filterung und Fokussierung erfordert, anstatt eine bloße globale Verteilung von Informationen.
41. Können verschiedene kognitive Systeme auf bewusste Inhalte zugreifen?
Ja, die Quellen weisen darauf hin, dass verschiedene kognitive Systeme auf bewusste Inhalte zugreifen und diese beeinflussen können, und dass sie komplex miteinander interagieren. Die Neuropsychologie untersucht Prozesse wie Aufmerksamkeit, Motivation und die Kontrolle über eigene Gedanken und Reaktionen, die alle unterschiedliche, aber miteinander verbundene kognitive Funktionen darstellen [8, S. 13]. Beispiele aus den Quellen, die den Zugriff und die Interaktion verschiedener kognitiver Systeme mit bewussten Inhalten belegen:
Aufmerksamkeitssysteme: Posner unterscheidet drei Komponenten der Aufmerksamkeit (Alerting, Orientierung, Exekutivsystem), die anatomisch in weitverzweigte und unabhängige Netzwerke unterteilt sind, sich aber gegenseitig beeinflussen [21, S. 33]. Dies impliziert, dass verschiedene spezialisierte Aufmerksamkeitssysteme auf bewusste oder potenziell bewusste Inhalte zugreifen, um diese zu steuern.
Arbeitsgedächtnis: Das Arbeitsgedächtnis, das eng mit dem Bewusstsein verbunden ist [22, S. 311], beinhaltet Subsysteme wie ein phonologisches und ein visuell-räumliches Modul, die von einer „zentralen Exekutive“ überwacht und koordiniert werden [vgl. 21, S. 44-45, zit. n. Baddeley und Hitch, 29]. Diese zentrale Exekutive greift auch auf bereits gespeicherte Inhalte aus dem Langzeitgedächtnis zu und koordiniert deren Abruf und Verarbeitung [21, S. 45]. Das Arbeitsgedächtnis wird sogar als aktivierte Anteile des Langzeitgedächtnisses im Fokus der Aufmerksamkeit betrachtet [vgl. 21, S. 46, zit. n. Cowan, 38].
Exekutivfunktionen: Diese Funktionen, zu denen Arbeitsgedächtnis, Hemmung und kognitive Flexibilität gehören, sind eng miteinander verbunden und ermöglichen übergeordnete kognitive Prozesse wie Argumentation, Planung und Problemlösung [21, S. 41-42]. Sie alle beeinflussen, wie Informationen verarbeitet und in das Bewusstsein gelangen.
Neuronale Netzwerke: Das Gehirn hat verschiedene Netzwerktypen (basal, zentral, Vermittler, Bereitschaft), deren ausgewogene Wechselwirkung für kognitive Fertigkeiten wichtig ist [21, S. 54]. Das Salienznetzwerk integriert sensorische, emotionale und kognitive Informationen und steuert das zielgerichtete Verhalten [vgl. 21, S. 65], während das Exekutivkontrollnetzwerk grob erkannte Muster analysiert und im Arbeitsgedächtnis hält [21, S. 59]. Diese Netzwerke interagieren, um die Inhalte der bewussten Verarbeitung zu modulieren.
System 1 und System 2: Das automatische System 1 generiert Eindrücke und Gefühle, die die „Hauptquellen“ für die expliziten Überzeugungen und bewussten Entscheidungen von System 2 sind [10, S. 176]. System 2, das als unser bewusstes Selbst betrachtet wird, kann die „ungezügelten Impulse und Assoziationen“ von System 1 verwerfen [10, S. 176]. Dies stellt einen ständigen Zugriff und eine Interaktion zwischen automatischen und bewussten Prozessen dar.
Hirnhemisphären: Die rechte und linke Gehirnhälfte sind unterschiedlich spezialisiert (ganzheitliche, bildhafte Verarbeitung vs. logische, verbale Detailverarbeitung) und arbeiten zusammen, um eine kohärente Geschichte zu konstruieren, die unser explizites Wissen erweitert [vgl. 14, S. 243, 257].
Gedächtnisformen: Prozedurales (implizites) und deklaratives (explizites) Wissen existieren nebeneinander und beeinflussen sich gegenseitig, wobei deklaratives Wissen bewusst abrufbar und kommunizierbar ist [vgl. 14, S. 259].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bewusste Inhalte nicht isoliert existieren, sondern das Ergebnis einer fortlaufenden Interaktion und Integration von Informationen aus verschiedenen spezialisierten und hierarchisch organisierten kognitiven Systemen sind.
42. Ist der globale Arbeitsbereich empirisch nachweisbar?
Die vorliegenden Quellen verwenden den spezifischen Begriff „Global Workspace“ von Baars nicht direkt. Sie diskutieren jedoch die empirische Erforschung der neuronalen Grundlagen des Bewusstseins und die Frage der Integration von Informationen in verteilten Hirnarealen. Die Definition neuronaler Korrelate des Bewusstseins (NCC) konzentriert sich auf das Minimum an neuronalen Ereignissen, die für eine spezifische bewusste Wahrnehmung ausreichen [10, S. 144]. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob das NCC in Wirklichkeit eine koordinierte oder korrelierte Aktivität ist, die sich über mehrere Gehirnareale erstreckt, anstatt die Aktivität eines individuellen Areals [10, S. 149]. Dies deutet auf die empirische Suche nach verteilten Netzwerken hin, die dem Bewusstsein zugrunde liegen. Das Konzept des Default-Mode-Netzwerks (DMN) ist ein Beispiel für ein in Ruhe aktives Hirnareal-Netzwerk, das „Tagträume verarbeitet“ und eine „funktionelle Koordination zwischen den beteiligten Hirnregionen“ zeigt [10, S. 135]. Diese Beobachtung deutet auf eine Art „globaler“ Koordination hin, auch wenn der Begriff „Global Workspace“ nicht verwendet wird. Die Unterscheidung zwischen System 1 und System 2 wird als „fiktive Figuren“ bezeichnet, die nicht an einem bestimmten Hirnbereich fest angesiedelt sind. Stattdessen sind ihre Operationen im Gehirn verteilt [10, S. 182]. Ebenso wird das Selbstbewusstsein als „Patchwork-Produkt aus vielen Arealen“ beschrieben, bei dem bei Zerstörung bestimmter „Selbstbewusstseins-Areale“ andere Hirnregionen deren Funktionen übernehmen können [16, S. 309]. Dies unterstreicht die verteilte Natur vieler kognitiver Funktionen, die zum Bewusstsein beitragen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Quellen keine direkte empirische Nachweisbarkeit eines einzelnen, lokalisierten „globalen Arbeitsbereichs“ im Sinne der Global Workspace Theory thematisieren. Sie weisen jedoch auf die Existenz von verteilten neuronalen Netzwerken hin, die funktional koordiniert sind und deren Aktivität für bewusste Prozesse essenziell ist. Die Forschung konzentriert sich auf die Entschlüsselung dieser komplexen, über das Gehirn verteilten Integrationsprozesse.
43. Gibt es alternative Theorien zur Global Workspace Theory?
Ja, die vorliegenden Quellen stellen, auch ohne die „Global Workspace Theory“ explizit zu nennen, alternative und ergänzende Theorien zur Beschreibung kognitiver Funktionen und des Bewusstseins vor, die ein tiefes Verständnis der menschlichen Psyche ermöglichen. Die prominenteste davon ist die Zwei-Systeme-Theorie (oft als System 1 und System 2 bezeichnet), die eine zentrale Rolle im vorliegenden Material spielt:
System 1 beschreibt das automatische, schnelle, intuitive Denken, das Eindrücke und Gefühle spontan erzeugt. Es arbeitet mühelos und konstruiert schnell kohärente Geschichten aus verfügbaren Informationen, ist aber anfällig für systematische Fehler (kognitive Verzerrungen) und kann nicht willentlich abgeschaltet werden [vgl. 10, S. 174, 176, 179, 204].
System 2 steht für das anstrengende, langsame, bewusste und logische Denken. Es wird mobilisiert, wenn System 1 keine Antwort bereitstellt oder Schwierigkeiten auftreten. System 2 ist für geordnete Denkprozesse, die Überprüfung von Intuitionen und das Setzen von „Task Sets“ (kognitive Zustände der optimalen Aufgabenvorbereitung) zuständig [vgl. 10, S. 176, 178, 187].
Diese Theorie, ursprünglich von Keith Stanovich und Richard West eingeführt [vgl. 10, S. 230, zit. n. Stanovich und West, 68], erklärt die Arbeitsteilung als höchst effizient, weist aber auch auf die Tendenz von System 2 hin, den Vorschlägen von System 1 oft „faul“ zu folgen, ohne gründliche Prüfung [vgl. 10, S. 179, 199]. Weitere alternative oder ergänzende theoretische Ansätze, die in den Quellen erwähnt werden, umfassen:
Modelle des Arbeitsgedächtnisses: Das Modell von Baddeley, das phonologische, visuell-räumliche und episodische Subsysteme unter einer zentralen Exekutive unterscheidet, und Cowans Modell, das Kurzzeitgedächtniskomponenten als aktivierte Anteile des Langzeitgedächtnisses im Fokus der Aufmerksamkeit betrachtet [vgl. 21, S. 44-46, zit. n. Baddeley, 29; Cowan, 38].
Erklärungsansätze für ADHS: Dazu gehören die „Executive Dysfunction Theory“, das „Cognitive-Energetic Model“ und die „Delay Aversion Theory“, die unterschiedliche Ursachen für die Symptomatik postulieren [vgl. 21, S. 31].
Heuristiken und kognitive Verzerrungen: Neben den von Kahneman und Tversky erforschten Heuristiken wird auch die Theorie der „einfachen Heuristiken, die uns klug machen“ von Gerd Gigerenzer und Kollegen als alternative Herangehensweise zur Erklärung von Urteilsfindung erwähnt, die auf „schnellen und sparsamen“ Verfahren basiert [vgl. 10, S. 235, zit. n. Gigerenzer et al., 49].
Zwei-Modus-Modell des Gehirns: Jordan Peterson beschreibt zwei grundverschiedene Funktionsmodi des Gehirns, einen für den Bereich des Bekannten und einen für den des Unbekannten, die sich in Angst/Vorsicht und Hoffnung/Neugier ausdrücken und die kreative Erkundung ermöglichen [vgl. 14, S. 241, 247].
Neurowissenschaftliche Netzwerkmodelle: Die Diskussion von spezialisierten neuronalen Netzwerken wie dem Salienznetzwerk, Exekutivkontrollnetzwerk und Default-Mode-Netzwerk, die miteinander interagieren, bietet einen strukturellen Ansatz zur Erklärung kognitiver Funktionen [vgl. 21, S. 54].
Diese Theorien bieten unterschiedliche Perspektiven auf die Architektur und Funktionsweise des Geistes, von der Aufteilung in Denksysteme bis hin zu spezialisierten neuronalen Netzen, die zur bewussten Verarbeitung beitragen.
44. Welche Rolle spielen spezialisierte Prozessoren?
Spezialisierte Prozessoren spielen eine fundamentale Rolle in der kognitiven Architektur des Gehirns, indem sie spezifische Funktionen der Informationsverarbeitung übernehmen, deren Ergebnisse dann integriert werden, um ein kohärentes Bewusstsein und komplexe kognitive Fähigkeiten zu ermöglichen. Die Quellen belegen dies durch verschiedene Beispiele:
Sensorische Verarbeitung: Das Gehirn verfügt über zentrale Netzwerke, die „modalitätsspezifisch äußere Reize“ (z.B. auditiv, visuell) verarbeiten [21, S. 54]. So hat beispielsweise der PPA (Parahippocampal Place Area) eine spezifische Rolle bei der Szenenerkennung und -kategorisierung und wird auch bei der Wahrnehmung von Wörtern aktiviert, die sich auf Orte beziehen [2, S. 1]. Die visuelle Verarbeitung erfolgt über „parallele Verarbeitungswege“, bei denen verschiedene visuelle Attribute gleichzeitig bearbeitet werden [2, S. 113]. Ein „sensorisches Gating“ gewährleistet, dass nur relevante Informationen in diese spezialisierten sensorischen Systeme gelangen [21, S. 58].
Aufmerksamkeits-Subfunktionen: Aufmerksamkeit ist keine einzelne, abgegrenzte Fähigkeit, sondern beinhaltet „zahlreiche Unterfunktionen“, die mit unterschiedlichen neuronalen Netzwerken verbunden sind und auf komplexe Weise miteinander agieren [21, S. 32]. Posner unterscheidet zum Beispiel ein Alerting-, Orientierungs- und Exekutivsystem, die zwar anatomisch getrennt sind, sich aber gegenseitig beeinflussen [21, S. 33].
Arbeitsgedächtnis-Komponenten: Modelle des Arbeitsgedächtnisses, wie das von Baddeley, beschreiben es als ein kapazitätsbegrenztes System mit spezialisierten Subsystemen (z.B. phonologisch für sprachliche, visuell-räumlich für visuelle Informationen und ein episodisches Subsystem), die von einer „zentralen Exekutive“ koordiniert werden [vgl. 21, S. 44-45, zit. n. Baddeley und Hitch, 29].
Exekutivfunktionen: Kernexekutivfunktionen wie Arbeitsgedächtnis, Hemmung (Inhibition) und kognitive Flexibilität sind spezialisierte Fähigkeiten, die interagieren, um übergeordnete Funktionen wie Argumentation, Planung und Problemlösung zu ermöglichen [vgl. 21, S. 41-42].
Neuronale Netzwerke: Das Gehirn verfügt über verschiedene Netzwerktypen (basal, zentral, Vermittler, Bereitschaftsnetzwerke), deren ausgewogene Wechselwirkung für die Aufrechterhaltung kognitiver Fertigkeiten wichtig ist [21, S. 54]. Das Salienznetzwerk moduliert dabei die Aktivität der Exekutivkontrollnetzwerke, um Ressourcen bereitzustellen [21, S. 54].
Hemisphären-Spezialisierung: Die rechte und linke Gehirnhälfte sind für unterschiedliche Verarbeitungsmodi spezialisiert: Die rechte Gehirnhälfte kann mit diffuseren, ganzheitlicheren und umfassenderen Kognitionsformen umgehen, besonders bei Neuartigem und Unsicherem, während die linke Gehirnhälfte Bilder explizit und verbalisiert zu Geschichten organisiert, die Logik, zeitliche Ordnung und Konsistenz beisteuern [vgl. 14, S. 243, 257].
Gedächtnissysteme: Die Existenz verschiedener Gedächtnissysteme (z.B. prozedurales vs. deklaratives Wissen, letzteres in episodisch und semantisch unterteilt) mit qualitativ unterschiedlichen Repräsentationsmodi und separaten Entwicklungsverläufen unterstreicht die Spezialisierung der Wissensspeicherung [vgl. 14, S. 259, zit. n. Squire und Zola-Morgan, 184]. Prozedurales Wissen ist dem Bewusstsein oft unzugänglich, während deklaratives Wissen bewusst abrufbar ist [14, S. 259].
Zusammenfassend ermöglichen diese spezialisierten Prozessoren eine effiziente und abgestufte Verarbeitung von Informationen, von der grundlegenden Reizaufnahme bis hin zur komplexen Problemlösung und bewussten Entscheidungsfindung, deren Ergebnisse dann in übergeordnete kognitive Prozesse integriert werden, um eine kohärente Realität zu konstruieren.
45. Ist bewusste Integration zeitlich begrenzt?
Ja, bewusste Integration ist den Quellen zufolge zeitlich begrenzt und an bestimmte Ressourcen und Kapazitäten gebunden, die eine kontinuierliche Aufrechterhaltung erschweren. Wesentliche Hinweise darauf sind:
Arbeitsgedächtniskapazität: Das Kurzzeitgedächtnis, das für die aktive, bewusste Verarbeitung essentiell ist, kann Informationen passiv nur für etwa 20-45 Sekunden speichern. Um diese Inhalte länger als wenige Minuten im Bewusstsein zu halten, ist ein aktiver „Rehearsal-Mechanismus“ (Wiederholung) erforderlich [21, S. 45]. Dies zeigt eine inhärente zeitliche Begrenzung der bewussten Aufrechterhaltung von Informationen ohne fortlaufende Anstrengung.
Ressourcenverbrauch von System 2: Die Operationen von System 2, das für die bewusste Integration und Kontrolle zuständig ist, erfordern Aufmerksamkeit und sind störanfällig, wenn die Aufmerksamkeit entzogen wird [10, S. 177]. Das Konzept der „kognitiven Beanspruchung“ zeigt, dass bewusste Verarbeitung mentalen Aufwand erfordert, der begrenzt ist [vgl. 10, S. 197]. Eine „beständige erhöhte Wachsamkeit“ ist im Alltag „unpraktisch“ und nicht nachhaltig, was darauf hindeutet, dass bewusste Integration nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden kann [10, S. 181].
Kapazitätsgrenzen des Arbeitsgedächtnisses: Die Verwendung kürzerer Begriffe wie „System 1“ anstelle von „automatisches System“ wird damit begründet, dass längere Ausdrücke mehr Platz im Arbeitsgedächtnis beanspruchen und das Denken verlangsamen. Dies unterstreicht die begrenzte Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und die zeitliche Effizienz, die für bewusste Prozesse notwendig ist [vgl. 10, S. 182, zit. n. Alan D. Baddeley, 94].
Kosten des Aufgabenwechsels: Der Wechsel zwischen verschiedenen anspruchsvollen Aufgaben ist „mühsam“, insbesondere unter Zeitdruck [vgl. 10, S. 188, zit. n. Stephen Monsell, 112]. Dies impliziert, dass die Flexibilität der bewussten Integration zeitliche Kosten mit sich bringt.
Skalierung und Komplexität: Unser Denkvermögen ist in seiner Fähigkeit zur Integration und zum Verständnis von Informationen durch die raumzeitliche Skala begrenzt. Je größer ein raumzeitlicher Bereich ist, desto schwieriger wird es, ihn genau zu erfassen, da die Anzahl der zu berücksichtigenden Variablen exponentiell zunimmt [14, S. 263]. Das Gehirn muss sich temporär auf eine gewählte Analyseebene fixieren und so tun, „als ob“ dies die einzige relevante Ebene wäre, um überhaupt zu verstehen und zu handeln [14, S. 263]. Dies deutet darauf hin, dass bewusste Integration nur durch eine aktive Begrenzung des zeitlichen und räumlichen Horizonts möglich wird.
Physiologische Korrelate: Kognitive Prozesse, die mit dem Arbeitsgedächtnis und damit mit bewusster Integration verbunden sind, zeigen zeitlich begrenzte Aktivitätsmuster. Beispielsweise steigt die Aktivität der frontalen Theta-Oszillationen bei Arbeitsgedächtnisaufgaben typischerweise etwa 400 ms nach Reizdarbietung an [21, S. 75].
Zusammenfassend ist bewusste Integration ein dynamischer, aber ressourcenintensiver Prozess, der eine kontinuierliche Aufmerksamkeit und mentale Anstrengung erfordert und dessen Kapazität sowie Dauer begrenzt sind. Das Gehirn bewältigt diese Beschränkungen durch selektive Fokussierung und die temporäre Begrenzung der Informationen, die in den bewussten Integrationsprozess einbezogen werden.
46. Laufen Routinetätigkeiten tatsächlich unbewusst ab?
Routinetätigkeiten laufen in der Tat weitgehend unbewusst ab. Aktivitäten, die dem sogenannten System 1 zugeordnet werden, sind vollkommen unwillkürlich, wie das automatische Verstehen einfacher Sätze in der Muttersprache oder die unwillkürliche Reaktion auf ein unerwartet lautes Geräusch [vgl. 10, S. 212]. Obwohl manche Tätigkeiten wie das Kauen willentlich kontrollierbar sind, werden sie gewöhnlich von einem „Autopiloten“ gesteuert [vgl. 10, S. 212]. Automatisierte Schemata verbrauchen typischerweise keine Aufmerksamkeitsressourcen und sind vorbewusst. Sie können jedoch durch gezielte Aufmerksamkeit ins Bewusstsein gerückt werden [vgl. 21, S. 33]. Beispiele für solche intuitiven Regulationsprozesse, die sich durch wiederholtes Lernen zu automatisierten Routinen entwickelt haben (prozedurales Lernen), sind alltägliche Handlungen wie Fahrradfahren oder Zähneputzen [vgl. 21, S. 33]. Im Alltag kommt es zu sogenannten Alltagstrancen, wie etwa beim Autofahren, wo man sich im Nachhinein fragt, wie man die Strecke zurückgelegt hat; aus solchen Trancen kann man sich jedoch jederzeit wieder bewusst ins Hier und Jetzt zurückversetzen [vgl. 22, S. 329]. Die Effizienz des Nervensystems wird dadurch gesteigert, dass es Vorhersehbares vollständig ausblendet und seine begrenzten analytischen Ressourcen auf Bereiche konzentriert, die neue und nützliche Informationen liefern [vgl. 14, S. 296]. Folglich ermöglicht die Zivilisation eine Erweiterung der „Weisheiten“, die ohne bewusste Anstrengung ausgeführt werden können [vgl. 14, S. 296].
47. Erfordert geübtes Lesen bewusste Aufmerksamkeit?
Geübtes Lesen erfordert in der Regel keine durchgängig bewusste Aufmerksamkeit. Wenn eine Person ein Wort in einer bekannten Sprache auf einem Bildschirm sieht, wird dieses Wort automatisch gelesen, es sei denn, die Aufmerksamkeit der Person ist durch andere Reize oder Aufgaben vollständig absorbiert [vgl. 10, S. 215]. Dies zeigt sich im klassischen Stroop-Test, wo die Aufgabe, die Farbe eines Wortes zu benennen, extrem schwierig wird, wenn das Wort selbst ein Farbname ist (z. B. „Grün“ in roter Druckfarbe). Dies weist auf einen Konflikt zwischen der gewollten Aufgabe und einer automatischen Leseantwort hin, deren Unterdrückung bewusste Anstrengung erfordert [vgl. 10, S. 13].
48. Erfolgt Autofahren bei Erfahrenen automatisch?
Autofahren bei erfahrenen Fahrern erfolgt weitgehend automatisch. Es wird als ein intuitiver Regulationsprozess beschrieben, der auf Lernprozessen basiert und durch häufige Wiederholung zu einer automatisierten Routine des prozeduralen Lernens geworden ist [vgl. 21, S. 33]. Das Phänomen der Alltagstrancen, bei denen sich Fahrer am Ende einer Strecke fragen, wie sie dorthin gelangt sind, ist ein Beleg für diese automatisierte Funktionsweise [vgl. 22, S. 329].
49. Was ist implizites Gedächtnis kognitiv?
Kognitiv bezeichnet das implizite Gedächtnis Wissen, das oft unbewusst ist und im Kontext der Aneignung sowie Nutzung von Wahrnehmungs- und motorischen Fähigkeiten steht [vgl. 11, S. 73]. Der Mensch verfügt über verschiedene Gedächtnissysteme mit unterschiedlichen Repräsentationsmodi. Viele Fertigkeiten und automatisierte Klassifizierungsstrategien sind dem expliziten Bewusstsein nicht zugänglich, was bedeutet, dass wir mehr „verstehen“, als wir explizit „wissen“ [vgl. 14, S. 290]. Das Unbewusste ist die Fähigkeit zur impliziten Speicherung von Informationen über die Beschaffenheit und den Wert von Dingen, die durch aktive Exploration generiert wurden [vgl. 14, S. 290]. Prozedurales Wissen, eine Form des nicht-deklarativen Gedächtnisses, ist unbewusst repräsentiert und lässt sich nur durch Ausführung abrufen [vgl. 14, S. 293].
50. Können Fähigkeiten ohne bewusste Erinnerung abgerufen werden?
Ja, Fähigkeiten können ohne bewusste Erinnerung abgerufen werden. Das prozedurale Gedächtnis speichert Bewegungsabläufe, die unbewusst abgerufen werden können, selbst nach sehr langer Zeit, wie das Schlagen eines Purzelbaums [vgl. 11, S. 138]. Das implizite Speichern von Informationen über das Wesen und den Wert von Dingen, das durch aktive Exploration generiert wird, ist dem expliziten Bewusstsein nicht zugänglich [vgl. 14, S. 290]. Dies ermöglicht, dass „Wissen, wie“ (Handlungswissen) existiert und angewendet wird, bevor es als „Wissen, was“ (Konzeptwissen) explizit gemacht wird [vgl. 14, S. 293].
51. Unterscheidet sich prozedurales von deklarativem Gedächtnis?
Ja, prozedurales und deklaratives Gedächtnis unterscheiden sich grundlegend. Das deklarative Gedächtnis wird auch als explizites Gedächtnis bezeichnet und ist das Ergebnis von Lernprozessen, die ein höheres Maß an Aufmerksamkeit und Bewusstsein erfordern [vgl. 2, S. 222]. Es beinhaltet das explizite Wissen über Fakten und Ereignisse [vgl. 11, S. 73]. Deklarative Erinnerungen lassen sich zwar oft leicht bilden, können aber auch leicht wieder vergessen werden [vgl. 2, S. 222]. Im Gegensatz dazu ist das prozedurale Gedächtnis eine Form des nicht-deklarativen Gedächtnisses, das aus sensomotorischen Prozessen hervorgeht [vgl. 2, S. 222]. Es erfordert wiederholte Praxis und Übung über einen längeren Zeitraum, um sich zu etablieren, wird dann aber weniger leicht vergessen [vgl. 2, S. 222]. Prozedurales Wissen ist „unbewusst“ repräsentiert und manifestiert sich ausschließlich im Handeln [vgl. 14, S. 293]. Es wird als phylogenetisch primitiver und ontogenetisch früher entwickelt angesehen als deklaratives Wissen [vgl. 2, S. 934; 11, S. 138].
52. Wie funktioniert Priming in der kognitiven Verarbeitung?
Priming, auch als „Bahnungs-Effekt“ bekannt, beschreibt einen Mechanismus in der kognitiven Verarbeitung, bei dem die Darbietung eines Wortes sofort messbare Veränderungen in der Leichtigkeit hervorruft, mit der verwandte Wörter aus dem Gedächtnis abgerufen werden können [vgl. 10, S. 232]. Beispielsweise wird nach dem Sehen oder Hören des Wortes „eat“ (essen) das Wortfragment „so_p“ eher als „soup“ (Suppe) denn als „soap“ (Seife) vervollständigt [vgl. 10, S. 232]. Diese Aktivierung breitet sich von einem kleinen Teil des riesigen Netzwerks assoziierter Vorstellungen aus, vergleichbar mit Kräuselwellen auf der Oberfläche eines Teichs [vgl. 10, S. 232]. Entscheidend ist, dass Priming-Effekte unser Denken und Verhalten sogar durch Stimuli beeinflussen können, denen wir keine bewusste Aufmerksamkeit schenken oder die gänzlich unbemerkt bleiben [vgl. 10, S. 244].
53. Welche Arten von Priming-Effekten gibt es?
Die Quellen legen nahe, dass Priming-Effekte vielfältig sein können. Sie können unser Denken und Verhalten durch Stimuli beeinflussen, denen keine Aufmerksamkeit geschenkt wird, oder sogar durch Stimuli, die gänzlich unbemerkt bleiben [vgl. 10, S. 244]. Ein Beispiel hierfür ist, dass ein neues Wort als vertrauter erkannt wird, wenn es unbewusst „geprimt“ wurde, indem es wenige Millisekunden vor einem Test dargeboten oder kontrastreicher gezeigt wurde als andere Wörter in einer Liste [vgl. 10, S. 235]. Der Mere-Exposure-Effekt, bei dem Bekanntheit eine positive Einstellung erzeugt, wird ebenfalls als ein Aspekt im Zusammenhang mit kognitiver Leichtigkeit und Priming genannt [vgl. 10, S. 238].
54. Was ist vorattentive Verarbeitung?
Obwohl der Begriff „vorattentive Verarbeitung“ nicht explizit genannt wird, beschreiben die Quellen Prozesse, die diesem Konzept entsprechen. Das sensorische Gating ist ein Mechanismus, der eintreffende sensorische Informationen in den palliothalamischen Rezeptoren unter Beteiligung des Nucleus reticularis und der Kontrolle präfrontaler kortikaler Areale filtert [vgl. 21, S. 43]. Dieser Mechanismus unterdrückt redundante Informationen, um eine Überlastung des Gehirns zu vermeiden [vgl. 21, S. 43]. Generell werden auffällige oder bewegte Reize bei der frühen Bottom-up-Verarbeitung bevorzugt [vgl. 21, S. 41]. Das Bewusstsein wird als das Organ betrachtet, das sich auf die Analyse und Klassifizierung von unvorhersehbaren Ereignissen spezialisiert hat [vgl. 14, S. 296]. Elemente im Erfahrungsfeld mit dem höchsten Neuheitsgrad oder der geringsten Erwartbarkeit ziehen Aufmerksamkeit und Konzentration auf natürliche Weise an, bevor die Verarbeitung auf den normalerweise als höher bezeichneten kognitiven Ebenen stattfindet [vgl. 14, S. 296]. Dies impliziert eine selektive Verarbeitung vor dem bewussten Aufmerksamkeitsfokus.
55. Werden sensorische Informationen vor bewusster Aufmerksamkeit verarbeitet?
Ja, sensorische Informationen werden vor bewusster Aufmerksamkeit verarbeitet. Sie gelangen zunächst ungefiltert und unkategorisiert in ein sensorisches Register, wo sie innerhalb von zwei Sekunden überlagert und vergessen werden können [vgl. 11, S. 123]. Sehr früh in diesem Prozess setzen Filterungsmechanismen ein, die sicherstellen, dass nur relevante Informationen in die verschiedenen sensorischen Systeme des Kortex gelangen und dort ins Gedächtnis eingeprägt werden [vgl. 11, S. 123]. Diese Filterung erfolgt durch sensorisches Gating, einen neuronalen Schleusenmechanismus, der unter Beteiligung des Nucleus reticularis und der präfrontalen kortikalen Areale redundante Informationen unterdrückt, um eine Überlastung des Gehirns zu vermeiden [vgl. 21, S. 43]. Bei der frühen Bottom-up-Verarbeitung werden auffällige oder bewegte Reize bevorzugt [vgl. 21, S. 41]. Der Orientierungsreflex, eine automatische und vorbewusste Reaktion, wird durch Abweichungssignale hervorgerufen, die entstehen, wenn sensorische Eingänge mit zuvor im Nervensystem hinterlassenen Spuren verglichen werden; diese Reaktion erlischt nach wiederholter Darbietung desselben Reizes [vgl. 14, S. 274]. Das Nervensystem reagiert auf unregelmäßige Veränderungen und blendet Regelmäßigkeiten aus [vgl. 14, S. 296].
56. Können Reize unterhalb der Bewusstseinsschwelle wirken?
Ja, Reize können unterhalb der Bewusstseinsschwelle wirken. Viele Eindrücke und Gedanken tauchen im Bewusstsein auf, ohne dass bekannt ist, wie sie dorthin gelangten [vgl. 10, S. 206]. Die mentale Arbeit, die zu Eindrücken, Intuitionen und vielen Entscheidungen führt, vollzieht sich im Stillen im Geist [vgl. 10, S. 206]. Der Großteil des assoziativen Denkens findet lautlos, unterhalb der Bewusstseinsschwelle, statt [vgl. 10, S. 231]. Priming-Effekte zeigen, dass Denken und Verhalten durch Stimuli beeinflusst werden können, denen keine bewusste Aufmerksamkeit geschenkt wird, und sogar durch solche, die gänzlich unbemerkt bleiben [vgl. 10, S. 244]. Beispielsweise wird ein neues Wort eher als vertraut erkannt, wenn es unbewusst „geprimt“ wurde, etwa durch eine kurzzeitige Darbietung vor einem Test oder durch stärkere Kontrastierung im Vergleich zu anderen Wörtern in einer Liste [vgl. 10, S. 235]. Studien zur binokularen Rivalität zeigen, dass Gehirnaktivität in spezifischen Arealen (z. B. im parahippocampalen Ortsareal bei Haus-Stimuli oder im fusiformen Gesichtsareal bei Gesichts-Stimuli) mit der Präsentation der Reize korrelieren kann, selbst wenn die Versuchsperson nur eines davon bewusst wahrnimmt [vgl. 11, S. 159]. Dies deutet auf eine Verarbeitung von Reizen jenseits der bewussten Wahrnehmung hin.
57. Zieht das Gehirn unbewusst Schlussfolgerungen?
Ja, das Gehirn zieht unbewusst Schlussfolgerungen. Das System 1 (das automatische System) erzeugt Eindrücke, Gefühle und Neigungen, die, wenn sie von System 2 unterstützt werden, zu Überzeugungen, Einstellungen und Absichten führen [vgl. 10, S. 244]. Der Kern von System 1, das assoziative Gedächtnis, konstruiert fortwährend eine kohärente Interpretation dessen, was in unserer Welt geschieht [vgl. 10, S. 211]. System 1 führt automatische Bewertungen durch und bestimmt dabei, ob zusätzliche Anstrengungen von System 2 erforderlich sind [vgl. 10, S. 232]. Wenn eine schwierige Frage gestellt wird, für die System 1 keine direkte Antwort bereitstellt, liefert die Intuition dennoch eine schnelle Antwort, indem sie die ursprüngliche Frage durch eine leichtere, verwandte Frage ersetzt – oft ohne dass diese Ersetzung bewusst bemerkt wird [vgl. 10, S. 210]. Im Alltag haben Menschen oft Antworten auf Fragen, die sie nicht vollständig verstehen, und stützen sich dabei auf Hinweise, die sie weder erklären noch verteidigen können [vgl. 10, S. 238]. Die automatischen Prozesse der „mentalen Schrotflinte“ und der „Intensitätsabstimmung“ stellen oft Antworten auf leichtere Fragen bereit, die sich dann den schwierigeren Zielfragen zuordnen lassen [vgl. 10, S. 244]. Eine Studie zur Selbsteinschätzung des Beitrags zur Hausarbeit bei Eheleuten zeigte eine Überschätzung der eigenen Leistung, da sich die geschätzten Beiträge auf über 100 % summierten. Dies wurde als einfacher Verfügbarkeitsfehler erklärt: Beide Partner erinnern sich an ihre eigenen Anstrengungen deutlicher als an die des anderen, was unbewusst zu einer Abweichung in der beurteilten Häufigkeit führt [vgl. 10, S. 246].
58. Können komplexe Informationen unbewusst integriert werden?
Ja, komplexe Informationen können unbewusst integriert werden. Das Gehirn strebt danach, eine kohärente Abbildung der externen und internen Gegebenheiten zu konstruieren [vgl. 11, S. 140]. Dabei werden Wahrnehmungen aus verschiedenen sensorischen Modalitäten und Informationen aus dem Default Mode Network (DMN) in Assoziationsgebieten zusammengeführt und im ventromedialen präfrontalen Kortex (VMPFC) zu einem einheitlichen Eindruck integriert [vgl. 11, S. 140]. Der Prozess der assoziativen Aktivierung, der durch Stimuli ausgelöst wird, verbreitet sich kaskadenartig im Gehirn und erzeugt ein kohärentes Muster aktivierter Vorstellungen [vgl. 10, S. 230]. Dieses Muster ist vielfältig und integriert und vollzieht sich schnell, gleichzeitig und größtenteils unterhalb der Bewusstseinsschwelle [vgl. 10, S. 230, 231]. Dies belegt die unbewusste Integration komplexer Informationen. Die Forschung zum Bewusstsein selbst betrachtet die Fähigkeit, Informationen aus sensorischen Systemen zu integrieren und Entscheidungen über sensorischen Input zu treffen, als einen Weg zu Einsichten in das Bewusstsein [vgl. 11, S. 156], was die Rolle komplexer Integrationsprozesse, auch auf unbewusster Ebene, hervorhebt.
59. Beeinflussen unbewusste Schlüsse bewusstes Denken?
Ja, unbewusste Schlüsse beeinflussen das bewusste Denken erheblich. Das System 1 erzeugt spontan Eindrücke und Gefühle, die die primären Quellen für die expliziten Überzeugungen und bewussten Entscheidungen von System 2 darstellen [vgl. 10, S. 211]. Obwohl System 2 sich selbst als den zentralen Akteur wahrnimmt, wird System 1 als der „geheime Urheber vieler Entscheidungen und Urteile“ beschrieben [vgl. 10, S. 211], was seinen maßgeblichen Einfluss unterstreicht. System 2 neigt dazu, die von System 1 generierten Vorstellungen und Gefühle zu unterstützen oder zu rationalisieren [vgl. 10, S. 258]. Dies führt dazu, dass man beispielsweise ein Projekt optimistisch einschätzen kann, weil die Projektleiterin an eine geliebte Schwester erinnert, oder eine Person unsympathisch findet, die entfernt dem Zahnarzt ähnelt, ohne sich dessen bewusst zu sein [vgl. 10, S. 258]. Bei Nachfrage werden dennoch plausible Gründe gefunden und die erfundene Geschichte geglaubt [vgl. 10, S. 258]. Die Interaktion zwischen einem nach Kohärenz strebenden System 1 und einem trägen System 2 bewirkt, dass System 2 viele intuitive Überzeugungen unterstützt, die die von System 1 erzeugten Eindrücke widerspiegeln [vgl. 10, S. 244]. Bei der Entscheidungsfindung kann System 1 einen vorläufigen Plan ins Bewusstsein heben, der dann von System 2 willentlich und zielgerichtet mental simuliert und überprüft wird [vgl. 10, S. 250].
60. Bleibt der Schlussfolgerungsprozess selbst unbewusst?
Der Schlussfolgerungsprozess bleibt oft unbewusst. Die meisten Eindrücke und Gedanken treten im Bewusstsein auf, ohne dass ihr Entstehungsweg bekannt ist [vgl. 10, S. 206]. Die mentale Arbeit, die Eindrücke, Intuitionen und viele Entscheidungen hervorbringt, vollzieht sich im Stillen im Geist [vgl. 10, S. 206]. Es wird betont, dass wir viel weniger über uns selbst wissen, als wir zu glauben scheinen, da der größte Teil des assoziativen Denkens lautlos und unterhalb der Bewusstseinsschwelle abläuft [vgl. 10, S. 231]. Wenn System 1 mit einer schwierigen Frage konfrontiert ist und keine sachkundige Antwort bereitstellt, liefert die Intuition dennoch schnell eine Antwort, die oft eine einfachere, verwandte Frage beantwortet, ohne dass die Person die Ersetzung bemerkt [vgl. 10, S. 210]. Dies ist ein Beispiel für einen unbewussten Schlussfolgerungsprozess. Das Gefühl der kognitiven Leichtigkeit oder Anspannung kann vielfältige Ursachen haben, die sich nur schwer voneinander trennen lassen [vgl. 10, S. 235]. Dies führt dazu, dass die zugrunde liegenden Gründe für unsere unbewussten Eindrücke und Schlussfolgerungen oft intransparent bleiben.
61. Gibt es Grenzen unbewusster kognitiver Verarbeitung?
Ja, es gibt klare Grenzen der unbewussten kognitiver Verarbeitung. Das Nervensystem ist darauf ausgelegt, Vorhersehbares vollständig auszublenden und seine begrenzten analytischen Ressourcen auf Bereiche zu konzentrieren, die zu nützlichen Ergebnissen führen [vgl. 14, S. 296]. Dies legt nahe, dass Routineaufgaben unbewusst ablaufen, während Neues oder Unvorhersehbares bewusste Aufmerksamkeit erfordert. Das Gehirn wäre sehr schnell überfordert, wenn alle Umweltinformationen den höheren sensorischen Arealen übermittelt würden, weshalb eine Filterung der sensorischen Informationen auf unbewusster Ebene stattfindet [vgl. 21, S. 43]. Das Bewusstsein wird als das Organ beschrieben, das sich auf die Analyse und Klassifizierung von unvorhersehbaren Ereignissen spezialisiert hat [vgl. 14, S. 296]. Dies impliziert, dass vorhersehbare oder routinemäßige Ereignisse bevorzugt unbewusst verarbeitet werden, während Neuartigkeit bewusste Aufmerksamkeit erfordert. Bei neuen oder komplexeren Anforderungen, die ein hohes Maß an Flexibilität und bewusster Kontrolle verlangen, sind die automatisierten Schemata (der „Autopilot“) nicht ausreichend. In solchen Fällen werden exekutive Funktionen notwendig [vgl. 21, S. 34], was eine Grenze für die Komplexität und Neuartigkeit der unbewusst handhabbaren Prozesse darstellt.
62. Sind unbewusste Prozesse weniger komplex als bewusste?
Die Quellen deuten an, dass unbewusste Prozesse eine beachtliche Komplexität aufweisen können. System 1, das automatische System, erzeugt „erstaunlich komplexe Muster von Vorstellungen“ [vgl. 10, S. 211] und ist in der Lage, nach ausreichender Schulung „sachkundige Reaktionen“ auszuführen sowie „sachkundige Intuitionen“ zu generieren [vgl. 10, S. 244]. Die assoziative Aktivierung erzeugt ein sich selbst verstärkendes Muster kognitiver, emotionaler und körperlicher Reaktionen, das als „vielfältig und integriert“ beschrieben wird und größtenteils unterhalb der Bewusstseinsschwelle stattfindet [vgl. 10, S. 230, 231]. Dies deutet auf eine hohe intrinsische Komplexität unbewusster Prozesse hin. Die Effizienz der Aufmerksamkeitssteuerung, die oft unbewusste Komponenten beinhaltet, sagt die Leistungsfähigkeit von Fluglotsen und Piloten zuverlässiger voraus als der IQ [vgl. 10, S. 224], was die Komplexität und Leistungsfähigkeit der zugrunde liegenden automatisierten Prozesse unterstreicht. Jedoch wird auch erwähnt, dass System 1 „nichts von Logik und Statistik versteht“ und mit rein statistischen Informationen „wenig anfangen kann“ [vgl. 10, S. 215]. Es erkennt lediglich einfache Beziehungen [vgl. 10, S. 215]. Dies deutet auf spezifische Grenzen in der Art der Komplexität hin, die System 1 handhaben kann, insbesondere bei Aufgaben, die logisch-analytisches oder statistisches Denken erfordern; diese sind typischerweise System 2 zugeschrieben, welches für geordnetes Denken und komplexe Berechnungen zuständig ist [vgl. 10, S. 211].
63. Können unbewusste Prozesse bewusste übersteuern?
Ja, unbewusste Prozesse können bewusste übersteuern. System 1 wird als „einflussreicher“ beschrieben, als es dem subjektiven Erleben entspricht, und ist der „geheime Urheber vieler Entscheidungen und Urteile“, die getroffen werden [vgl. 10, S. 211]. In Notlagen übernimmt System 1 die Kontrolle und weist Handlungen zum Selbstschutz höchste Priorität zu, noch bevor die Gefahr vollständig bewusst wird, wie z. B. das Gegenlenken bei einem plötzlich rutschenden Fahrzeug [vgl. 10, S. 220]. Wenn System 2 (das bewusste System) kognitiv ausgelastet ist, gewinnt System 1 an Einfluss auf das Verhalten und zeigt eine Präferenz für sofortige Belohnungen, beispielsweise die Wahl eines Schokoladenkuchens anstelle eines Obstsalats [vgl. 10, S. 231]. Kognitiv ausgelastete Personen treffen zudem eher egoistische Entscheidungen und fällen oberflächliche Urteile [vgl. 10, S. 232]. System 1 kann nicht willentlich abgeschaltet werden [vgl. 10, S. 215]. Beispielsweise ist es unmöglich, das Verstehen einfacher Sätze in der Muttersprache zu unterbinden oder sich einem unerwartet lauten Geräusch nicht zuzuwenden [vgl. 10, S. 212]. Selbst wenn der Kopf sich nicht bewegt, ist die Aufmerksamkeit zunächst auf die Quelle des Geräuschs gerichtet [vgl. 10, S. 212]. Automatisches Verhalten, wie die automatische Einwilligungsreaktion auf das Wort „weil“ bei einer Bitte, kann auch dann erfolgen, wenn kein tatsächlicher Grund folgt, was eine Übersteuerung bewusster Rationalität darstellt [vgl. 4, S. 24]. Ein träges System 2 folgt oft dem Pfad des geringsten Widerstands und unterstützt intuitive Antworten von System 1, ohne diese genauer zu prüfen, selbst wenn diese nicht angemessen sind [vgl. 10, S. 244].
64. Wie schnell laufen unbewusste vs. bewusste Prozesse ab?
Unbewusste Prozesse (System 1) laufen „automatisch und schnell“ ab, „weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung“ [vgl. 10, S. 244]. Ihre anfänglichen Reaktionen auf Herausforderungen sind „prompt und im Allgemeinen angemessen“ [vgl. 10, S. 215]. Die Ausbreitung der Aktivierung im assoziativen Gedächtnis, die diesen Prozessen zugrunde liegt, erfolgt automatisch [vgl. 10, S. 232, 244]. Eindrücke und Gedanken tauchen im Bewusstsein auf, ohne dass ihr Entstehungsweg bekannt ist [vgl. 10, S. 206].
Bewusste Prozesse (System 2) laufen „langsamer“ ab und erfordern „mehr Mühe“ [vgl. 10, S. 211, 258]. Sie sind „gemächlicher“ [vgl. 10, S. 211]. Tätigkeiten von System 2 erfordern Aufmerksamkeit und werden gestört, wenn diese abgezogen wird [vgl. 10, S. 212]. Aufgabenwechsel, die System 2 erfordern, sind mühsam, besonders unter Zeitdruck [vgl. 10, S. 224]. Bei einer akuten Panikattacke ist die Wucht so groß, dass kaum ein vernünftiger Gedanke dagegen ankommen kann; der langsam arbeitende Verstand ist den Gefühlen hintangestellt [vgl. 22, S. 328]. Psychologische Forschung legt nahe, dass Gefühle gegenüber einer Sache einen Sekundenbruchteil vor der verstandesmäßigen Einstellung wahrgenommen werden [vgl. 4, S. 155].
65. Sind unbewusste Entscheidungen emotional gefärbt?
Ja, unbewusste Entscheidungen und Prozesse sind stark emotional gefärbt. System 1 erzeugt spontan „Eindrücke, Gefühle und Neigungen“ [vgl. 10, S. 244]. Emotionen spielen beim Verständnis intuitiver Urteile und Entscheidungen eine wesentlich größere Rolle als früher angenommen [vgl. 10, S. 210]. Die Affektheuristik beschreibt Urteile und Entscheidungen, die unmittelbar und ohne gründliche Überlegung von Gefühlen der Vorliebe und Abneigung bestimmt werden [vgl. 10, S. 210]. Die assoziative Aktivierung erzeugt ein sich selbst verstärkendes Muster kognitiver, emotionaler und körperlicher Reaktionen, das als „assoziativ kohärent“ bezeichnet wird [vgl. 10, S. 230]. Dies unterstreicht die enge Verknüpfung von unbewussten Prozessen mit emotionalen Zuständen. Starke Gefühle, unabhängig davon, ob sie angenehm (z. B. Verliebtheit, Euphorie) oder unangenehm (z. B. Angst, Panik) sind, blockieren die Vernunft [vgl. 22, S. 328]. Die Natur hat dies so eingerichtet, um in Gefahrensituationen blitzschnelles Handeln zu ermöglichen oder im Falle von Euphorie und Verliebtheit die Festlegung auf einen Sexualpartner und die Fortpflanzung zu fördern [vgl. 22, S. 328]. Selbst rein symbolische Bedrohungen lösen im Gehirn schnelle Reaktionen aus. Emotional aufgeladene Wörter ziehen die Aufmerksamkeit rasch auf sich, wobei negativ besetzte Wörter („Krieg“, „Verbrechen“) schneller bemerkt werden als positiv besetzte („Frieden“, „Liebe“) [vgl. 10, S. 252]. Die bloße Erinnerung an ein negatives Ereignis wird von System 1 als bedrohlich eingestuft [vgl. 10, S. 252].
66. Lehnt der klassische Behaviorismus Bewusstsein als Forschungsgegenstand ab?
Ja, der klassische Behaviorismus lehnte das Bewusstsein als direkten Forschungsgegenstand weitgehend ab oder betrachtete es als überflüssig. Er konzentrierte sich stattdessen ausschließlich auf beobachtbares Verhalten und dessen Kontrolle durch die Umwelt [vgl. 11; 2]. John B. Watson formulierte diese Sichtweise bereits 1913 und 1928 [vgl. 7, S. 58; 73; 351]. B. F. Skinner sah Diskussionen über den inneren Zustand eines Organismus als überflüssig an, da die Kenntnis der Konditionierungsgeschichte zur Verhaltensvorhersage ausreichen sollte [vgl. 14, S. 162].
Die Neurowissenschaftler hingegen gehen davon aus, dass Bewusstsein aus physischen Prozessen im Nervensystem entsteht und letztlich als ein Phänomen zu verstehen ist, das auf der Struktur und Funktion des Nervensystems basiert [vgl. 2, S. 803; 46; 53; 350; 348]. Die Neurowissenschaft stellt die Untersuchung des Bewusstseins als eine der größten Herausforderungen dar und befasst sich mit neuronalen Mechanismen höherer geistiger Aktivitäten wie dem Ich-Bewusstsein und der Imagination [vgl. 2, S. 72]. Aus einer modernen verhaltenswissenschaftlichen Perspektive werden Denken und Fühlen als „private Verhaltensweisen“ betrachtet, die erklärt werden müssen [vgl. 17, S. 36].
67. Sind interne Zustände wissenschaftlich nicht messbar?
Aus behavioristischer Sicht wurden interne Zustände nicht direkt gemessen, da der Fokus auf beobachtbarem Verhalten lag. Die moderne Wissenschaft hat jedoch Methoden entwickelt, um interne Prozesse, insbesondere die Gehirnaktivität, zu messen. Das Gehirn erzeugt fortwährend ein sich veränderndes Muster elektrischer Aktivität, welches grob durch das Elektroenzephalogramm (EEG) erfasst werden kann [vgl. 14, S. 170]. Ereigniskorrelierte Potenziale (EKP), abgeleitet von EEG-Aufzeichnungen, können als Maß für die Gehirnaktivität nach bestimmten Reizen dienen [vgl. 14, S. 170]. Bildgebende Verfahren können Gehirnareale sichtbar machen, in denen Neuronen „feuern“, was auf erhöhte Sauerstoffversorgung und somit verstärkte neuronale Aktivität hindeutet [vgl. 10, S. 131].
Allerdings kann die subjektive, gedankliche und gefühlte Bedeutung dieser Gehirnprozesse nicht direkt gemessen werden, sondern nur vom jeweiligen Individuum verbalisiert werden [vgl. 22, S. 280]. Unser Bewusstsein hat zudem nur begrenzten Zugang zum „Innenleben“ unseres Geistes; viele Eindrücke, Intuitionen und Entscheidungen entstehen stillschweigend unterhalb der Bewusstseinsschwelle, ohne dass wir wissen, wie sie dorthin gelangten [vgl. 10, S. 112, 118]. Dennoch sind subjektive Berichte, wie in klinischen Bewertungen und neuropsychologischen Testungen, wichtige integrale Elemente zur Erfassung des psychopathologischen Gesamtbildes und der Person [vgl. 6, S. 18; 21, S. 50].
68. Fokussiert Behaviorismus ausschließlich auf beobachtbares Verhalten?
Der klassische Behaviorismus konzentrierte sich tatsächlich ausschließlich auf beobachtbare Handlungen [vgl. 11, S. 5; 7, S. 103]. Behavioristen stellten die Frage: „Was kann ein Organismus tun, und wie tut er es?“ [11, S. 5]. Sie lehnten die Vorstellung von vergrabenen Konflikten und dem Unbewussten ab und konzentrierten sich stattdessen auf beobachtbares Verhalten und dessen Kontrolle durch die Umwelt [vgl. 7, S. 103]. Für Skinner war die Kenntnis der Konditionierungsgeschichte eines Tieres ausreichend, um sein Verhalten vorherzusagen, was interne Zustände überflüssig machte [vgl. 14, S. 162].
In einem breiteren, möglicherweise neo-behavioristischen Verständnis werden jedoch Denken und Fühlen als „private Verhaltensweisen“ behandelt, die ebenfalls erklärt werden müssen [vgl. 17, S. 36]. Dies deutet auf eine Erweiterung des Forschungsbereichs hin, auch wenn die Terminologie „Verhalten“ beibehalten wird.
69. Sind Umweltreize die einzigen relevanten Verhaltensdeterminanten?
Nein, Umweltreize sind nicht die einzigen relevanten Verhaltensdeterminanten. Obwohl der Behaviorismus die Kontrolle des Verhaltens durch die Umwelt betont [vgl. 7, S. 103], zeigt die moderne Forschung, dass menschliches Verhalten multifaktoriell bedingt ist. Es ist ein Produkt der Gehirnaktivität, die ihrerseits durch Veranlagung (Genetik) und Umwelt beeinflusst wird [vgl. 2, S. 102]. Psychische Störungen sind beispielsweise durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht, darunter genetische Veranlagung, frühe Lebenserfahrungen sowie umweltbedingte, psychosoziale und kulturelle Einflüsse [vgl. 9, S. 22].
Auch epigenetische Faktoren, d.h. Veränderungen genetischer Sequenzen durch externe (Umwelt-) oder interne (psychische) Einflüsse, können die Gehirnentwicklung und damit das Verhalten beeinflussen [vgl. 21, S. 44]. Zudem gibt es angeborene, instinktive Reaktionsmuster auf Neuartiges oder Unerwartetes, wie den Orientierungsreflex, der Aufmerksamkeit, Emotionen (Furcht, Neugier) und zwangsmäßige Handlungsmuster auslöst. Diese Reaktionen sind physiologisch verankerte, angeborene Strukturelemente der Bewusstseinsprozesse [vgl. 14, S. 154, 156, 173].
70. Ist die „Black Box“ des Geistes wissenschaftlich irrelevant?
Für den klassischen Behaviorismus galt die „Black Box“ des Geistes als wissenschaftlich irrelevant oder zumindest unzugänglich, da er sich auf beobachtbare Ein- und Ausgänge konzentrierte [vgl. 11, S. 5; 14, S. 162]. Die moderne Neurowissenschaft und kognitive Psychologie sehen dies jedoch fundamental anders. Die Neurowissenschaft hat die Aufgabe, Verhalten in Bezug auf die Gehirnaktivität zu erklären und konfrontiert sich dabei kontinuierlich mit der Frage, wie mentale Prozesse in spezifischen Gehirnregionen ablaufen [vgl. 11, S. 3].
Die kognitive Neurowissenschaft bemüht sich, die neuronalen Mechanismen hinter höheren geistigen Aktivitäten wie Ich-Bewusstsein, Imagination und Sprache zu verstehen [vgl. 2, S. 72]. Es wird betont, dass „explizites“ Wissen über Fakten und Ereignisse erforscht werden muss, ebenso wie dessen Repräsentation im Gehirn und die Natur unbewusster Prozesse und deren Einfluss auf bewusste mentale Aktivität [vgl. 11, S. 5]. Auch wenn die subjektive Bedeutung dieser Prozesse nicht direkt messbar ist, sind die Prozesse selbst von zentraler wissenschaftlicher Bedeutung [vgl. 22, S. 280].
71. Können Umweltreize Verhalten vollständig vorhersagen?
Nein, Umweltreize können Verhalten nicht vollständig vorhersagen. Obwohl der klassische Behaviorismus, insbesondere B.F. Skinner, die Annahme vertrat, dass durch Kenntnis der Konditionierungsgeschichte eines Organismus dessen Verhalten vorhergesagt werden könnte [vgl. 14, S. 162], wird diese Sichtweise für komplexe, langlebige Lebewesen wie den Menschen als zu vereinfacht angesehen. Die vollständige „Konditionierungsgeschichte“ ist praktisch unmöglich zu kennen, ähnlich der Schwierigkeit, die Position und den Impuls jedes Teilchens im Universum zu bestimmen [vgl. 14, S. 162].
Menschliches Verhalten wird durch eine komplexe Interaktion von Umweltreizen mit inneren Prozessen bestimmt. Das assoziative Gedächtnis konstruiert fortwährend eine kohärente Interpretation der Welt, basierend auf Eindrücken und Gefühlen, die oft unbewusst entstehen und viele Entscheidungen und Urteile beeinflussen [vgl. 10, S. 114, 118]. Auch wenn System 1 (automatische Prozesse) den geheimen Ursprung vieler Entscheidungen darstellt, kann System 2 (bewusst gesteuerte Prozesse) die Kontrolle übernehmen, wenn es schwierig wird oder unerwartete Ereignisse gegen das Weltmodell von System 1 verstoßen [vgl. 10, S. 117]. Darüber hinaus können Emotionen und die Macht der Vorstellung im Gehirn das Verhalten stark beeinflussen [vgl. 18, S. 9; 22, S. 283; 352].
72. Ist Verhaltenskontrolle ohne Bewusstseinskenntnis möglich?
Ja, Verhaltenskontrolle ist auch ohne bewusste Kenntnis möglich und sogar die typische Funktionsweise unseres Denkvermögens. Die meisten Eindrücke, Intuitionen und viele Entscheidungen entstehen in unserem Geist, ohne dass wir wissen, wie sie dorthin gelangten, und die zugrunde liegende mentale Arbeit vollzieht sich „im Stillen“ unterhalb der Bewusstseinsschwelle [vgl. 10, S. 112, 118]. System 1, das automatische System, ist der „geheime Urheber vieler Entscheidungen und Urteile“ [10, S. 114].
Sorgfältige quantitative Analysen von Reizen und Reaktionen haben bereits wesentlich zum Verständnis des Erwerbs und der Nutzung von „implizitem“ Wissen bei Wahrnehmungs- und motorischen Fertigkeiten beigetragen [vgl. 11, S. 5]. Dieses „implizite“ Wissen, oft als adaptives Unbewusstes bezeichnet [vgl. 10, S. 138; 325], ermöglicht es uns, Handlungen auszuführen und Annahmen über die Welt zu treffen, ohne die zugrunde liegenden Werte und Überzeugungen explizit benennen zu können [vgl. 14, S. 185, 268]. Auch moderne Konzepte von „unbewussten Verhaltenssteuerungssystemen“ unterstützen diese Ansicht [vgl. 12, S. 106; 317].
73. Sind Reiz-Reaktions-Beziehungen ausreichend für Verhaltensverständnis?
Nein, Reiz-Reaktions-Beziehungen sind für ein umfassendes Verständnis menschlichen Verhaltens nicht ausreichend. Obwohl die quantitative Analyse von Reizen und Reaktionen das Verständnis impliziten Wissens in wahrnehmungsbezogenen und motorischen Fähigkeiten gefördert hat [vgl. 11, S. 5], betonen die Quellen, dass Menschen auch „explizites“ Wissen über Fakten und Ereignisse besitzen. Es ist notwendig zu untersuchen, was ein Organismus weiß, wie dieses Wissen im Gehirn repräsentiert wird und wie sich explizites von implizitem Wissen unterscheidet [vgl. 11, S. 5].
Die Spieltheorie beispielsweise leitet Lösungen für Entscheidungssituationen ausschließlich aus den Eigenschaften des Spiels selbst her, nicht aus psychologischen Überlegungen [vgl. 18, S. 9]. Dies steht im Gegensatz zu einer breiteren Sicht, die betont, dass das Verständnis der Bedeutung von Phänomenen deren motivationale Relevanz und affektive Wirkung miteinschließt, nicht nur deren objektive sensorische Eigenschaften [vgl. 14, S. 149, 183]. Die kognitive Neurowissenschaft geht zudem weit über einfache Reiz-Reaktions-Muster hinaus, indem sie neuronale Mechanismen für Selbstbewusstsein, Imagination und Sprache erforscht [vgl. 2, S. 72].
74. Können alle Verhaltensweisen durch Konditionierung erklärt werden?
Nein, nicht alle Verhaltensweisen können allein durch Konditionierung erklärt werden. Während der Behaviorismus einen starken Fokus auf gelernte Reaktionen auf Umwelteinflüsse legte [vgl. 7, S. 103], zeigt die Forschung, dass der menschliche „Bauplan der Psyche“ auch eine evolutionäre, genetisch verankerte Grundlage hat [vgl. 22, S. 279, 280]. Menschliches Verhalten ist das Ergebnis des Gehirns, das wiederum ein Produkt von Veranlagung und Umwelt ist [vgl. 2, S. 102].
Beispielsweise ist der Orientierungsreflex, die unwillkürliche Anziehungskraft von Neuartigem auf unsere Aufmerksamkeit, eine instinktive Reaktion, die biologisch determiniert und uralt ist, ähnlich Hunger und Durst [vgl. 14, S. 173]. Diese primären, affektiv geladenen Reaktionen auf das Unbekannte sind keine erlernten Phänomene [vgl. 14, S. 176]. Daher gibt es grundlegende Verhaltensmuster und psychische Dispositionen, die über Konditionierung hinausgehen und auf unserer evolutionären und biologischen Ausstattung basieren.
75. Ist introspektive Methodik wissenschaftlich unbrauchbar?
Obwohl der klassische Behaviorismus die introspektive Methodik als unbrauchbar betrachtete, da sie nicht direkt beobachtbar oder objektiv messbar war, erkennen moderne psychologische Ansätze ihren Wert an. In der klinischen Praxis sind Gespräche und subjektive Berichte des Patienten unerlässlich, um ein umfassendes psychopathologisches Bild zu erstellen und die persönliche Bedeutung von Erfahrungen zu verstehen [vgl. 6, S. 18; 22, S. 280]. Bei der Diagnose von ADHS werden Selbstbeurteilungsfragebögen und Interviews verwendet, und die Rückmeldung des Patienten ist für die Therapieplanung wichtig [vgl. 21, S. 50, 54].
Auch in der Verhaltensforschung kann die Frage, worüber ein Individuum bewusst ist, wichtig sein für die Gestaltung und Interpretation von Experimenten, da phänomenologische Berichte (Selbstberichte) wertvolle Informationen liefern können [vgl. 20, S. 60]. Obwohl die meisten Eindrücke und Gedanken unbewusst entstehen und unsere Einsicht in unser Innenleben begrenzt ist [vgl. 10, S. 112, 118], ist die verbale Erklärung subjektiver Bedeutungen für das Verständnis des Menschen unerlässlich [vgl. 22, S. 280].
76. Widerspricht Behaviorismus neurowissenschaftlichen Befunden?
Ja, der klassische Behaviorismus widerspricht vielen neurowissenschaftlichen Befunden. Der Behaviorismus lehnte die Erforschung innerer, unbewusster Prozesse ab [vgl. 7, S. 103], während die Neurowissenschaft gerade die neuronalen Mechanismen untersucht, die für höhere geistige Aktivitäten und unbewusste Prozesse verantwortlich sind [vgl. 11, S. 5; 2, S. 72].
Neurowissenschaftliche Studien zeigen beispielsweise, dass die Gehirnentwicklung bei Menschen mit ADHS anders verläuft und dass spezifische Gehirnregionen wie der präfrontale Kortex für exekutive Funktionen bedeutsam sind, die bei ADHS-Betroffenen Schwierigkeiten bereiten [vgl. 1, S. 15, 16]. Neurofeedback, eine nicht-medikamentöse Therapieoption für ADHS, basiert auf der Messung und gezielten Veränderung von Gehirnaktivität, um die Selbstregulation zu verbessern [vgl. 21, S. 30, 55]. Auch konnte in neurowissenschaftlichen Studien zur Wirkung von Psychotherapie nachgewiesen werden, dass neue Gedanken und Erkenntnisse die Aktivität des Angstzentrums (Amygdala) im Gehirn beeinflussen können [vgl. 22, S. 283]. Solche Erkenntnisse über die Verbindung von mentalen Zuständen und Hirnfunktionen gehen über das klassische behavioristische Paradigma hinaus.
77. Kann Behaviorismus komplexe menschliche Verhaltensweisen erklären?
Der klassische Behaviorismus stößt an seine Grenzen, wenn es um die Erklärung komplexer menschlicher Verhaltensweisen geht. Während er zum Verständnis „impliziten“ Wissens beitragen konnte, vernachlässigt er „explizites“ Wissen über Fakten und Ereignisse und deren Repräsentation im Gehirn [vgl. 11, S. 5]. Die Reduktion menschlichen Verhaltens auf die Konditionierungsgeschichte ist für komplexe Lebewesen wie den Menschen nicht ausreichend, da es unmöglich ist, alle relevanten Faktoren zu kennen [vgl. 14, S. 162].
Komplexe Verhaltensweisen wie Selbstbewusstsein, Imagination und Sprache sind zentrale Forschungsfelder der kognitiven Neurowissenschaft, die neuronale Mechanismen zugrunde legen, die der Behaviorismus nicht adäquat berücksichtigen konnte [vgl. 2, S. 72]. Die psychologischen Modelle des Denkens, die die Interaktion von automatischem (System 1) und bewusst gesteuertem (System 2) Denken beschreiben, zeigen, dass komplexe Kognitionen von einer Vielzahl unbewusster und bewusster Prozesse abhängen, die über einfache Reiz-Reaktions-Ketten hinausgehen [vgl. 10, S. 114, 116, 118, 125, 126].
78. Ist die behavioristische Position heute noch haltbar?
Die klassische behavioristische Position ist in ihrer reinen Form in der modernen Psychologie und Neurowissenschaft nicht mehr die dominante Sichtweise. Viele ihrer kausalen Theorien zur Entstehung psychischer Störungen wurden als falsch oder inkomplett erkannt [vgl. 9, S. 22]. Der Fokus der Neurowissenschaft liegt heute auf der Erklärung von Verhalten in Bezug auf Gehirnaktivitäten [vgl. 11, S. 3].
Dennoch haben behavioristische Prinzipien, insbesondere im Bereich der Konditionierung, einen wichtigen Beitrag zum Verständnis grundlegender Lernprozesse geleistet und finden in abgewandelter Form weiterhin Anwendung, z. B. bei der Analyse von „implizitem“ Wissen [vgl. 11, S. 5]. Auch die Erkenntnis, dass Menschen in komplexen Situationen oft auf „Schnellverfahren“ und Faustregeln zurückgreifen, die einem „Autopilot“ ähneln, erinnert an automatisierte Verhaltensmuster [vgl. 4, S. 303, 309]. Die Psychologie hat sich jedoch mit der „kognitiven Revolution“ von der reinen behavioristischen Sichtweise gelöst und integriert interne mentale Prozesse als zentrale Untersuchungsgegenstände [vgl. 10, S. 114].
79. Vernachlässigt Behaviorismus wichtige psychologische Phänomene?
Ja, der klassische Behaviorismus vernachlässigt eine Reihe wichtiger psychologischer Phänomene, da er sich ausschließlich auf beobachtbares Verhalten konzentrierte [vgl. 11, S. 5; 7, S. 103].
Explizites Wissen Der Behaviorismus fragte „Was kann ein Organismus tun?“, aber vernachlässigte die Frage „Was weiß das Tier über die Welt, und wie kommt es dazu, es zu wissen?“ [11, S. 5].
Unbewusste Prozesse Die Vorstellung von unbewussten Konflikten und Prozessen wurde explizit abgelehnt [vgl. 7, S. 103]. Die Neurowissenschaft und kognitive Psychologie betonen jedoch die Bedeutung unbewusster Prozesse für Entscheidungen und Urteile [vgl. 11, S. 5; 10, S. 112, 118, 126].
Bewusstsein und höhere geistige Aktivitäten Phänomene wie Selbstbewusstsein, Imagination und Sprache wurden als zentrale Herausforderungen für die kognitive Neurowissenschaft identifiziert, die über das behavioristische Spektrum hinausgehen [vgl. 2, S. 72].
Emotionen und Motivation Moderne Ansätze betonen die Komplexität und den Einfluss von Gefühlen auf unser Verhalten und unsere Entscheidungen, die über reine Reiz-Reaktions-Ketten hinausgehen [vgl. 14, S. 149, 157, 164; 22, S. 283].
Subjektive Bedeutung Der Behaviorismus schloss Affekte und subjektive Bedeutungen aus [vgl. 14, S. 151]. Die heutige Psychologie erkennt jedoch die Notwendigkeit an, die subjektive Bedeutung für das Individuum zu erfassen [vgl. 22, S. 280].
80. Gibt es neo-behavioristische Ansätze mit mentalen Konzepten?
Ja, es gibt neo-behavioristische oder integrierende Ansätze, die mentale Konzepte einbeziehen. Eine moderne verhaltenswissenschaftliche Perspektive behandelt Denken und Fühlen als „privates Verhalten“, das erklärt werden kann [vgl. 17, S. 36]. Dies stellt eine Abkehr von der völligen Ablehnung innerer Zustände dar.
Die „new cognitive neuro- and behavioral sciences“ repräsentieren eine Entwicklung, die neurobiologische Erkenntnisse in die Psychiatrie und Psychologie integriert [vgl. 9, S. 22]. Ansätze der „embodied cognition“ versuchen, die Rolle mentaler Strukturen und kognitiver Kapazitäten zu erklären, ohne die Bedeutung des Mentalen zu vernachlässigen [vgl. 20, S. 62; 37]. Auch Neurofeedback, das die Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns durch Training verbessert, ist ein Beispiel für eine Verhaltensintervention, die direkt auf interne neuronale Prozesse abzielt [vgl. 21, S. 55]. Diese Entwicklungen zeigen, dass die Grenzen des klassischen Behaviorismus überwunden wurden, um ein umfassenderes Verständnis von Verhalten zu ermöglichen.
81. Ist klassische Konditionierung ein unbewusster Prozess?
Die klassische Konditionierung ist ein Lernprozess, bei dem ein ursprünglich neutraler Reiz mit einer zuvor unkonditionierten Reaktion verknüpft wird, bis der neutrale Reiz allein diese Reaktion auslösen kann [vgl. 2, S. 262]. Das Gehirn besitzt die Fähigkeit, Reize miteinander zu assoziieren, selbst wenn diese nicht bewusst wahrgenommen werden [vgl. 10, S. 141]. Ein prägnantes Beispiel hierfür sind die sogenannten Priming-Effekte, welche aufzeigen, dass menschliche Handlungen und Emotionen durch Reize beeinflusst werden können, deren Existenz dem Individuum nicht einmal bewusst ist [vgl. 10, S. 136, 150]. So wurde in einem Experiment beobachtet, dass Studenten, die zuvor Sätze mit Wörtern gebildet hatten, die mit älteren Menschen assoziiert werden (wie „vergesslich“ oder „faltig“), anschließend langsamer durch einen Flur gingen, ohne dass ihnen dieser Einfluss bewusst war [vgl. 10, S. 136; 30].
Ein weiteres Phänomen, der Mere-Exposure-Effekt, beschreibt, wie die wiederholte Darbietung eines Reizes eine positive Einstellung hervorruft, selbst wenn dieser Reiz subliminal präsentiert wird und somit der bewussten Wahrnehmung entzogen ist [vgl. 10, S. 141; 309]. Die Effektivität dieses Effekts ist bei unbewusster Wahrnehmung sogar noch ausgeprägter [vgl. 10, S. 141; 309].
Das menschliche Denkvermögen, insbesondere das sogenannte System 1, generiert Eindrücke, Intuitionen und viele Entscheidungen auf eine Weise, die sich im Stillen im Geist vollzieht, ohne dass wir die genauen Wege ihrer Entstehung rekonstruieren könnten [vgl. 10, S. 113]. Dieses System arbeitet automatisch, schnell und weitgehend mühelos, ohne dass eine willentliche Steuerung erforderlich wäre [vgl. 10, S. 118, 149]. Der Großteil des assoziativen Denkens, das Eindrücke und Gefühle hervorbringt, findet unterhalb der Bewusstseinsschwelle statt [vgl. 10, S. 134; 173]. Die Fähigkeit, Informationen implizit zu speichern, also unbewusstes Wissen über die Beschaffenheit und den Wert von Dingen zu behalten, wird als das „Unbewusste“ bezeichnet [vgl. 14, S. 206].
82. Entstehen konditionierte Reaktionen automatisch?
Konditionierte Reaktionen entstehen in der Tat automatisch [vgl. 2, S. 262]. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet die Verhaltensweise der Truthenne: Nahezu ihr gesamtes mütterliches Fürsorgeverhalten wird durch einen einzigen Reiz, das „Tschiep-tschiep“ der Küken, ausgelöst, während andere Merkmale der Küken wie Geruch oder Aussehen eine untergeordnete Rolle spielen [vgl. 4, S. 283]. Dies veranschaulicht ein regelhaftes, blind mechanisches Handlungsmuster, das auch bei einer Vielzahl anderer Tierarten beobachtet wurde [vgl. 4, S. 284].
Ein vergleichbarer „Klick, surr“-Mechanismus findet sich im menschlichen Verhalten. So hat sich gezeigt, dass bereits das Wort „weil“ – selbst wenn kein tatsächlicher Grund folgt – eine automatische Einwilligungsreaktion auslösen kann, ähnlich wie das „Tschiep-tschiep“ der Küken bei der Truthenne mütterliches Verhalten in Gang setzt [vgl. 4, S. 287; 55]. Unser System 1 ist maßgeblich für solche automatischen Aktivitäten verantwortlich. Es erzeugt Eindrücke, Gefühle und Neigungen spontan und agiert schnell, mühelos und ohne bewusste willentliche Steuerung [vgl. 10, S. 118, 149]. Es ist zudem nicht willentlich abstellbar [vgl. 10, S. 122].
83. War Pawlows Hundeexperiment methodisch valide?
Die vorliegenden Quellen beschreiben Pawlows Experiment mit Hunden als einen wegweisenden und klassischen Ansatz zur Untersuchung der Konditionierung [vgl. 2, S. 262]. Das Experiment, bei dem Hunde lernten, den Anblick eines Lichtkreises mit dem Erhalt von Futter zu verbinden, wodurch allein der Lichtkreis Speichelfluss auslöste, wird als Beleg für die Prozesse der Reiz-Reaktions-Verknüpfung beim Menschen herangezogen [vgl. 2, S. 262]. Die Darstellung in den Quellen konzentriert sich auf die Ergebnisse und die Übertragbarkeit der Prinzipien auf menschliches Lernen, ohne spezifische methodische Einschränkungen von Pawlows ursprünglicher Studie zu erwähnen.
84. Können emotionale Reaktionen klassisch konditioniert werden?
Ja, emotionale Reaktionen können durch klassische Konditionierung erworben werden [vgl. 10, S. 136, 152-153]. Der sogenannte Orientierungsreflex, also die unwillkürliche Hinwendung der Aufmerksamkeit zu Neuartigem, bildet die Grundlage für exploratives Verhalten und ist eng mit der Auslösung von Emotionen verbunden. Anfänglich mag dies Furcht sein, gefolgt von Neugier [vgl. 14, S. 184, 197]. Das Auftreten eines unerwarteten oder anomalen Phänomens im Erleben signalisiert Unzulänglichkeiten in bestehenden Verhaltensschemata und ruft entsprechende Affekte wie Angst und Neugier hervor [vgl. 14, S. 186, 198].
Das Konzept der Affektheuristik verdeutlicht, wie Menschen bei ihren Urteilen und Entscheidungen ihre Emotionen heranziehen, oft ohne sich dessen bewusst zu sein [vgl. 10, S. 152; 311]. Eine positive emotionale Einstellung zu einer Technologie kann beispielsweise dazu führen, dass ihr ein großer Nutzen bei geringem Risiko zugeschrieben wird, während eine negative Einstellung die Nachteile überwiegen lässt [vgl. 10, S. 153]. Diese emotionale Reaktion kann eine sogenannte assoziative Kohärenz bewirken, bei der einzelne Elemente der Erfahrung miteinander verbunden sind und sich gegenseitig verstärken [vgl. 10, S. 133].
85. Erfolgen konditionierte Reaktionen reflexartig?
Konditionierte Reaktionen können reflexartig erfolgen, da die klassische Konditionierung auf dem Prinzip des Reflexbogens basiert [vgl. 14, S. 187; 270]. Pawlows Forschungen konzentrierten sich auf erlernte Reflexe [vgl. 2, S. 262]. Der Orientierungsreflex wird als eine Reaktion beschrieben, die nach wiederholter Darbietung eines Reizes nachlässt (Habituation), aber durch die geringste Veränderung des Reizes wieder ausgelöst wird. Diese Reaktion ist nicht nur eine direkte Folge der sensorischen Erregung, sondern entsteht durch Abweichungssignale, die auftreten, wenn eintreffende Reize mit im Nervensystem hinterlassenen Spuren früherer Signale verglichen werden [vgl. 15, S. 189; 66]. Unser System 1 ist in der Lage, sachkundige Reaktionen und Intuitionen auszuführen, insbesondere nach entsprechender Übung und Schulung [vgl. 10, S. 149].
86. Ist Bewusstsein für klassische Konditionierung notwendig?
Nein, Bewusstsein ist für die klassische Konditionierung nicht zwingend erforderlich. Viele Eindrücke und Gedanken entstehen im menschlichen Geist, ohne dass wir uns ihrer Entstehung bewusst sind [vgl. 10, S. 113]. Die Prozesse, die diese Eindrücke und Intuitionen hervorbringen, vollziehen sich „im Stillen in unserem Geist“ [10, S. 113].
Das sogenannte System 1 arbeitet automatisch und schnell, agiert weitgehend mühelos und ohne willentliche Steuerung [vgl. 10, S. 118, 149]. Priming-Effekte zeigen deutlich, dass Handlungen und Emotionen durch Reize beeinflusst werden können, die weder bewusst wahrgenommen noch registriert werden [vgl. 10, S. 136, 150]. Der Mere-Exposure-Effekt beispielsweise, der zu einer positiven Einstellung gegenüber einem Reiz führt, tritt auch dann auf, wenn die Reize so schnell präsentiert werden, dass sie den Beobachtern nicht bewusst werden [vgl. 10, S. 141; 309]. Tatsächlich ist die Wirkung des Mere-Exposure-Effekts bei unbewusster Wahrnehmung sogar noch stärker [vgl. 10, S. 141; 309]. Die Fähigkeit, Informationen implizit zu speichern, die das Wesen und den Wert von Dingen betreffen, wird als das „Unbewusste“ bezeichnet [vgl. 14, S. 206].
87. Können Menschen unbewusst konditioniert werden?
Ja, Menschen können unbewusst konditioniert werden. Ein erheblicher Teil des assoziativen Denkens vollzieht sich unbemerkt unterhalb der Bewusstseinsschwelle [vgl. 10, S. 134; 173]. Priming-Experimente belegen, dass unser Denken und Verhalten durch Stimuli beeinflusst werden können, denen wir keine bewusste Aufmerksamkeit schenken oder die gänzlich unbemerkt bleiben [vgl. 10, S. 150]. Ein bekanntes Beispiel ist der Mere-Exposure-Effekt, bei dem die wiederholte, auch unbewusste, Darbietung eines Reizes eine positive Einstellung gegenüber diesem Reiz hervorruft [vgl. 10, S. 141; 309]. Die Prägung des Gehirns kann willkürlich erfolgen und muss nicht bewusst sein [vgl. 2, S. 264].
88. Generalisieren konditionierte Reaktionen auf ähnliche Reize?
Die vorliegenden Quellen legen nahe, dass konditionierte Reaktionen auf ähnliche Reize generalisieren können. Im Kontext des Primings wird die Vorstellung „essen“ nicht nur mit dem Wort „Suppe“ verknüpft, sondern auch mit einer Vielzahl weiterer verwandter Vorstellungen wie „Gabel“, „hungrig“ oder „Keks“ [vgl. 10, S. 135]. Dies illustriert, wie eine Aktivierung in einem Teil des riesigen assoziativen Netzwerks eine sich ausbreitende Kaskade von Aktivität in verwandten Vorstellungen auslösen kann, auch wenn diese schwächer sind [vgl. 10, S. 135]. Dies deutet auf eine Generalisierung der assoziativen Aktivierung hin.
89. Ist Löschung konditionierter Reaktionen möglich?
Ja, die Löschung konditionierter Reaktionen ist möglich. Eine assoziativ gelernte konditionierte Reaktion kann wieder aufgehoben werden, wenn der konditionierte Reiz wiederholt ohne den unkonditionierten Reiz auftritt. In diesem Fall verliert der konditionierte Reiz seine Vorhersagekraft für den unkonditionierten Reiz, und die konditionierte Reaktion wird nicht mehr gezeigt. Dieser Prozess wird als Extinktionslernen bezeichnet [vgl. 13, S. 219].
Im Rahmen von Angststörungen werden beispielsweise Behandlungsmethoden wie die „Desensibilisierung“ eingesetzt. Diese beinhalten eine angeleitete Exposition des Betroffenen gegenüber neuartigen oder bedrohlichen Reizen unter kontrollierten Bedingungen, was zu einer Neuklassifizierung des Reizes und einer Verhaltensanpassung führt. Dadurch wird das zuvor Angst auslösende Objekt oder die Situation in etwas Kontrollierbares, Vertrautes und Bekanntes umgewandelt [vgl. 15, S. 220; 372].
90. Erfolgt operante Konditionierung bewusst oder unbewusst?
Operante Konditionierung, die auf dem Prinzip des Lernens durch Konsequenzen basiert, kann sowohl bewusste als auch unbewusste Anteile aufweisen. Im Kontext des Trainings langsamer kortikaler Potenziale (SCP-Training) werden lerntheoretische Prinzipien wie die operante Konditionierung angewendet [vgl. 21, S. 222]. Hierbei erhalten Klienten visuelles oder akustisches Feedback über die erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Beeinflussung ihrer Gehirnaktivität, was einen Lernprozess durch Konsequenzen in Gang setzt. Mit fortschreitendem Training kann die neu erlernte Selbstregulation bewusst im Alltag angewendet werden [vgl. 21, S. 222].
Auf der anderen Seite existieren automatisierte Schemata, die durch Lernprozesse und häufige Wiederholungen zu Routinen werden, dem sogenannten prozeduralen Lernen. Diese Prozesse laufen vorbewusst ab, verbrauchen in der Regel keine Aufmerksamkeitsressourcen, können aber durch aktive Aufmerksamkeit ins Bewusstsein gerufen werden [vgl. 21, S. 30]. Das implizite Gedächtnis, das unbewusst Informationen über die Eigenschaften und den Wert von Dingen speichert, wird durch aktive Exploration gebildet [vgl. 14, S. 206]. Unser Verhalten kann auch durch das System 1 automatisch und unwillkürlich gesteuert werden, selbst wenn die Gründe für diese Handlungen dem Bewusstsein nicht immer zugänglich sind [vgl. 10, S. 118, 149].
91. Formen Konsequenzen Verhalten automatisch?
Ja, Konsequenzen können Verhalten automatisch formen. Im operanten Konditionierungslernen führt die Konsequenz (C) auf eine Reaktion (R) dazu, dass deren Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht oder gesenkt wird [vgl. 13, S. 58]. Dieser Prozess wird auch als „Verhaltensformung“ (behavior shaping) bezeichnet, bei dem eine gewünschte Verhaltensweise durch gezielte Verstärkung schrittweise aufgebaut wird [vgl. 13, S. 197; 65].
Wenn eine Person sich zu etwas verpflichtet (Commitment), schafft dies die Voraussetzungen dafür, dass sie automatisch und ohne lange zu überlegen im Einklang mit dieser Festlegung handelt [vgl. 4, S. 295]. Dieses Prinzip der Konsistenz übt einen starken Druck auf das zukünftige Verhalten aus [vgl. 4, S. 295; 48]. Die Orientierung am Verhalten anderer, wie sie im Prinzip der sozialen Bewährtheit beschrieben wird, ermöglicht es Menschen, Entscheidungen schnell und „auf Autopilot“ zu treffen, ohne ein umfangreiches Abwägen von Pro und Kontra [vgl. 4, S. 305].
92. Unterscheiden sich Verstärkung und Bestrafung in ihrer Wirkung?
Ja, Verstärkung und Bestrafung unterscheiden sich in ihrer Wirkung. Im Kontext der operanten Konditionierung ist die Verstärkung darauf ausgelegt, die Wahrscheinlichkeit eines Verhaltens zu erhöhen, während die Bestrafung darauf abzielt, sie zu verringern [vgl. 21, S. 222]. Zum Beispiel aktivieren positiv verstärkende Drogen das Dopaminsystem im Nucleus accumbens, was mit Belohnung in Verbindung gebracht wird [vgl. 15, S. 228; 158]. Das Research Domain Criteria (RDoC) Framework unterscheidet zwischen „negativer Valenz“ (die Furcht, Angst, Verluste und frustrierende Nicht-Belohnung umfasst) und „positiver Valenz“ [9, S. 15].
Im emotionalen Bereich wird beobachtet, dass negative Affekte mit einer erhöhten Aktivierung im rechten Frontallappen einhergehen, während positive Affekte mit einer erhöhten Aktivität im linken Frontallappen verbunden sind [vgl. 14, S. 202]. Psychologisch gesehen bedeutet ein „negativer Bias“, dass Bedrohungen gegenüber Chancen privilegiert werden, und negativ besetzte Wörter wie „Krieg“ oder „Verbrechen“ ziehen die Aufmerksamkeit schneller auf sich als positive Wörter wie „Frieden“ oder „Liebe“ [vgl. 10, S. 160].
93. Entstehen Gewohnheiten durch operante Konditionierung?
Ja, Gewohnheiten können durch operante Konditionierung entstehen. Das prozedurale Gedächtnis basiert auf dem Erlernen von Verhaltensgewohnheiten [vgl. 18, S. 103]. Automatisierte Schemata, die auf Lernprozessen basieren und sich durch wiederholte Ausführung zu Routinen entwickeln (prozedurales Lernen), sind intuitive Regulationsprozesse. Beispiele hierfür sind das Fahrradfahren oder Zähneputzen [vgl. 21, S. 30]. Diese Art von Wissen ist dem Bewusstsein oft nicht direkt zugänglich, kann aber performativ abgerufen werden [vgl. 14, S. 208]. Gewohnheiten stellen eine Seinsweise dar, eine allgemeine Strategie der „Erlösung“ im „natürlichen“ und „kulturellen“ Bereich, die durch den sozialen Austausch affektgeladener Informationen geformt und bis zur „Unbewusstheit“ automatisiert wird [vgl. 14, S. 236].
94. Werden konditionierte Verhaltensweisen automatisiert?
Ja, konditionierte Verhaltensweisen werden automatisiert. Durch Lernen und häufige Wiederholungen können intuitive Regulationsprozesse wie das Fahrradfahren oder Zähneputzen zu automatisierten Routinen werden [vgl. 21, S. 30]. Diese automatisierten Schemata, auch als „Autopilot“ bezeichnet, verbrauchen in der Regel keine bewussten Aufmerksamkeitsressourcen [vgl. 21, S. 30]. Das System 1 unseres Geistes führt viele Aktivitäten unwillkürlich aus, darunter das Verstehen einfacher Sätze oder das Umdrehen zu einem unerwarteten lauten Geräusch [vgl. 10, S. 119]. Das Phänomen der Habituation zeigt, wie die wiederholte Darbietung eines Reizes zu einer Reduzierung der Reaktion führt, wodurch der Reiz seine (negative) motivationale Bedeutung verliert und das Verhalten gegenüber diesem Reiz automatisiert wird [vgl. 14, S. 199].
95. Erfordern Gewohnheiten bewusste Kontrolle?
Nein, Gewohnheiten erfordern in der Regel keine bewusste Kontrolle. Automatisierte Schemata, die sich zu Routinen entwickelt haben (prozedurales Lernen), verbrauchen im Allgemeinen keine Aufmerksamkeitsressourcen [vgl. 21, S. 30]. Obwohl sie vorbewusst sind, können sie durch gezielte Aufmerksamkeit ins Bewusstsein gelangen [vgl. 21, S. 30]. Das System 1 unseres Geistes führt viele Aktivitäten vollkommen unwillkürlich aus, wie das Verstehen einfacher Sätze in der Muttersprache oder das automatische Umdrehen zu einem unerwarteten lauten Geräusch [vgl. 10, S. 119]. Unsere gewohnte Umgebung und frühere Lernerfahrungen schützen uns vor der ursprünglichen Valenz von Reizen und begrenzen unseren Zugang zu deren grundlegender Bedeutung [vgl. 14, S. 228].
96. Können schädliche Gewohnheiten unbewusst ablaufen?
Ja, schädliche Gewohnheiten können unbewusst ablaufen. Das „Unbewusste“ wird als die Fähigkeit beschrieben, Informationen über das Wesen und den Wert von Dingen implizit zu speichern [vgl. 14, S. 206]. Verhaltensmuster und Klassifizierungsschemata können durch Beobachtung anderer (Mimesis) oder Selbstbeobachtung erworben werden und beinhalten oft Schemata, die dem expliziten Bewusstsein nicht zugänglich sind [vgl. 14, S. 205, 206].
Selbstkontrolle, die für die Steuerung von Gedanken und Verhaltensweisen unerlässlich ist, erfordert Aufmerksamkeit und Anstrengung [vgl. 10, S. 128]. Wenn die kognitive Belastung hoch ist oder es zu „Ego-Depletion“ (Selbsterschöpfung) kommt, ist die Selbstkontrolle geschwächt [vgl. 10, S. 128-129]. Dies führt dazu, dass Menschen eher zu egoistischen Entscheidungen neigen, sich sexistisch ausdrücken oder oberflächliche Urteile fällen [vgl. 10, S. 128]. Beispielsweise neigen erschöpfte und hungrige Richter dazu, auf die leichtere Standardentscheidung der Ablehnung von Bewährungsgesuchen zurückzugreifen, was zu unerwünschten Ergebnissen führt [vgl. 10, S. 130]. Das System 1 ist von Natur aus impulsiv und intuitiv [vgl. 10, S. 131], was das unbewusste Ablaufen schädlicher, impulsiver Verhaltensweisen begünstigen kann.
97. Ist Verhaltensmodifikation durch Konditionierung effektiv?
Ja, Verhaltensmodifikation durch Konditionierung kann sehr effektiv sein. Das Training langsamer kortikaler Potenziale (SCP-Training) zielt darauf ab, die Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns zu verbessern, indem es die kontingente negative Variation (CNV) beeinflusst, was zu einer Rückbildung von Symptomen führen kann [vgl. 21, S. 222]. Studien belegen die Wirksamkeit des SCP-Trainings bei verschiedenen psychischen und neurologischen Störungen, darunter Migräne, Epilepsie, Depressionen, Substanzabhängigkeit, Schizophrenie, Autismus und Psychopathie [vgl. 21, S. 223].
In der Verhaltenstherapie nutzen Therapeuten „Desensibilisierung“ als Methode zur Behandlung von Angststörungen. Hierbei wird der Patient in einer angeleiteten Exploration schrittweise neuartigen oder bedrohlichen Reizen ausgesetzt, was zu einer Neuklassifizierung des Reizes und einer Anpassung des Verhaltens führt. Dies ermöglicht es, zuvor Angst machende Dinge in etwas Kontrollierbares, Vertrautes und Bekanntes umzuwandeln [vgl. 15, S. 220; 372]. Darüber hinaus spielen Spiegelneurone eine Rolle bei der Empathie und dem sozialen Lernen, da sie es uns ermöglichen, Emotionen und Verhaltensweisen anderer wahrzunehmen und widerzuspiegeln, was adaptive Verhaltensmuster beeinflussen kann [vgl. 2, S. 265].
98. Unterscheiden sich positive und negative Verstärkung?
Die Quellen unterscheiden zwischen Verstärkung als einem Prozess, der die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Reaktion erhöht, und Bestrafung als einem Prozess, der sie senkt [vgl. 21, S. 222]. Innerhalb des Research Domain Criteria (RDoC) Frameworks wird eine „negative Valenz“ definiert, die Aspekte wie Furcht, Angst, Verluste und frustrierende Nicht-Belohnung umfasst. Dies steht im Gegensatz zur „positiven Valenz“, die mit Belohnungsansprechbarkeit und -lernen verbunden ist [9, S. 15].
Des Weiteren wird beschrieben, dass positive Affekte mit einer erhöhten Aktivierung des linken Frontallappens einhergehen, während negative Affekte mit einer erhöhten Aktivierung des rechten Frontallappens assoziiert sind [vgl. 14, S. 202]. Psychologisch gesehen besteht eine Tendenz zu einem „negativen Bias“, bei dem Bedrohungen gegenüber Chancen privilegiert werden. Emotional aufgeladene Wörter, insbesondere negativ besetzte (z.B. „Krieg“, „Verbrechen“), ziehen die Aufmerksamkeit schneller auf sich als positiv besetzte Wörter (z.B. „Frieden“, „Liebe“) [vgl. 10, S. 160].
99. Können komplexe Fertigkeiten operant konditioniert werden?
Ja, komplexe Fertigkeiten können durch operante Konditionierung gefördert und erlernt werden. Das SCP-Training (Training der langsamen kortikaler Potenziale) zielt darauf ab, die Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns zu verbessern [vgl. 21, S. 222], was als eine komplexe Fertigkeit angesehen werden kann, die auf die Anwendung im Alltag abzielt [vgl. 21, S. 222]. Das Gehirn ist in der Lage, seine eigene Aktivität präzise zu erkennen und zu unterscheiden, welche Frequenzbänder (z.B. Beta- oder Theta-Wellen) trainiert werden, und reagiert spezifisch mit neurophysiologischen Veränderungen auf die Verstärkung bestimmter Frequenzen [vgl. 21, S. 69]. Es kann auch komplexere Informationen wie Kohärenzen oder Z-Werte verarbeiten [vgl. 21, S. 69]. Die Entwicklung einer hohen internalen Kontrollüberzeugung, die die Fähigkeit zur Selbstbehauptung und zum Umgang mit Misserfolgen beinhaltet, ist ein Beispiel für eine komplexe Fertigkeit, die durch Lernerfahrungen geformt wird [vgl. 2, S. 263-264].
100. Ist intermittierende Verstärkung besonders wirksam?
Die vorliegenden Quellen enthalten keine explizite Diskussion über die Wirksamkeit von intermittierender Verstärkung im Vergleich zu kontinuierlicher Verstärkung. Sie betonen jedoch die allgemeine Bedeutung von Konsequenzen im operanten Konditionierungslernen, bei der die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Reaktion durch die folgenden Konsequenzen erhöht oder gesenkt wird [vgl. 21, S. 222].
Das Prinzip der Verpflichtung (Commitment) und Konsistenz besagt, dass Menschen, sobald sie einen Standpunkt eingenommen oder eine Entscheidung getroffen haben, dazu neigen, konsistent zu handeln [vgl. 4, S. 293]. Dies ist eine tief im Menschen verankerte Tendenz [vgl. 4, S. 293]. Die „Fuß-in-der-Tür-Taktik“, bei der eine kleine Bitte den Weg für eine größere ebnet, illustriert, wie auch kleine Zugeständnisse das Selbstbild eines Menschen verändern und dessen Bereitschaft erhöhen können, ähnlichen oder sogar nur entfernt verwandten Bitten nachzukommen [vgl. 4, S. 296; 48; 34]. Diese Prozesse der Verhaltensformung durch Festlegungen und deren Konsequenzen legen nahe, dass auch nicht-kontinuierliche Verstärkungsschemata das Verhalten langfristig beeinflussen können. Die Quellen betonen, dass in Situationen von Eile, Stress, Unsicherheit oder mentaler Erschöpfung Menschen dazu neigen, auf vereinfachte „Faustregeln“ und „Schnellverfahren“ zurückzugreifen [vgl. 4, S. 290, 312-313], was darauf hindeutet, dass auch nicht-permanente Reize oder Rückmeldungen ausreichen können, um komplexe Verhaltensmuster zu steuern.
101. Sind biopsychologische und kognitive Ansätze kompatibel?
Ja, biopsychologische und kognitive Ansätze sind grundsätzlich kompatibel und ergänzen sich. Die kognitive Neurowissenschaft ist ein Feld, das sich von Beginn an dem Brückenbau zwischen grundlegender Neurowissenschaft und Kognition widmet und Erkenntnisse beider Disziplinen integriert [vgl. 5; 2]. Die Forschung zur Organisation des Gehirns in distinkte kognitive Systeme, etwa die Unterscheidung von Rechen- und Sprachdefiziten, liefert frühe Einblicke in diese Kompatibilität [vgl. 5].
Auch die neurowissenschaftliche Forschung zeigt, dass sich die psychische Struktur des Menschen, die im Gehirn verankert ist, im Laufe der Evolution entwickelt hat, was auf eine klare evolutionäre Architektur hindeutet, die für alle Menschen kulturunabhängig gilt [vgl. 22]. Dies unterstreicht die Verbindung zwischen biologischen Grundlagen und psychischen Funktionen [vgl. 22].
Die klinische Neurowissenschaft untersucht beispielsweise neuropsychologische Prozesse wie Aufmerksamkeit und Motivation und hat Tests entwickelt, die Schwierigkeiten von ADHS-Betroffenen aufzeigen [vgl. 1]. Zudem konzentriert sich die kognitive Verhaltenstherapie auf mentale Prozesse, ohne andere Komponenten zu vernachlässigen, was eine Schnittstelle zwischen kognitiven und biologisch beeinflussten Bereichen darstellt [vgl. 6]. Letztlich wird der Mensch als Ganzes betrachtet, wobei die Psyche als Schnittstelle zwischen Körper, Geist und Emotion fungiert [vgl. 15].
102. Ergänzen sich Neurowissenschaften und kognitive Psychologie?
Die Neurowissenschaften und die kognitive Psychologie ergänzen sich in wesentlichen Aspekten. Die kognitive Neurowissenschaft ist explizit darauf ausgerichtet, eine Brücke zwischen der grundlegenden Neurowissenschaft und der Kognition zu schlagen [vgl. 5]. Sie strebt danach, die neuronalen Mechanismen zu verstehen, die höheren geistigen Aktivitäten wie dem Ich-Bewusstsein oder der Sprache zugrunde liegen [vgl. 2].
Während die Neurowissenschaften Gehirnprozesse präzise untersuchen können, beschreiben sie allein nicht die subjektive Bedeutung, die diese Prozesse für eine Person haben [vgl. 22; 22]. Die Psychologie befasst sich traditionell mit diesen mentalen Zuständen aus einer phänomenologischen Perspektive. Die Integration beider Disziplinen wird als vielversprechende Entwicklung angesehen, die zu einer neuen Synthese führt [vgl. 2]. So zeigen bildgebende Verfahren, dass bestimmte Hirnregionen bei verschiedenen kognitiven Aufgaben, wie dem Wahrnehmen visueller Objekte, aktiviert werden [vgl. 10]. Dieser interdisziplinäre Dialog ist entscheidend, um die Kluft zwischen Reiz und neuronaler Reaktion durch gut spezifizierte kognitive Erklärungen zu überbrücken [vgl. 5].
103. Warum lehnt Behaviorismus mentale Konzepte ab?
Der Behaviorismus lehnt mentale Konzepte wie Gedanken, Gefühle oder Bewusstsein prinzipiell ab, da sie nicht direkt beobachtbar oder objektiv messbar sind [vgl. 7]. Stattdessen konzentriert er sich auf die Untersuchung des Verhaltens als Reaktion auf Reize [vgl. 7]. Die Annahme ist, dass die meisten Eindrücke und Gedanken unbewusst entstehen und man nicht rekonstruieren kann, wie sie ins Bewusstsein gelangten [vgl. 10]. Daher versucht der Behaviorismus, mentale Phänomene durch beobachtbare Verhaltensmuster zu erklären. Im Gegensatz zu westlichen Ansätzen, die das Gehirn als informationsverarbeitende Maschine konzeptualisierten, konzentrierten sich russische Forscher auf die Rolle des Gehirns bei der Verhaltenssteuerung und der Erzeugung damit verbundener Affekte und Emotionen [vgl. 14]. Das Verhalten wird als durch Umweltfaktoren geformt angesehen, wobei der Fokus auf Stimulus-Response-Beziehungen liegt.
104. Können alle drei Ansätze Bewusstsein erklären?
Die drei Ansätze bieten unterschiedliche Perspektiven auf das Bewusstsein.
Neurowissenschaft und Biopsychologie Diese Disziplinen versuchen, Bewusstsein durch die Erforschung seiner neuronalen Korrelate (NCC) zu erklären [vgl. 2]. NCCs sind als das Minimum neuronaler Ereignisse definiert, die gemeinsam für eine spezifische bewusste Wahrnehmung ausreichen [vgl. 2; 39]. Die Forschung konzentriert sich auf die Identifizierung der Neuronen und Gehirnregionen, die für die Erzeugung spezifischer Inhalte des Bewusstseins relevant sind [vgl. 21]. Neurowissenschaftler gehen davon aus, dass Bewusstsein auf der Struktur und Funktion des Nervensystems basiert [vgl. 2].
Kognitive Psychologie Dieser Ansatz betrachtet Bewusstsein im Kontext mentaler Prozesse wie Aufmerksamkeit und Gedächtnis [vgl. 23]. Das Zwei-Systeme-Modell von Kahneman beschreibt, wie Eindrücke oft unbewusst im System 1 entstehen und dann von System 2, dem bewussten, logisch denkenden Selbst, verarbeitet werden [vgl. 10; 10; 10]. Bewusstsein wird hier als eine Instanz der Selbststeuerung und Bewertung neuartiger Reize verstanden [vgl. 14]. Studien zu ereigniskorrelierten Potenzialen zeigen, dass diese nur auftreten, wenn ein Reiz die Aufmerksamkeit erregt und bewusst wird [vgl. 14; 66; 319].
Behaviorismus Der Behaviorismus konzentriert sich auf objektiv beobachtbares Verhalten und lehnt die Untersuchung nicht-beobachtbarer mentaler Zustände ab [vgl. 7]. Aus behavioristischer Sicht kann Bewusstsein daher nicht direkt erklärt werden, da es sich um ein internes, subjektives Phänomen handelt [vgl. 22; 22].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Neurowissenschaften und kognitive Psychologie versuchen, Bewusstsein durch physiologische und mentale Prozesse zu erklären, während der Behaviorismus es methodologisch ausklammert.
105. Welcher Ansatz hat die stärkste empirische Basis?
Alle drei Ansätze stützen sich auf empirische Daten, wobei Art und Stärke der Evidenz variieren.
Neurowissenschaften/Biopsychologie Sie verfügen über eine sehr starke empirische Basis durch bildgebende Verfahren (fMRT, PET, EEG) und Läsionsstudien, die eine direkte Beobachtung neuronaler Aktivität und ihrer Korrelation mit kognitiven Prozessen ermöglichen [vgl. 1; 10; 21; 12; 4; 9]. Die Forschung zu ADHS hat beispielsweise neurobiologisch erwiesen, dass die Gehirnentwicklung anders verläuft [vgl. 1; 1].
Kognitive Psychologie Sie stützt sich auf eine lange Tradition experimenteller Forschung mit präzisen Verhaltensmaßen wie Reaktionszeiten, Fehlerraten und physiologischen Daten (z.B. Pupillenerweiterung) [vgl. 10; 10; 10; 10; 4].
Behaviorismus Er konzentriert sich ausschließlich auf objektiv beobachtbares Verhalten. Seine empirische Basis liegt in sorgfältig kontrollierten Experimenten zu Konditionierung und Lernprozessen, die hochgradig reproduzierbar sind [vgl. 7].
Man kann argumentieren, dass die Neurowissenschaften aufgrund der direkten Messung von Gehirnaktivität eine besonders umfassende empirische Basis bieten, die sowohl die „Was“-Fragen der Psychologie als auch die „Wie“-Fragen der Biologie beantworten kann.
106. Sind behavioristische Kritiken an Bewusstseinsforschung berechtigt?
Die behavioristischen Kritiken an der Bewusstseinsforschung basieren auf der Ablehnung nicht-beobachtbarer, subjektiver mentaler Zustände [vgl. 7]. Historisch waren diese Kritiken insofern berechtigt, als frühe Forschungen oft auf schwer objektivierbarer Introspektion basierten.
Die moderne Neurowissenschaft hat jedoch Wege gefunden, das Bewusstsein „von außen“ zu untersuchen. Wissenschaftler definieren die neuronalen Korrelate des Bewusstseins (NCC) als das Minimum an neuronalen Ereignissen, die für eine bewusste Wahrnehmung ausreichen [vgl. 2; 39]. Diese Forschung verwendet objektive bildgebende Verfahren und experimentelle Paradigmen (z.B. binokuläre Rivalität), die Gehirnaktivitäten mit bewussten Erfahrungen verbinden [vgl. 21].
Obwohl diese Methoden nicht direkt das subjektive Erleben messen („hard problem of consciousness“), ermöglichen sie die Untersuchung der physiologischen Grundlagen des Bewusstseins. Die behavioristischen Kritiken haben die Wissenschaft möglicherweise zu strengeren Methoden angeregt, verkennen aber die heutigen Möglichkeiten, innere Zustände indirekt zu erschließen.
107. Können neuronale Befunde behavioristische Positionen widerlegen?
Ja, neuronale Befunde können behavioristische Positionen stark in Frage stellen, da sie die kausale Rolle innerer Prozesse belegen, die der Behaviorismus ignoriert.
Gehirnaktivität und mentale Zustände: Bildgebende Verfahren zeigen, dass spezifische Gehirnregionen bei Denk- oder Emotionsprozessen aktiv sind, was auf eine domänen-spezifische Organisation des Gehirns hinweist [vgl. 5; 10].
Angeborenes Potenzial: Die neurowissenschaftliche Forschung zeigt, dass angeborene neuronale Systeme existieren, die durch Bildung und Sprache transformiert werden [vgl. 5; 35]. Auch genetische Veranlagungen spielen eine Rolle, z.B. bei ADHS [vgl. 1; 1].
Top-down-Regulierung: Studien belegen eine komplexe Interaktion zwischen bewussten kognitiven Prozessen (Top-down) und basalen neuronalen Systemen (Bottom-up), z.B. bei der Emotionsregulation, die über reine Reiz-Reaktions-Ketten hinausgehen [vgl. 23; 62; 64].
Neuroplastizität: Das Gehirn kann sich durch wiederholtes Training und neue Denkmuster verändern, was die Formbarkeit neuronaler Bahnen durch innere Prozesse beweist [vgl. 22].
Diese Befunde zur komplexen Binnenorganisation des Gehirns widerlegen die behavioristische Annahme, dass nur äußere Reize und Reaktionen für die Verhaltenserklärung relevant sind.
108. Überschneiden sich die Forschungsmethoden der Disziplinen?
Ja, die Forschungsmethoden überschneiden sich erheblich, insbesondere zwischen den Neurowissenschaften und der kognitiven Psychologie.
Bildgebende Verfahren: fMRT, PET, MEG und EEG sind Standardmethoden in beiden Feldern, um neuronale Aktivität während kognitiver Aufgaben zu messen [vgl. 1; 10; 21; 12; 4; 9].
Patienten- und Läsionsstudien: Die Untersuchung von Patienten mit Hirnverletzungen ist in der Neuropsychologie und kognitiven Neurowissenschaft zentral [vgl. 5; 21; 9].
Behaviorale Experimente: Alle Disziplinen nutzen Verhaltensmaße wie Reaktionszeiten und Fehlerraten. Behavioristen zur Untersuchung von Lernprozessen [vgl. 13; 4], Kognitionspsychologen und Neurowissenschaftler zur Analyse von Denkprozessen und Gehirnfunktionen [vgl. 10; 10; 4].
Computational Models: Zunehmend werden computergestützte Modelle genutzt, um Theorien zu instanziieren und Vorhersagen für Verhalten und Gehirnreaktionen zu generieren, was die Disziplinen verbindet [vgl. 5].
Die Methoden überschneiden sich stark, wo Verhaltensbeobachtungen mit Messungen der Gehirnaktivität kombiniert werden.
109. Verwenden alle Disziplinen objektive Messverfahren?
Ja, alle genannten Disziplinen streben nach Objektivität, jedoch mit unterschiedlichem Fokus.
Neurowissenschaften/Biopsychologie: Verwenden in hohem Maße objektive Messverfahren wie bildgebende Verfahren (fMRT, EEG), Läsionsstudien und die Analyse von Neurotransmittern [vgl. 5; 1; 10; 2; 21; 12; 4; 9; 22; 9].
Kognitive Psychologie: Setzt ebenfalls stark auf objektive Messungen wie Reaktionszeiten, Fehlerraten und physiologische Reaktionen (z.B. Pupillenerweiterung) [vgl. 10; 10]. Selbstberichte werden oft durch objektivere Daten validiert [vgl. 22; 4].
Behaviorismus: Konzentriert sich am strengsten auf objektive Messverfahren, indem er ausschließlich beobachtbares Verhalten und dessen Umweltbedingungen untersucht und innere, subjektive Zustände vermeidet [vgl. 22; 22; 7].
Alle Disziplinen nutzen objektive Verfahren, aber der Behaviorismus definiert „objektiv“ am engsten, während Neurowissenschaften und kognitive Psychologie auch biologische Marker für innere Zustände verwenden.
110. Sind die Konstrukte der Disziplinen operational definiert?
Ja, die Konstrukte werden in allen Disziplinen weitgehend operational definiert, um sie messbar zu machen.
Neurowissenschaften/Biopsychologie: Konstrukte wie „neuronale Korrelate des Bewusstseins“ (NCC) sind operationalisiert als die minimale neuronale Aktivität, die für eine bewusste Wahrnehmung ausreicht [vgl. 2]. „Exekutive Funktionen“ werden durch spezifische Tests gemessen [vgl. 1; 9].
Kognitive Psychologie: Konstrukte wie „System 1“ und „System 2“ werden durch beobachtbare Verhaltensweisen und physiologische Reaktionen operationalisiert (z.B. Pupillenerweiterung bei Anstrengung) [vgl. 10; 10; 10]. „Kognitive Leichtigkeit“ wird durch Gefühle der Vertrautheit und Wahrheit operationalisiert, die durch wiederholte Erfahrung primiert werden können [vgl. 10; 4].
Behaviorismus: Die operationale Definition ist von zentraler Bedeutung. Alle Konzepte müssen als direkt beobachtbare Ereignisse definiert werden. So wurde eine „Begründung“ durch spezifische Satzformulierungen operationalisiert und die „Einwilligung“ als Prozent der zustimmenden Personen gemessen [vgl. 13; 55].
Obwohl die Abstraktionsebene variiert, ist die operationale Definition ein grundlegendes Prinzip in allen drei Disziplinen.
111. Führen verschiedene Ansätze zu widersprüchlichen Befunden?
Ja, unterschiedliche Ansätze können zu widersprüchlichen Befunden oder Interpretationen führen.
ADHS-Erklärungsansätze: Verschiedene Theorien (z.B. „Executive Dysfunction“, „Delay Aversion“) finden zwar empirische Unterstützung, werden aber als unzureichend kritisiert, um die gesamte Symptomatik zu erklären, was die Herausforderung der Modellbildung zeigt [vgl. 21].
Kategorisch vs. Dimensional: Das traditionelle kategoriale Diagnosesystem (DSM/ICD) steht im Gegensatz zu neueren dimensionalen Ansätzen (RDoC), die psychische Störungen als Kontinuum verstehen und quer zu den alten Kategorien liegen [vgl. 10; 9; 9].
Präferenzumkehr: Psychologische Experimente zeigten Ergebnisse (Präferenzumkehr), die mit den Grundannahmen der ökonomischen Nutzentheorie unvereinbar waren, was zu langanhaltenden Debatten führte [vgl. 10; 18; 18; 272].
Subjektives Erleben vs. Neuronale Aktivität: Während die Neurowissenschaft neuronale Aktivität messen kann, kann sie die subjektive, gefühlte Bedeutung dieser Prozesse nicht erfassen [vgl. 22]. Dies führt zu unterschiedlichen Perspektiven darüber, was eine „Erklärung“ von Bewusstsein bedeutet.
Diese Beispiele zeigen, dass unterschiedliche theoretische Annahmen und methodische Zugänge zu anhaltenden Debatten führen können, die die Komplexität des menschlichen Geistes widerspiegeln.
112. Können die Ansätze theoretisch integriert werden?
Ja, eine theoretische Integration der Ansätze ist nicht nur möglich, sondern ein aktives Forschungsziel.
Kognitive Neurowissenschaft: Dieses Feld ist explizit als Brücke zwischen der Untersuchung von Gehirnfunktionen und mentalen Prozessen konzipiert [vgl. 5; 2].
Computational Models: Computergestützte Modelle helfen, Theorien zu instanziieren und Vorhersagen zu generieren, die Neurowissenschaft und Kognition verbinden [vgl. 5].
Hierarchische Modelle: Theorien des Gedächtnisses integrieren prozedurales (Handlungswissen) und deklaratives (Konzeptwissen) Gedächtnis, die physiologisch unterschiedlich sind, aber in komplexen Schleifen interagieren [vgl. 14; 14; 67; 70].
Dual-Prozess-Modelle (System 1 & 2): Dieses Modell bietet einen organisatorischen Rahmen, um automatische und kontrollierte Denkprozesse zu integrieren [vgl. 23; 10; 10].
RDoC-Framework: Dieses Rahmenwerk versucht, Forschung zu psychischen Störungen über traditionelle Diagnosen hinweg zu integrieren, indem es neurokognitive Konstrukte auf verschiedenen Analyseeinheiten (von Genen bis zu Selbstberichten) untersucht [vgl. 9; 9].
Diese Beispiele zeigen, dass eine Integration der Ansätze notwendig ist, um die Komplexität des menschlichen Geistes umfassend zu verstehen.
113. Gibt es einen übergeordneten theoretischen Rahmen?
Ja, mehrere Konzepte streben danach, als übergeordneter theoretischer Rahmen zu dienen.
Kognitive Neurowissenschaften: Fungiert selbst als übergeordneter Rahmen, der Gehirnfunktionen und mentale Prozesse verbindet [vgl. 5; 2].
Research Domain Criteria (RDoC) Framework: Ein transdiagnostisches Forschungskonzept für psychische Störungen, das biologische Subtypen über verschiedene Analyseeinheiten hinweg identifizieren will [vgl. 9; 9].
Embodied Cognition (Verkörperte Kognition): Geht davon aus, dass Kognition im Körper und in der Interaktion mit der Umwelt verankert ist und versucht, die Trennung von Geist und Körper zu überwinden [vgl. 20; 20].
Zwei-Systeme-Modelle: Bieten einen nützlichen organisatorischen Rahmen, um verschiedene kognitive Prozesse und Verzerrungen zu verstehen [vgl. 23; 10; 10; 68].
Evolutionäre Psychologie: Bietet einen Rahmen, der davon ausgeht, dass unsere psychische Grundstruktur eine evolutionäre Architektur hat, die für alle Menschen gültig ist [vgl. 22; 15].
Diese Rahmenwerke versuchen, die Komplexität menschlicher Erfahrung durch die Integration von Erkenntnissen aus verschiedenen Disziplinen zu bewältigen.
114. Ergänzen sich verschiedene Erklärungsebenen?
Ja, verschiedene Erklärungsebenen sind für ein umfassendes Verständnis notwendig und ergänzen sich.
Biologische und Psychologische Ebenen: Die Neurowissenschaften untersuchen das Gehirn auf Ebenen von Genen über Zellen und Schaltkreise bis hin zu ganzen Systemen und deren Einfluss auf das Verhalten [vgl. 3; 3].
Mikro- und Makrostruktur: Es ist wichtig, beobachtete Zusammenhänge auf der Makroebene durch eine theoretisch mögliche und empirisch beobachtbare Mikrostruktur zu untermauern [vgl. 18].
Bottom-up und Top-down: Die Kombination von Bottom-up-Ansätzen (vom Rezeptor zur Wahrnehmung) und Top-down-Ansätzen (von der Funktion zur Struktur) wird als erkenntnisreich beschrieben [vgl. 3]. Ein integrierter Ansatz wird auch in der Psychotherapie befürwortet [vgl. 23].
RDoC-Framework: Ist explizit auf die Untersuchung über verschiedene Analyseeinheiten hinweg ausgelegt, von „Neuronen bis zur Nachbarschaft“ [vgl. 9].
Hierarchische Abstraktion: Die Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten (semantisches Gedächtnis) ermöglicht eine abstraktere Darstellung von Handlungswissen (prozedurales Gedächtnis), wodurch verschiedene Gedächtnissysteme eine hierarchische Kette bilden [vgl. 14; 14].
Die Ergänzung verschiedener Erklärungsebenen ermöglicht ein reichhaltigeres Verständnis, indem sie Beobachtungen aus verschiedenen Perspektiven zu einem kohärenten Gesamtbild verbindet.
115. Ist ein reduktionistischer Ansatz ausreichend?
Nein, ein rein reduktionistischer Ansatz, der komplexe Phänomene ausschließlich auf ihre fundamentalsten Bestandteile reduziert, wird als unzureichend dargestellt.
Grenzen der Neurobiologie: Die Neurowissenschaft kann zwar neuronale Aktivitäten messen, aber nicht die subjektive Bedeutung dieser Prozesse erfassen [vgl. 22; 22].
Das „schwierige Problem des Bewusstseins“: Die Identifizierung von NCCs löst nicht das Problem der Erklärung des qualitativen Erlebens selbst [vgl. 2; 2].
Emergenz und Multilevel-Interaktion: Konzepte wie „Verkörperte Kognition“ betonen, dass Kognition als emergent aus dynamischen Interaktionen zwischen Gehirn, Körper und Umwelt entsteht und nicht nur auf neuronale Berechnungen reduziert werden kann [vgl. 20; 20].
Multifaktorielle Ursachen: Psychische Störungen sind multifaktoriell verursacht. Ein reiner Fokus auf biologische Faktoren wird als unzureichend kritisiert, wenn die Interaktion mit Umweltfaktoren nicht berücksichtigt wird [vgl. 9; 9].
Obwohl ein reduktionistischer Ansatz wertvolle Einblicke in grundlegende Mechanismen liefert, wird ein umfassendes Verständnis oft nur durch die Integration verschiedener Erklärungsebenen und die Berücksichtigung von Emergenz und subjektiver Bedeutung erreicht.
116. Welche Methoden messen Bewusstsein objektiv?
Die objektive Messung von Bewusstsein ist eine zentrale Herausforderung in den Neurowissenschaften [vgl. 2]. Verschiedene Methoden zielen darauf ab, neuronale Korrelate von Bewusstsein (NCC) zu identifizieren, die als das Minimum neuronaler Ereignisse definiert sind, die gemeinsam für jede spezifische bewusste Wahrnehmung ausreichen [vgl. 2; 39].
Zu den verbreitetsten neurobiologischen Methoden gehören die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) und die Elektroenzephalographie (EEG) [vgl. 12]. fMRI misst den Blutfluss und bietet eine hohe räumliche Auflösung zur Lokalisation von Hirnaktivität [vgl. 12]. EEG misst die elektrische Aktivität von Neuronenpopulationen und hat eine hohe zeitliche Auflösung zur Erfassung des Zeitpunkts neuronaler Prozesse [vgl. 12; 21]. Spezielle EEG-Techniken, wie die Messung ereigniskorrelierter Potenziale (ERPs) oder langsamer kortikaler Potenziale (SCPs), werden eingesetzt, um Hirnaktivität in Reaktion auf diskrete Reize zu untersuchen [vgl. 12; 21]. Diese Methoden können auch kombiniert werden, um die Stärken beider Ansätze zu nutzen [vgl. 12; 5].
Darüber hinaus kommen weitere Techniken zum Einsatz, wie Positronen-Emissions-Tomographie (PET), Magnetoenzephalographie (MEG) und Elektrokortikographie (ECoG) [vgl. 5]. Besonders die transkranielle Magnetstimulation (TMS) ist eine wichtige nicht-invasive Methode, um durch die Stimulation oder Hemmung bestimmter Hirnregionen kausale Beziehungen zwischen neuraler Aktivität und psychologischen Konsequenzen zu demonstrieren [vgl. 7]. Patient:innenstudien und Läsions-Symptom-Kartierungen liefern ebenfalls wichtige Einblicke [vgl. 5; 9]. Quantitative EEG-Analysen (qEEG) können zudem ineffizient arbeitende Hirnbereiche lokalisieren und so die Auswahl geeigneter Neurofeedbackprotokolle erleichtern [vgl. 21].
117. Sind subjektive Berichte wissenschaftlich verwertbar?
Subjektive Berichte spielen eine wichtige Rolle in der wissenschaftlichen Untersuchung, wenngleich ihre Verwertbarkeit kritisch betrachtet werden muss [vgl. 22]. Während Hirnscans objektiv zeigen können, welche Hirnareale aktiv sind, können sie die subjektive, gefühlte Bedeutung dieser Prozesse nicht direkt messen [vgl. 22]. Diese Bedeutung kann nur durch die Person selbst verbalisiert werden [vgl. 22].
Im Kontext der Bewusstseinsforschung dienen subjektive Berichte daher als wichtige Datenquelle, beispielsweise zur Erfassung der Wahrnehmungserfahrung [vgl. 2; 2]. Dennoch sind sie anfällig für Verzerrungen [vgl. 10]. Unser Geist erzeugt Eindrücke und Intuitionen oft unbewusst, und wir können nicht immer rekonstruieren, wie wir zu einer bestimmten Überzeugung gelangten [vgl. 10]. Menschen wissen oft weniger über sich selbst, als sie annehmen [vgl. 14]. Beispielsweise kann kognitive Leichtigkeit – das Gefühl müheloser Verarbeitung – durch oberflächliche Faktoren wie eine klare Schriftart hervorgerufen werden, ohne dass die wahre Ursache erkannt wird [vgl. 10]. Dies führt dazu, dass das bewusste System 2 oft die Vorschläge des intuitiven System 1 rationalisiert, ohne deren tatsächliche Quelle zu kennen [vgl. 10; 74].
In der Psychotherapie ist es entscheidend, dass Klient:innen ihre Gefühle wahrnehmen und äußern können, da diese tiefer im Erleben verankert sind und das Bewusstsein leichter erreichen als darunterliegende Glaubenssätze [vgl. 23; 22].
118. Können neuronale Korrelate kausale Aussagen stützen?
Die neurowissenschaftliche Forschung zielt darauf ab, nicht nur Funktionen zu lokalisieren, sondern auch zu verstehen, „was“ das Gehirn tut, beispielsweise „was Entscheiden ist“ [vgl. 7]. Viele Skeptiker weisen jedoch darauf hin, dass fMRI und EEG primär korrelative Methoden sind und keine direkten kausalen Beziehungen belegen können [vgl. 7]. Eine kausale Beziehung kann nur durch die gezielte Veränderung neuronaler Aktivität und die Beobachtung der psychologischen Konsequenzen nachgewiesen werden [vgl. 7].
Lange Zeit waren solche Methoden ethisch nur an Tiermodellen anwendbar. Die Einführung der transkraniellen Magnetstimulation (TMS) hat dies geändert, da sie eine nicht-invasive Methode ist, die bestimmte Hirnregionen stimulieren oder hemmen kann [vgl. 7]. Wenn die Störung einer Region durch TMS die Leistung bei einer Aufgabe verändert, kann dies einen direkten kausalen Zusammenhang belegen [vgl. 7].
Im Kontext der Konnektivitätsforschung kann mithilfe mechanistischer Modelle, wie dem dynamischen kausalen Modell (DCM), aus bildgebenden Daten auf die kausale Architektur gekoppelter Systeme geschlossen werden [vgl. 21; 300]. Hierbei wird zwischen funktioneller Konnektivität (zeitliche Korrelation) und effektiver Konnektivität (kausale Beeinflussung) unterschieden [vgl. 21]. Dennoch ist bei der Interpretation von Korrelationen Vorsicht geboten [vgl. 7; 9].
119. Unterscheiden sich fMRI und EEG in ihrer Aussagekraft?
Ja, fMRI und EEG unterscheiden sich grundlegend in ihrer Aussagekraft, insbesondere hinsichtlich ihrer räumlichen und zeitlichen Auflösung [vgl. 12].
fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie):
Vorteil: Bietet eine hohe räumliche Auflösung. Sie ist optimal, um die genaue Lokalisation der Aktivität im Gehirn zu bestimmen [vgl. 12].
Nachteil: Die zeitliche Auflösung ist schlecht. fMRI misst das langsame BOLD-Signal (Blutsauerstoffgehalt) als indirekten Marker für neuronale Aktivität [vgl. 12; 2].
EEG (Elektroenzephalographie):
Vorteil: Bietet eine hohe zeitliche Auflösung. Sie ist optimal, um den exakten Zeitpunkt neuronaler Prozesse zu erfassen und ist die Grundlage für das SCP-Training (Training langsamer kortikaler Potenziale) [vgl. 12; 21].
Nachteil: Die räumliche Auflösung ist schlecht. Die genaue Lokalisierung der Aktivitätsquelle ist erschwert [vgl. 21].
Forscher:innen wählen je nach Forschungsfrage (das „Wo“ oder das „Wann“ der Hirnaktivität) fMRI oder EEG oder kombinieren beide Ansätze, um konvergente Evidenz zu erhalten [vgl. 12; 7].
120. Sind Laborexperimente ökologisch valide?
Laborexperimente sind entscheidend, um Verhalten unter reproduzierbaren Bedingungen zu beobachten [vgl. 18]. Ihre ökologische Validität, also die Übertragbarkeit auf reale Alltagssituationen, ist jedoch ein häufig diskutierter Punkt [vgl. 14].
Im Labor können Störvariablen streng kontrolliert werden, um kognitive Prozesse zu isolieren und kausale Zusammenhänge zu untersuchen [vgl. 7; 18]. So werden in der Spieltheorie Laborexperimente genutzt, um das Verhalten von Entscheider:innen zu beobachten [vgl. 18], oder spezifische Aufgaben wie die „Cued-Go/NoGo-Aufgabe“ eingesetzt, um kognitive Auffälligkeiten zu untersuchen [vgl. 21].
Allerdings reduziert die kontrollierte Laborumgebung die natürliche Komplexität. So wird argumentiert, dass der Orientierungsreflex im Labor zu einem passiven Prozess („Habituation“) reduziert wird, während er in der Realität eine Folge aktiver Exploration ist [vgl. 14]. Ebenso werden in klinischen Studien oft Patient:innen mit komorbiden Problemen ausgeschlossen, was die Generalisierbarkeit auf den heterogenen klinischen Alltag einschränkt [vgl. 1]. Trotz dieser Einschränkungen liefern Laborexperimente grundlegende Erkenntnisse [vgl. 14].
121. Können unbewusste Prozesse methodisch isoliert werden?
Ja, unbewusste Prozesse können methodisch isoliert und untersucht werden, obwohl unser bewusster Zugang zu unserem „Innenleben“ begrenzt ist [vgl. 10; 14].
Methoden zur Isolierung unbewusster Prozesse umfassen:
Priming-Effekte: Die Darbietung eines Reizes (des „Primers“) kann messbare Veränderungen in der Leichtigkeit verursachen, mit der verwandte Vorstellungen abgerufen werden, selbst wenn der Primer unbewusst wahrgenommen wird [vgl. 4; 30].
Implizite Lernverfahren: Das Nervensystem ist darauf ausgelegt, Vorhersehbares auszublenden [vgl. 14]. Unbewusste Prozesse existieren auch als Gewohnheiten oder automatisierte Klassifizierungsstrategien [vgl. 14]. Experimente von Ellen Langer zeigten, dass Menschen automatischen Einwilligungsreaktionen auf ein Schlüsselwort wie „weil“ folgen [vgl. 14; 55].
Physiologische Marker: Reaktionen wie Pupillenweitung können unbewusste kognitive Anstrengung widerspiegeln [vgl. 10].
Affektive Reaktionen: Der Orientierungsreflex auf Neuartiges wird durch unbewusste Abgleichprozesse im Nervensystem ausgelöst [vgl. 14]. Auch die Amygdala weist Reizen oft unbewusst eine initiale affektive Bedeutung zu [vgl. 14].
Modelle wie System 1: Das System 1 nach Kahneman arbeitet automatisch und ist die Quelle vieler Eindrücke, deren wir uns nicht bewusst sind [vgl. 10; 10].
Die wissenschaftliche Untersuchung solcher Phänomene zeigt, dass unser Denken und Verhalten stark von unbewussten Prozessen beeinflusst wird [vgl. 4].
122. Wie wird die Bewusstseinsschwelle operationalisiert?
Die Bewusstseinsschwelle wird weniger als feste Grenze, sondern eher über experimentelle Ansätze operationalisiert, die sich auf das Ausmaß der bewussten Wahrnehmung beziehen [vgl. 2; 2].
Ein zentraler Ansatz ist die Untersuchung von neuronalen Korrelaten des Bewusstseins (NCC), dem Minimum neuronaler Ereignisse, das für eine bewusste Wahrnehmung ausreicht [vgl. 2]. Hierfür wird oft die binokuläre Rivalität genutzt: Jedem Auge wird ein anderes Bild präsentiert, aber nur eines wird bewusst wahrgenommen. Forscher vergleichen die Gehirnaktivität, wenn sich die Wahrnehmung verschiebt, obwohl der sensorische Input konstant bleibt [vgl. 2].
Weitere Operationalisierungen umfassen:
Veränderungen der Hirnaktivität: Studien zeigen, dass sich die Aktivität in bestimmten Arealen (z.B. posteriorer Parietalkortex) mit der bewussten Wahrnehmung von Objekten ändert [vgl. 2].
Verbaler Bericht: Oft ist der subjektive Bericht der Person das entscheidende Kriterium dafür, ob etwas die Bewusstseinsschwelle überschritten hat [vgl. 2].
Aufmerksamkeit und Arousal: Die enge Verbindung von Aufmerksamkeit und Bewusstsein wird genutzt, indem Aufmerksamkeitsverschiebungen untersucht werden [vgl. 1]. Das Arousal, das energetische Niveau des Gehirns, ist bei bewusster Erfassung von Signalen erhöht [vgl. 6].
Bei der Identifizierung von NCCs muss stets die Möglichkeit von „Kontaminationen“ bedacht werden, d.h., dass die gemessene Aktivität eine Voraussetzung oder Folge, aber nicht das Substrat der bewussten Erfahrung sein könnte [vgl. 2].
123. Sind Konditionierungsexperimente auf Menschen übertragbar?
Ja, Konditionierungsexperimente sind prinzipiell auf den Menschen übertragbar, erfordern jedoch Anpassungen. Das grundlegende Prinzip der Assoziationsbildung ist universell [vgl. 2].
Die Übertragung wird durch folgende Aspekte ermöglicht und modifiziert:
Physiologische Reaktionen: Konditionierte emotionale Reaktionen können beim Menschen über physiologische Maße wie Herzfrequenz oder Hautleitwert erfasst werden [vgl. 12].
Implizites Lernen: Viele durch Konditionierung erforschte Lernprozesse laufen implizit ab („Wissen, wie“ vs. „Wissen, was“) [vgl. 14; 14].
Neuropsychologische Grundlagen: Die Amygdala spielt eine zentrale Rolle bei der Zuweisung affektiver Bedeutung zu Reizen, was für Konditionierung entscheidend ist [vgl. 21; 14]. Der Hippocampus ist eng in die Verknüpfung von Emotion und Gedächtnis involviert [vgl. 21; 2].
Kognitive Modulation: Menschliches Lernen wird durch bewusste kognitive Strategien (System 2) beeinflusst, die automatische Reaktionen (System 1) modulieren können [vgl. 10; 10; 2]. Sprache und Reframing können die neuronale Reaktion auf einen Reiz verändern [vgl. 23].
Menschliche Verhaltensmuster sind flexibler als die starrer Muster bei Tieren, aber die grundlegenden Mechanismen sind vergleichbar [vgl. 14].
124. Können Tiermodelle menschliches Bewusstsein erklären?
Tiermodelle sind für die neurowissenschaftliche Forschung von grundlegender Bedeutung, können menschliches Bewusstsein aber nur teilweise erklären [vgl. 2].
Beiträge von Tiermodellen:
Grundlegende Prozesse: Ein Großteil unseres Wissens über das Nervensystem stammt aus Tierexperimenten. Je grundlegender der Prozess, desto entfernter kann die Art verwandt sein [vgl. 2].
Emotionale Systeme: Forschung an Tieren hat wichtige Einblicke in die Funktionsweise von Angst und Motivation geliefert [vgl. 2]. Der Orientierungsreflex und emotionale Reaktionen auf Neuartigkeit sind auf Tiere und Menschen übertragbar [vgl. 14; 14].
Neuroplastizität: Tiermodelle halfen zu verstehen, wie das Gehirn durch Erfahrung verändert werden kann [vgl. 2].
Grenzen von Tiermodellen:
Höhere Kognition: Die größte Herausforderung ist das Verständnis von Ich-Bewusstsein, Imagination und Sprache, welche Tiermodelle nur begrenzt abbilden können [vgl. 2].
Subjektive Erfahrung: Tiermodelle können keine verbalen Berichte über ihr subjektives Erleben liefern [vgl. 2].
Kultur und Sprache: Menschliches Bewusstsein ist stark durch kulturelle und soziale Faktoren geprägt, die in Tiermodellen schwer zu erfassen sind [vgl. 14; 15].
Tiermodelle sind unverzichtbar, um die fundamentalen Bausteine zu verstehen, auf denen menschliches Bewusstsein basiert, sie können aber nicht dessen gesamte Komplexität abdecken.
125. Sind Einzelfallstudien aussagekräftig?
Ja, Einzelfallstudien, insbesondere in der klinischen Neuropsychologie, können sehr aussagekräftig sein, indem sie tiefe Einblicke in spezifische Funktionsstörungen ermöglichen [vgl. 4].
Aussagekraft von Einzelfallstudien Läsionsstudien: Historische Einzelfallstudien, wie die von Broca zu Sprachverlust, lieferten grundlegende Erkenntnisse zur Lokalisation von Hirnfunktionen [vgl. 2].
Hypothesengenerierung: Kliniker:innen haben durch systematische Beobachtung hunderter individueller Behandlungsverläufe neue Therapieprotokolle (z.B. für Neurofeedback) entwickelt [vgl. 1].
Herausforderung von Annahmen: Eine Einzelfallstudie zeigte, dass Selbstbewusstsein ein „Patchwork-Produkt“ vieler Areale ist und nicht an feste Orte gebunden ist, was etablierte Theorien in Frage stellte [vgl. 22].
Grenzen von Einzelfallstudien Generalisierbarkeit: Die Ergebnisse sind nicht direkt auf die Allgemeinbevölkerung übertragbar. Reproduzierbarkeit ist ein zentrales Kriterium für wissenschaftliche Anerkennung [vgl. 14].
Subjektive Deutung: Die Interpretation kann stark von den Voreingenommenheiten der Forschenden abhängen [vgl. 14].
Einzelfallstudien sind eine wertvolle Quelle zur Hypothesengenerierung, ergänzen aber quantitative Studien, die für die Validierung von Befunden unerlässlich sind [vgl. 1].
126. Wie werden Störvariablen in der Bewusstseinsforschung kontrolliert?
Die Kontrolle von Störvariablen ist entscheidend für valide Aussagen.
Methodische Kontrollstrategien Standardisierte Paradigmen: Die Verwendung etablierter Aufgaben wie Go/NoGo-Aufgaben ermöglicht es, spezifische kognitive Prozesse zu isolieren [vgl. 21].
Randomisierung und Kontrollgruppen: In klinischen Studien werden Proband:innen zufällig einer Interventions- oder Kontrollgruppe (z.B. Sham-Gruppe) zugewiesen [vgl. 21].
Konstante Bedingungen: Faktoren wie Lautstärke oder Bildgröße werden konstant gehalten [vgl. 21; 21].
Baseline-Messungen: Vor- und Nachher-Messungen (z.B. mittels qEEG) dokumentieren Veränderungen im Vergleich zum Ausgangszustand [vgl. 21; 21].
Doppelblindstudien: Weder Teilnehmer:innen noch Experimentator:innen kennen die Zuordnung zu den Bedingungen, um Placebo-Effekte zu kontrollieren [vgl. 21].
Homogene Stichproben: In vielen Studien werden Teilnehmer:innen mit komorbiden Problemen ausgeschlossen [vgl. 1].
Zeitliche Kontrolle: Therapiesitzungen können zu bestimmten Tageszeiten angesetzt werden, um den Einfluss von zirkadianen Rhythmen zu minimieren [vgl. 21].
Trotz sorgfältiger Kontrolle können Artefakte die Ergebnisse beeinflussen, weshalb die Grenzen der Methodik berücksichtigt werden müssen [vgl. 9; 14; 21].
127. Können bewusste und unbewusste Prozesse experimentell getrennt werden?
Ja, bewusste und unbewusste Prozesse können experimentell getrennt untersucht werden, obwohl sie im Alltag eng verknüpft sind [vgl. 10; 10].
Das Zwei-Systeme-Modell von Kahneman konzeptualisiert diese Trennung:
System 1 (unbewusst): Arbeitet schnell, intuitiv und mühelos [vgl. 10; 10].
System 2 (bewusst): Arbeitet langsam, anstrengend und erfordert Aufmerksamkeit [vgl. 10; 10].
Experimentelle Trennung Priming-Experimente: Zeigen, dass unbemerkt bleibende Reize unser Denken und Verhalten unbewusst beeinflussen können [vgl. 4].
Konfliktaufgaben (z.B. Stroop-Test): Machen sichtbar, wie System 2 mobilisiert werden muss, um eine automatische Reaktion von System 1 zu unterdrücken [vgl. 10].
Physiologische Indikatoren: Veränderungen in Pupillenweite und Herzfrequenz können als Indikatoren für die Aktivierung von System 2 dienen [vgl. 10].
Diese Paradigmen ermöglichen eine methodische Isolierung der jeweiligen Beiträge bewusster und unbewusster Prozesse [vgl. 14].
128. Sind Reaktionszeitmessungen aussagekräftige Indikatoren?
Ja, Reaktionszeitmessungen sind in der kognitiven Psychologie und Neurowissenschaft aussagekräftige Indikatoren für die Geschwindigkeit und Effizienz kognitiver Prozesse [vgl. 21].
Aussagekraft von Reaktionszeitmessungen Kognitive Prozesse: Sie können Aufschluss über die Dauer mentaler Prozesse geben und werden genutzt, um verschiedene Formen der Aufmerksamkeit zu überprüfen [vgl. 21].
Konfliktlösung: Eine Verlängerung der Reaktionszeit in Konfliktaufgaben (z.B. Stroop-Test) weist auf die notwendige Anstrengung von System 2 hin, um eine automatische Reaktion von System 1 zu überwinden [vgl. 10].
Priming-Effekte: Verkürzte Reaktionszeiten sind ein Schlüsselindikator für Priming, da sie zeigen, dass ein Reiz die Verarbeitung eines verwandten Reizes unbewusst beschleunigt hat [vgl. 4].
Ihre Aussagekraft ist besonders hoch, wenn sie im Kontext eines umfassenden Modells und unter Berücksichtigung anderer physiologischer oder verhaltensbezogener Daten interpretiert werden [vgl. 2; 21].
129. Wie wird Aufmerksamkeit experimentell manipuliert?
Aufmerksamkeit ist ein komplexer Mechanismus, dessen Manipulation entscheidend für die Forschung ist [vgl. 6].
Methoden zur Aufmerksamkeitsmanipulation Instruktion und Aufgabenanforderung:
Selektive Aufmerksamkeit: Proband:innen werden instruiert, sich auf spezifische Reize zu konzentrieren und Ablenkungen zu ignorieren (z.B. Stroop-Aufgabe) [vgl. 10; 1].
Geteilte Aufmerksamkeit: Proband:innen müssen mehrere Aufgaben gleichzeitig ausführen [vgl. 10].
Reizmanipulation:
Salienz: Auffällige oder neuartige Reize ziehen die Aufmerksamkeit automatisch auf sich [vgl. 14; 1].
Warnreize (Primes): Können die Reaktionsbereitschaft experimentell beeinflussen [vgl. 21; 21].
Top-down-Kontrolle:
Mentale Anstrengung: Die Anweisung, sich auf eine anstrengende Aufgabe vorzubereiten, aktiviert bereits viele Hirnareale [vgl. 10].
Reframing: Das bewusste Umdeuten emotionaler Erfahrungen kann die Aktivität der Amygdala modulieren [vgl. 24; 24].
Die Herausforderung besteht darin, die vielen Unterfunktionen der Aufmerksamkeit und die komplexen Interaktionen zwischen den beteiligten neuronalen Netzwerken zu berücksichtigen [vgl. 6].
130. Können bildgebende Verfahren kausale Zusammenhänge belegen?
Im Allgemeinen sind bildgebende Verfahren wie fMRI und EEG primär korrelative Methoden und können daher keine direkten kausalen Zusammenhänge belegen [vgl. 2; 7]. Sie zeigen, wo und wann neuronale Aktivität auftritt, die mit kognitiven Prozessen korreliert [vgl. 2; 7; 21].
Möglichkeiten, wie bildgebende Verfahren kausale Aussagen unterstützen Kombination mit direkten Kausalmethoden:
Transkranielle Magnetstimulation (TMS): Wenn die durch TMS induzierte Störung einer Hirnregion zu einer Verhaltensänderung führt, kann dies einen kausalen Zusammenhang untermauern [vgl. 7].
Läsionsstudien: Die Untersuchung von Patient:innen mit Hirnläsionen erlaubt Rückschlüsse auf die kausale Rolle der geschädigten Region [vgl. 5].
Dynamische Kausale Modellierung (DCM): Dieses Modell wird verwendet, um aus bildgebenden Daten auf die kausale Architektur gekoppelter Systeme im Gehirn zu schließen [vgl. 21; 300].
fMRT-Neurofeedback (rtfMRI-NF): Neuere Entwicklungen ermöglichen es, das BOLD-Signal in Echtzeit zu trainieren, was Möglichkeiten zur Untersuchung kausaler Einflüsse eröffnet [vgl. 2].
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bildgebende Verfahren allein primär Korrelationen aufzeigen, aber in Kombination mit Interventionsmethoden oder durch fortgeschrittene Modellierung zunehmend dazu beitragen können, kausale Zusammenhänge zu beleuchten [vgl. 7; 21; 2].
131. Können Bewusstseinstheorien Therapiemethoden informieren?
Ja, Bewusstseinstheorien können Therapiemethoden substanziell informieren und prägen. Das Verständnis, wie unser Bewusstsein funktioniert und welche neuronalen Korrelate ihm zugrunde liegen, liefert wichtige Ansatzpunkte für die Entwicklung therapeutischer Strategien.
Die Neuropsychologie untersucht Prozesse wie Aufmerksamkeit und Motivation sowie die Kontrolle über Gedanken und Reaktionen [vgl. 6, S. 4]. Bei ADHS zeigen Tests beispielsweise Schwierigkeiten, aufmerksam zu bleiben oder Reaktionen zu unterdrücken [vgl. 6, S. 4]. Der präfrontale Kortex ist dabei für exekutive Funktionen von großer Bedeutung [vgl. 6, S. 4; 2, S. 227]. Wenn wir verstehen, dass das Bewusstsein eng mit Aufmerksamkeit verbunden ist, die wiederum von bestimmten Hirnregionen und deren Aktivierungsniveaus abhängt [vgl. 2, S. 802], können Therapien gezielt diese Funktionen ansprechen.
Ein fundiertes Verständnis der neuronalen Korrelate des Bewusstseins (NCC), definiert als das Minimum an neuronalen Ereignissen für eine bewusste Wahrnehmung [vgl. 2, S. 805; 53], kann präzise therapeutische Interventionen ermöglichen. Modelle wie das S-ART-Modell (Self-Awareness, Self-Regulation, and Self-Transcendence) übersetzen die Bewusstseinsforschung direkt in Methoden, indem sie systematisches Geistestraining durch Meditation und Achtsamkeit nutzen, um maladaptive emotionale und kognitive Prozesse zu verbessern [vgl. 3, S. 202; 71].
Die neurowissenschaftliche Forschung zu „Mentalizing“ und „Mindfulness“ zeigt, dass das Benennen beunruhigender Erfahrungen deren neuronalen Einfluss auf die Amygdala reduzieren kann [vgl. 24, S. 148; 281; 50]. Auch das „Reappraisal“ oder „Reframing“ schwieriger Emotionen kann die Reaktivität der Amygdala modulieren [vgl. 24, S. 148; 59]. Solche Studien plädieren für einen integrierten, sowohl Top-down- als auch Bottom-up-Ansatz in der Behandlung [vgl. 24, S. 148].
132. Sind unbewusste Prozesse therapeutisch beeinflussbar?
Ja, unbewusste Prozesse sind therapeutisch beeinflussbar. Das Denken wird stark vom unmittelbaren Umfeld beeinflusst, wie Priming-Effekte zeigen, bei denen Stimuli das Verhalten unbewusst steuern [vgl. 10, S. 225]. System 1, das automatische System, erzeugt spontan Eindrücke und Gefühle, die dann die Hauptquellen für bewusste Entscheidungen von System 2 sind [vgl. 10, S. 210]. Der Großteil des assoziativen Denkens vollzieht sich unterhalb der Bewusstseinsschwelle [vgl. 10, S. 216].
Die klassische Psychoanalyse zielte darauf ab, das Unbewusste bewusst zu machen, um Konflikte zu lösen [vgl. 15, S. 240]. Moderne Ansätze bestätigen eine neurobiologische Basis, da das Gehirn durch Lernen und Erfahrungen strukturell verändert wird [vgl. 11, S. 815].
Das Konzept der Neuroplastizität besagt, dass das Gehirn durch regelmäßiges Training verändert werden kann [vgl. 22, S. 286]. Wenn eine Stresssituation wiederholt durch neue Einstellungen und Gedanken bewältigt wird, verliert sie ihre emotionale Wucht [vgl. 22, S. 287]. Die „Ertappen-und-Umschalten“-Übung zielt darauf ab, unbewusst wirkende negative Glaubenssätze bewusst zu machen und zu verändern [vgl. 22, S. 287, 317]. Auch psychische Abwehrmechanismen oder Dissoziationen bei Traumata sind Beispiele für unbewusste Prozesse, die durch therapeutische Arbeit zugänglich gemacht werden können [vgl. 22, S. 288-289].
133. Nutzt Verhaltenstherapie behavioristische Prinzipien?
Ja, die Verhaltenstherapie nutzt in erheblichem Maße behavioristische Prinzipien. Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT), eine der wissenschaftlich fundiertesten Therapieformen [vgl. 24, S. 8; 6, S. 15], basiert auf dem Konzept, dass Verhaltens- und emotionale Reaktionen stark von Gedanken beeinflusst werden und zielt auf das „Erlernen neuer Verhaltens- und kognitiver Fähigkeiten“ ab [vgl. 6, S. 15-16].
Neurofeedback, eine wirkungsvolle Behandlung für ADHS [vgl. 21, S. 33], nutzt direkt lerntheoretische Grundlagen wie die klassische und operante Konditionierung [vgl. 21, S. 213; 312; 313]. Beim SCP-Training (Slow Cortical Potentials) erhalten Klienten Echtzeit-Feedback über ihre Hirnaktivität, was ein Lernen anhand von Konsequenzen ermöglicht – ein Kernprinzip der operanten Konditionierung [vgl. 21, S. 213-214].
Auch in der Sozialpsychologie finden sich behavioristische Muster. Das Wort „weil“ kann eine automatische Einwilligungsreaktion auslösen, ähnlich einer Reiz-Reaktions-Kopplung [vgl. 4, S. 322; 55]. Taktiken wie die „Neuverhandeln-nach-Zurückweisung-Taktik“ spiegeln das Prinzip der Verhaltensformung durch aufeinanderfolgende Reaktionen wider [vgl. 4, S. 323]. Kleine Zugeständnisse können das Selbstkonzept verändern und die Bereitschaft für weitere Bitten erhöhen, was die Wirkung von erlerntem Verhalten unterstreicht [vgl. 4, S. 324; 48; 34].
134. Können konditionierte Ängste therapeutisch gelöscht werden?
Ja, konditionierte Ängste können therapeutisch gelöscht oder erheblich reduziert werden, wobei die Neuroplastizität des Gehirns eine zentrale Rolle spielt.
Moderne Behandlungsmethoden wie die „Desensibilisierung“ beinhalten die kontrollierte Konfrontation mit angstauslösenden Reizen [vgl. 14, S. 252]. Dies führt zu einer „Neuklassifizierung und Verhaltensanpassung“, wodurch das zuvor bedrohliche Objekt in etwas Kontrollierbares umgewandelt wird [vgl. 14, S. 252-253]. Dieser Prozess der Habituation wird durch freiwillige Exploration erlernt und stärkt das Selbstbewusstsein [vgl. 14, S. 245, 253; 319; 320].
Wenn eine Stresssituation wiederholt durch neue Gedanken und Verhaltensweisen bewältigt wird, verliert sie ihre emotionale Wucht [vgl. 22, S. 287]. Die „Ertappen-und-Umschalten“-Strategie, bei der negative Emotionen früh erkannt und rational eingeordnet werden, reduziert ebenfalls die Häufigkeit von Angstreaktionen [vgl. 22, S. 287].
Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass das Angstzentrum, die Amygdala, durch neue Gedanken „gebremst“ werden kann, bevor es eine volle Angstreaktion auslöst [vgl. 22, S. 286; 292]. Konzepte wie „latente Inhibition“ (LI) und „Präpulsinhibition“ (PPI) verdeutlichen zudem, wie das Gehirn lernt, Reize als irrelevant zu bewerten, was die Grundlage für die therapeutische Entkopplung von Angstreaktionen bildet [vgl. 14, S. 256-257; 322; 323].
135. Ist EMDR durch unbewusste Verarbeitung erklärbar?
Die vorliegenden Quellen geben keine spezifische Erklärung der Wirkmechanismen von EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), erwähnen es aber als Behandlungsoption der klinischen Psychologie [vgl. 19, S. 31].
Allerdings liefern die Quellen allgemeine Hinweise, die eine Erklärung durch unbewusste Verarbeitung nahelegen. Neurowissenschaftliche Befunde zeigen, dass bewusste Prozesse wie das Benennen von Gefühlen (Mentalizing) oder das Neubewerten von Erfahrungen (Reframing) die Aktivität der Amygdala und damit subkortikale, emotionale Reaktionen modulieren können [vgl. 24, S. 148; 281; 50; 59]. Dies deutet auf einen integrierten Top-down- und Bottom-up-Ansatz hin [vgl. 24, S. 148].
Da viele mentale Aktivitäten unbewusst ablaufen [vgl. 10, S. 206, 216], ist es plausibel, dass therapeutische Techniken wie EMDR, die über sensorische Reize (Augenbewegungen) arbeiten, ebenfalls unbewusste Verarbeitungsmechanismen ansprechen. Die Integration von sensorischen und emotionalen Informationen durch neuronale Netzwerke spielt dabei eine entscheidende Rolle [vgl. 21, S. 108]. Eine definitive Aussage ist auf Basis der Quellen nicht möglich, die Logik der unbewussten Verarbeitungsmechanismen wird aber gestützt.
136. Können Medikamente selektiv Bewusstsein beeinflussen?
Ja, Medikamente können Bewusstseinszustände selektiv beeinflussen, indem sie auf spezifische Neurotransmittersysteme und Gehirnbereiche wirken. Psychische Erkrankungen werden oft mit einem gestörten Gleichgewicht von Neurotransmittern in Verbindung gebracht [vgl. 2, S. 170].
ADHS-Medikamente können die Stimmung verbessern und indirekt positiv auf begleitende Depressionen wirken, was eine Modulation affektiver Zustände nahelegt [vgl. 16, S. 14].
Anxiolytika wie Benzodiazepine reduzieren Angstgefühle, indem sie auf die biologischen Grundlagen von Angststörungen einwirken [vgl. 2, S. 195, 825].
Substanzinduzierte Störungen durch Alkohol, Stimulanzien oder Opiate sind ein klares Indiz dafür, dass Pharmaka direkte Auswirkungen auf affektive und kognitive Prozesse haben, die Teil des bewussten Erlebens sind [vgl. 9, S. 29].
Suchtmittel verstärken Lernprozesse, indem sie auf das zentrale dopaminerge Belohnungssystem wirken, was die neuronalen Grundlagen von Motivation und Entscheidungsfindung beeinflusst [vgl. 2, S. 172, 612].
Die Studie von Libet et al. (1983) zeigte, dass unbewusste Prozesse eine freiwillige Handlung initiieren, bevor die Absicht bewusst wird, was eine Trennung zwischen Initiation und bewusster Wahrnehmung impliziert, die potenziell durch Substanzen beeinflusst werden könnte [vgl. 11, S. 1; 57].
137. Verändert Anästhesie spezifisch Bewusstseinszustände?
Die Quellen erwähnen Anästhesie nicht explizit, jedoch wird der Kontext substanzinduzierter Bewusstseinsveränderungen klar beschrieben. In der Demenzdiagnostik wird betont, dass Symptome nicht durch einen „veränderten Geisteszustand (z. B. aufgrund […] der Wirkung von Medikamenten)“ erklärt werden dürfen [vgl. 9, S. 27]. Anästhesie ist eine Form der medikamenteninduzierten Bewusstseinsveränderung.
Das normale Funktionieren des Gehirns erfordert ein geordnetes Gleichgewicht biochemischer Reaktionen [vgl. 2, S. 154, 170]. Anästhetika wirken, indem sie diese Reaktionen stören oder modulieren, um einen Zustand der Bewusstlosigkeit und Schmerzunempfindlichkeit zu erzeugen. Dies ist eine gezielte und reversible Veränderung des Bewusstseins, die darauf abzielt, die bewusste Wahrnehmung vollständig auszuschalten. Die Schlussfolgerung, dass Anästhetika das Bewusstsein spezifisch verändern, ist daher logisch und durch den allgemeinen Kontext gestützt.
138. Sind psychedelische Substanzen bewusstseinsverändernd?
Ja, die Quellen bestätigen ausdrücklich, dass psychedelische Substanzen tiefgreifend bewusstseinsverändernd wirken. LSD und andere Halluzinogene üben ihre Wirkung auf phylogenetisch alte serotonerge Hirnstammprojektionen aus [vgl. 14, S. 263; 291]. Sie verursachen komplexe physiologische Veränderungen im Gehirn und aktivieren „affektivbasierte Komplexe“, die sonst nicht ins Bewusstsein gelangen [vgl. 14, S. 263].
Dies führt zu „sonst nicht zugänglichen Einsichten und Affekten“, oft mit dramatischen Folgen [vgl. 14, S. 263]. Psychedelika können die „Pforten der Wahrnehmung“ öffnen [vgl. 14, S. 257; 284], wodurch dem Leben eine „intrinsische“ und manchmal überwältigende Bedeutung verliehen wird [vgl. 14, S. 257]. Sie stören die gewohnte Stabilität der Wahrnehmung und erlauben der Bedeutung, mit ungebremster Kraft wiederzukehren [vgl. 14, S. 257]. Die Quellen leiten somit eindeutig ab, dass Psychedelika bewusstseinsverändernd sind, indem sie auf spezifische neuronale Schaltkreise einwirken und tiefe, oft unbewusste Schichten der Erfahrung zugänglich machen.
139. Können Meditationstechniken Bewusstsein trainieren?
Ja, Meditationstechniken, insbesondere Achtsamkeitstraining, können das Bewusstsein trainieren und dessen Funktionen verbessern. Achtsamkeit (Mindfulness) wird als hilfreich bei ADHS genannt [vgl. 1, S. 3] und als die Kunst beschrieben, die Aufmerksamkeit auf die Vorgänge im eigenen Körper und Geist zu lenken, um eine neue Balance zu schaffen [vgl. 19, S. 7].
Das MBSR-Training (Mindfulness-Based Stress Reduction) beinhaltet einen kognitiven Aspekt, bei dem Teilnehmer lernen, anders mit entmutigenden Gedanken umzugehen [vgl. 19, S. 7]. Achtsamkeitspraxis hilft, Ablenkungen zu bemerken, urteilsfrei zu beobachten und die Konzentration zu trainieren, was die Selbstwirksamkeit stärkt [vgl. 15, S. 12].
Das S-ART-Modell beschreibt, wie systematisches Geistestraining durch Meditation zur Selbsttransformation führen kann, indem es Einsicht in die eigene erfahrungsbasierte Voreingenommenheit fördert [vgl. 3, S. 202; 71]. Meta-Awareness, als Kombination aus reduzierter Reaktivität und Disidentifikation von inneren Erfahrungen, verbessert maladaptive emotionale und kognitive Prozesse [vgl. 3, S. 202; 71]. Die Psychologen Beate Kilian und Gunnar Ströhle waren selbst an wissenschaftlichen Projekten zur Erforschung der Achtsamkeit beteiligt [vgl. 21, S. 42-43].
140. Ist Biofeedback durch bewusste Kontrolle erklärbar?
Ja, Biofeedback, insbesondere Neurofeedback, ist maßgeblich durch die Fähigkeit zur bewussten Kontrolle und Selbstregulation erklärbar, die durch Lernprozesse verstärkt wird. Neurofeedback gilt als eine wirkungsvolle nicht-medikamentöse Behandlungsoption für ADHS [vgl. 21, S. 33], deren übergeordnetes Ziel die Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeit des Gehirns ist [vgl. 21, S. 314].
Beim SCP-Training (Slow Cortical Potentials) lernen Klienten, die eigene Hirnaktivität (kontingente negative Variation, CNV) bewusst zu beeinflussen, indem sie Echtzeit-Feedback erhalten [vgl. 21, S. 98]. Dieser operante Lernprozess verbessert die Selbstregulation [vgl. 21, S. 214]. Der Transfer des Gelernten in den Alltag wird durch bewusste Strategien unterstützt [vgl. 21, S. 101, 220].
Das aufmerksamkeitsgesteuerte System 2 ist maßgeblich an Aktivitäten beteiligt, die Anstrengung erfordern [vgl. 10, S. 210, 232]. Die Mobilisierung von System 2 geht mit einer Erhöhung des allgemeinen Aktivierungsgrads und fokussierter Aufmerksamkeit einher [vgl. 10, S. 232]. Der therapeutische Erfolg des Biofeedbacks liegt darin, dass das Gehirn durch bewusste Anstrengung und die Wahrnehmung des Feedbacks lernt, seine eigene Aktivität zu regulieren.
141. Implizieren neuronale Befunde einen Materialismus?
Ja, neuronale Befunde implizieren mehrheitlich einen Materialismus in Bezug auf das Bewusstsein. Heutzutage stimmen fast alle Philosophen des Geistes darin überein, dass das, was wir als Bewusstsein bezeichnen, aus den physikalischen Eigenschaften des Gehirns resultiert [vgl. 11, S. 12; 46]. Neurowissenschaftler sind in der Regel Materialisten und gehen davon aus, dass Bewusstsein aus physikalischen Prozessen entsteht und auf der Struktur und Funktion des Nervensystems basiert [vgl. 2, S. 106; 53]. Es wird sogar die Hypothese aufgestellt, dass es, falls Bewusstsein auf physikalischen Prinzipien beruht, eines Tages möglich sein sollte, eine Maschine mit Bewusstsein zu konstruieren [vgl. 2, S. 107; 53].
Bewusstsein wird dabei oft als eine emergente Eigenschaft komplexer biologischer Nervensysteme betrachtet [vgl. 3, S. 130; 57]. Die Hirnforschung trägt auch dazu bei, unser Bild von uns selbst zu verändern, indem sie Diskussionen über die neuronalen Grundlagen religiöser Erfahrungen und bewusstseinsverändernde Neurotechnologien anstößt [vgl. 9, S. 74].
Es gibt jedoch auch differenziertere Ansichten. Während Hirnscans zeigen können, welche Gehirnareale aktiv sind, kann die subjektive, gefühlte Bedeutung dieser Prozesse nur vom Individuum selbst verbalisiert werden [vgl. 22, S. 309]. Die Neurowissenschaft kann die Prozesse beschreiben, aber nicht die persönliche Bedeutung, die sie für die jeweilige Person haben [vgl. 22, S. 307]. Dies deutet darauf hin, dass neuronale Befunde zwar stark auf einen Materialismus hindeuten, aber die volle Bandbreite subjektiver Erfahrung möglicherweise nicht durch physikalische Zustände allein erfasst wird.
142. Ist freier Wille mit unbewussten Entscheidungen vereinbar?
Die Vereinbarkeit des freien Willens mit unbewussten Entscheidungen ist ein zentrales und umstrittenes Thema. Benjamin Libets Studien zeigten, dass das Bereitschaftspotenzial im Gehirn einer Handlung der bewussten Absicht, diese auszuführen, um bis zu einer Sekunde vorausging [vgl. 11, S. 11; 57]. Dies legt nahe, dass Handlungen, die wir als freie Willensakte betrachten, einen signifikanten unbewussten Schritt aufweisen, da neuronale Aktivität den Wunsch zu handeln vor der bewussten Intention vorhersagen kann [vgl. 11, S. 11; 57].
Das intuitive System 1 wird als der „geheime Urheber“ vieler Entscheidungen beschrieben. Es produziert Eindrücke und Intuitionen still und unbemerkt im Geist [vgl. 10, S. 137, 144; 10]. Die subjektive Erfahrung einer frei gewollten Handlung ist dabei weitgehend von der physikalischen Kausalität gelöst [vgl. 10, S. 154; 74]. Priming-Effekte zeigen, dass unser Denken und Verhalten viel stärker von unserem unmittelbaren Umfeld beeinflusst werden, als wir wahrnehmen, was als Bedrohung der Autonomie empfunden werden kann [vgl. 10, S. 158; 309]. Das bewusste System 2 rationalisiert oft die vom System 1 erzeugten Impulse und erfindet plausible Gründe für sie [vgl. 10, S. 170].
Trotz dieser Befunde, die auf eine starke unbewusste Prägung hindeuten, wird der freie Wille in philosophischen Kontexten weiterhin diskutiert. So wird das menschliche Dasein als Folge von Entscheidungen betrachtet, die von einem – hypothetisch – freien Willen gebildet werden [vgl. 15, S. 183]. Zivilisatorischer Fortschritt geht mit der Erweiterung der Anzahl von Handlungen einher, die wir ausführen können, ohne darüber nachzudenken [vgl. 4, S. 320; 353]. Automatisches Verhalten beim Menschen ist oft gelernt, reagiert aber auf Auslöser wie das Wort „weil“, selbst wenn kein wirklicher Grund folgt, was zu unreflektierter Einwilligung führt [vgl. 4, S. 321; 55]. In Stresssituationen neigen Menschen dazu, sich auf primitive Hinweise für Entscheidungen zu verlassen [vgl. 4, S. 327; 354].
Die Befunde zeigen somit, dass ein Großteil unserer Entscheidungen unbewusst initiiert wird. Der freie Wille könnte daher weniger in einer vollständig unabhängigen Kontrolle bestehen, sondern eher in der Fähigkeit, unbewusste Impulse zu reflektieren und zu modulieren.
143. Können Maschinen bewusst werden?
Die Frage, ob Maschinen Bewusstsein erlangen können, ist eng mit der Definition von Bewusstsein verknüpft. Wenn Bewusstsein aus physikalischen Prinzipien erwächst, ist die logische Schlussfolgerung, dass es möglich sein sollte, eine bewusste Maschine zu konstruieren [vgl. 2, S. 107; 53].
Jedoch bleiben die aktuellen Versuche, Bewusstsein zu verstehen, wissenschaftlich „sehr unbefriedigend“ [vgl. 3, S. 130; 57]. Die Subjektivität der Erfahrung (Qualia) wird als das entscheidende Merkmal hervorgehoben, das lebendiges Bewusstsein von den besten selbstregulierenden Automaten, Computern oder Robotern unterscheidet [vgl. 3, S. 130; 57].
Die Entwicklung autonomer Roboter hat sich als wesentlich schwieriger erwiesen als angenommen, da das Problem der Wahrnehmung weitaus komplexer ist, als es scheint [vgl. 15, S. 185]. Körperlose abstrakte Intelligenz konnte selbst die einfachsten realen Probleme nicht lösen, was die Bedeutung der Verkörperung (Embodiment) für Intelligenz und möglicherweise Bewusstsein unterstreicht [vgl. 15, S. 185]. Solange das subjektive Erleben nicht vollständig durch Algorithmen erfasst werden kann, bleibt die Schaffung bewusster Maschinen eine ungelöste Herausforderung [vgl. 22, S. 309].
144. Unterscheidet sich künstliche von biologischer Intelligenz?
Ja, künstliche und biologische Intelligenz weisen fundamentale Unterschiede auf.
Biologische Intelligenz ist tief in der Evolution verankert. Die Fähigkeit zu exakten, symbolischen Berechnungen ist zwar einzigartig menschlich, doch Elemente der neuronalen Grundlage für numerisches Denken sind auch bei anderen Spezies vorhanden [vgl. 5, S. 2; 35]. Sprache und Bildung transformieren diese angeborenen neuronalen Systeme [vgl. 5, S. 2; 35]. Menschliches Denken ist eine abstrahierte Form der Exploration, die es ermöglicht, auch ohne direkte motorische Aktion zu lernen [vgl. 14, S. 210]. Ein wesentlicher Unterschied ist die Flexibilität: Menschliche Annahmen können durch sprachlich vermittelte Informationen verändert werden, während tierische Verhaltensmuster weitgehend festgelegt sind [vgl. 14, S. 262].
Im Bereich der Künstlichen Intelligenz gibt es Ansätze der „verkörperten Kognition“ (embodied cognition), die die Verbindung zwischen Geist und Körper betonen [vgl. 25, S. 52; 37]. Bottom-up-Ansätze zeigen, dass intelligentes Verhalten aus der dynamischen Interaktion zwischen einem rein physikalischen System und seiner Umwelt entstehen kann [vgl. 20, S. 55; 286; 285]. Der enaktive Ansatz geht davon aus, dass der Geist konstitutiv vom lebendigen Körper als autonomem System abhängt [vgl. 20, S. 60; 72].
Dennoch bleibt ein grundlegender Unterschied: Während KI auf Algorithmen basiert, ist biologische Intelligenz untrennbar mit subjektivem Erleben, emotionaler Bedeutung und einem reichen Vorstellungsvermögen verbunden, das über die bloße Informationsverarbeitung hinausgeht [vgl. 18, S. 23-24].
145. Haben Tiere Bewusstsein?
Die biologische Forschung nimmt zunehmend ein Kontinuum des Bewusstseins zwischen verschiedenen Spezies an, hebt aber auch einzigartige menschliche Merkmale hervor [vgl. 3, S. 130; 57].
Elemente der kognitiven und neuronalen Kapazität für numerisches Denken sind bei verschiedenen Tierarten vorhanden [vgl. 5, S. 2; 35]. Tiere konstruieren ihre Bedeutungswelten durch aktives Explorationsverhalten und lernen aus den Konsequenzen ihrer Handlungen [vgl. 14, S. 209].
Dennoch wird die Subjektivität der Erfahrung (Qualia) als Unterscheidungsmerkmal genannt [vgl. 3, S. 130; 57]. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Flexibilität: Tierische Verhaltensmuster sind weitgehend festgelegt, während menschliche Annahmen durch Sprache veränderbar sind [vgl. 14, S. 262]. Tierische Erfahrungen wurden zudem nie Gegenstand einer selbstbewussten, historischen Analyse, was auf das Fehlen einer höheren Ordnung des Bewusstseins hindeutet, wie sie für das menschliche deklarative Gedächtnis charakteristisch ist [vgl. 14, S. 269]. Menschliches Selbstbewusstsein hat Intentionalität, d.h., bewusste Erfahrungen sind auf Ziele gerichtet [vgl. 11, S. 12].
Zusammenfassend besitzen Tiere grundlegende Formen des Bewusstseins, die mit ihrer unmittelbaren Umweltinteraktion verbunden sind. Der Mensch zeichnet sich jedoch durch eine einzigartige Fähigkeit zur abstrakten Reflexion und selbstbewussten Analyse aus.
146. Ist Bewusstsein evolutionär entstanden?
Ja, die Quellen legen nahe, dass Bewusstsein und seine zugrunde liegenden Funktionen tief in der Evolution verwurzelt sind.
Die Organisation des Objektwissens im Gehirn scheint nach evolutionär salienten Kategorien wie Tieren und Werkzeugen gegliedert zu sein [vgl. 5, S. 1; 358].
Die Grundlagen der numerischen Kognition sind ebenfalls in unserer evolutionären Linie angelegt [vgl. 5, S. 2; 35].
Aufmerksamkeit, ein Schlüsselelement des Bewusstseins, ist aus evolutionärer Sicht entscheidend für die automatische Reizauswahl und Konzentration in einer komplexen Umwelt [vgl. 21, S. 27; 359].
Die Evolution des Frontallappens und die Fähigkeit zur Reflexion wurden durch die Anforderungen an Denkvermögen und Problemlösung vorangetrieben [vgl. 14, S. 129; 43].
Bewusstsein selbst wird als eine emergente Eigenschaft komplexer biologischer Nervensysteme betrachtet [vgl. 3, S. 130; 57]. Reflektierendes Bewusstsein setzt komplexe höhere Gehirnsysteme und Gedächtnis voraus, um aktuelle Eindrücke mit vergangenen Erfahrungen abzugleichen [vgl. 3, S. 130; 57].
Die menschliche Psyche hat sich mit der Evolution entwickelt, um dem übergeordneten Ziel des Überlebens zu dienen, wobei ihre Grundstruktur für alle Menschen kulturübergreifend gültig ist [vgl. 22, S. 309].
147. Können bewusstseinsverändernde Technologien ethisch eingesetzt werden?
Die Quellen weisen auf erhebliche ethische Implikationen hin, die mit dem Einsatz bewusstseinsverändernder Technologien verbunden sind. Öffentliche Diskussionen über die Implikationen der Hirnforschung für den „freien Willen“, „bewusstseinsverändernde Neurotechnologien“ und „Neuroimplantate“ zeigen, dass ihr Einsatz keineswegs unumstritten ist [vgl. 9, S. 74].
Psychoaktive Substanzen können komplexe physiologische Veränderungen im Gehirn hervorrufen und zu sonst unzugänglichen Einsichten und Affekten führen, oft mit dramatischen Folgen [vgl. 14, S. 249]. Wenn solche Zustände unfreiwillig auftreten, wie bei Schizophrenie, können sie potenziell zerstörerisch wirken [vgl. 14, S. 249].
Dies verdeutlicht das Gefahrenpotenzial, das mit der Manipulation des Bewusstseins einhergeht. Der ethische Einsatz hängt davon ab, ob diese Technologien freiwillig, zum Wohl des Individuums und mit ausreichender Kontrolle über potenzielle negative Auswirkungen eingesetzt werden. Die Tatsache, dass sie Einblicke in „Urquellen“ der Bedeutung gewähren können, unterstreicht, dass die Manipulation dieser tiefen Bewusstseinsebenen nicht trivial ist [vgl. 14, S. 235].
148. Sind unbewusste Beeinflussungen ethisch problematisch?
Ja, die Quellen weisen darauf hin, dass unbewusste Beeinflussungen ethisch problematisch sein können, insbesondere hinsichtlich Autonomie und Manipulation.
Libets Studien, die zeigen, dass bewusste Willensakte unbewussten neuronalen Prozessen folgen, werfen die Frage nach unserer Kontrolle auf [vgl. 11, S. 11; 57]. Priming-Effekte, bei denen unbemerkte Stimuli unser Verhalten beeinflussen, werden oft als „erschütternd“ empfunden, da sie das Gefühl autonomer Selbstbestimmung bedrohen [vgl. 10, S. 151, 158; 309; 360]. Das intuitive System 1 ist der „geheime Urheber“ vieler Entscheidungen, die unser bewusstes System 2 oft nur nachträglich rationalisiert [vgl. 10, S. 137, 144, 170; 10].
Zivilisatorischer Fortschritt basiert darauf, mehr Handlungen auszuführen, ohne nachzudenken [vgl. 4, S. 320; 353]. Experimente zeigen, dass Menschen auf Auslöser wie das Wort „weil“ automatisch zustimmen, was zu gedankenloser Einwilligung führen kann [vgl. 4, S. 321; 55]. Blinder, mechanischer Gehorsam gegenüber Autoritäten oder das Verlassen auf primitive Entscheidungshinweise in Stresssituationen sind weitere Beispiele für potenziell problematische Automatismen [vgl. 4, S. 325, 327; 354].
Die ethische Problematik liegt in der potenziellen Untergrabung der Autonomie. Wenn unser Handeln durch Faktoren gesteuert wird, die wir nicht bewusst kontrollieren, kann dies unsere Fähigkeit zu rationalen, selbstbestimmten Entscheidungen einschränken, insbesondere in Kontexten wie Marketing oder politischer Kommunikation.
149. Impliziert Behaviorismus eine deterministische Weltanschauung?
Der klassische Behaviorismus impliziert eine stark deterministische Weltanschauung. Indem er sich auf beobachtbare Handlungen als Reaktion auf Reize konzentrierte („Was kann ein Organismus tun?“) und die „Black Box“ des Geistes ignorierte, legte er nahe, dass Verhalten durch die Umwelt und Konditionierung vollständig bestimmt und vorhersagbar ist [vgl. 11, S. 20; 65; 361].
Jedoch hat sich die psychologische Forschung darüber hinaus entwickelt. Die Neurowissenschaft hat die Bedeutung unbewusster Prozesse erkannt und gezeigt, dass die Analyse des Geistes nicht auf beobachtbares Verhalten beschränkt werden kann [vgl. 11, S. 15]. Es wird betont, dass Menschen „explizites Wissen“ über Fakten besitzen und die Frage nach der Repräsentation dieses Wissens im Gehirn gestellt werden muss [vgl. 11, S. 20]. Dies zeigt eine Abkehr von einem rein deterministischen Modell hin zur Anerkennung komplexer innerer kognitiver Prozesse.
150. Können bewusste Erfahrungen vollständig durch Hirnzustände erklärt werden?
Diese Frage, bekannt als das „schwierige Problem des Bewusstseins“, bleibt eine der tiefgreifendsten Herausforderungen [vgl. 2, S. 110; 36].
Zwar stimmen fast alle Philosophen des Geistes heute darin überein, dass Bewusstsein aus den physikalischen Eigenschaften des Gehirns resultiert [vgl. 11, S. 12; 46]. Einige argumentieren, es gäbe „kein Problem des Bewusstseins“, da es einfach aus neuronaler Aktivität entstehe [vgl. 11, S. 12; 42].
Eine andere prominente Gruppe, zu der Francis Crick und Christof Koch gehören, vertritt jedoch die Ansicht, dass die Probleme der Subjektivität, Einheit und Intentionalität angegangen werden müssen, um zu verstehen, wie unsere Erfahrung konstruiert wird [vgl. 11, S. 12; 63]. Aktuelle Versuche, Bewusstsein zu verstehen, bleiben „sehr unbefriedigend“ [vgl. 3, S. 130; 57]. Die Qualia, das subjektive Erleben, unterscheiden lebendiges Bewusstsein von Computern [vgl. 3, S. 130; 57].
Neurowissenschaften können zwar Hirnprozesse beschreiben, aber nicht die subjektive Bedeutung, die sie für eine Person haben [vgl. 22, S. 307, 309]. Die Identifizierung der neuronalen Korrelate des Bewusstseins (NCC) ist ebenfalls komplex, da es schwierig ist, zwischen Voraussetzungen, Konsequenzen und dem eigentlichen Substrat der Erfahrung zu unterscheiden [vgl. 2, S. 116-117].
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Bewusstsein eng mit Hirnzuständen verbunden ist. Die vollständige Erklärung bewusster Erfahrungen, insbesondere der subjektiven Qualia, allein durch Hirnzustände ist jedoch ein ungelöstes Problem.
151. Korreliert die P300-Amplitude mit der Bewusstseinsstärke?
Ja, die Quellen legen nahe, dass die Amplitude ereigniskorrelierter Potenziale (EKP) wie der P300 mit Bewusstseinsprozessen korreliert. Die N2/P3-Komponenten von EKPs werden evoziert, wenn Reize neuartig sind oder Aufmerksamkeit erfordern [vgl. 14, S. 260; 304]. Diese Komponenten treten nur auf, wenn ein Reiz dem Probanden bewusst geworden ist [vgl. 14, S. 261]. Generell wird die Amplitude von EKPs als Indikator für die kortikale Reaktion interpretiert: Eine kleinere Amplitude kann auf ein Defizit hinweisen, eine größere auf eine kompensatorische kognitive Anstrengung [vgl. 21, S. 120]. Ein Training, das die Amplituden von Theta-Oszillationen erhöhte, führte zu einer Verbesserung kognitiver Kontrollprozesse [vgl. 21, S. 80; 305], was auf einen Zusammenhang zwischen der Stärke neuronaler Reaktionen und der Effizienz von Bewusstseinsfunktionen hindeutet.
152. Sind neuronale Signaturen kulturell universell?
Ja, die Quellen legen nahe, dass grundlegende neuronale Signaturen kulturell universell sind. Die menschliche Psyche besitzt eine klare, evolutionäre Architektur, die über alle Kulturen hinweg Gültigkeit hat, ähnlich dem menschlichen Körperbau [vgl. 22, S. 319]. Das Gehirn verfügt über zwei grundverschiedene Funktionsmodi für die universellen Bereiche des Bekannten (Ordnung) und des Unbekannten (Chaos) [vgl. 14, S. 251].
Elemente der neuronalen Kapazität für numerisches Denken sind in unserer evolutionären Linie angelegt und damit potenziell universell, auch wenn Bildung diese Systeme transformiert [vgl. 5, S. 765; 35]. Zudem sind Basisebenen für Objekte, die von Kindern am einfachsten erlernt werden, kulturübergreifend konstant [vgl. 14, S. 281; 297]. Dies deutet auf eine universelle Grundlage für neuronale Strukturen hin.
153. Können minimale NCCs experimentell identifiziert werden?
Ja, die neurowissenschaftliche Forschung bemüht sich, minimale neuronale Korrelate des Bewusstseins (NCCs) experimentell zu identifizieren [vgl. 2, S. 152]. NCCs sind als das Minimum neuronaler Ereignisse definiert, die für eine spezifische bewusste Wahrnehmung ausreichen [vgl. 2, S. 155]. Christof Koch und Francis Crick waren Pioniere bei der Identifizierung von Neuronen und Hirnregionen, die für spezifische Bewusstseinsinhalte relevant sind [vgl. 2, S. 153; 45; 39].
Experimente, die binokulare Rivalität nutzen, zeigen, dass die Gehirnaktivität, z.B. in der parahippocampalen Ortsregion (PPA), mit der bewussten Wahrnehmung korreliert [vgl. 2, S. 159-160; 307]. Jedoch ist der Begriff „minimal“ problematisch, da eine neuronale Aktivität auch eine Voraussetzung oder Folge, aber nicht das Substrat der bewussten Erfahrung sein könnte [vgl. 2, S. 160]. Es wird vermutet, dass das, was in frühen Verarbeitungsarealen als Bewusstseinskorrelation erscheint, tatsächlich mit Aufmerksamkeitsveränderungen zusammenhängen könnte [vgl. 2, S. 163].
154. Ist die Global Workspace Theory falsifizierbar?
Die vorliegenden Quellen enthalten keine Informationen, die die „Global Workspace Theory“ explizit erwähnen oder deren Falsifizierbarkeit diskutieren. Die Forschung konzentriert sich stattdessen auf andere Modelle, wie die Unterscheidung zwischen System 1 und System 2 oder die Untersuchung spezifischer neuronaler Netzwerke [vgl. 10, S. 187, 192; 21, S. 50; 9, S. 21].
155. Unterscheiden sich automatische Prozesse zwischen Individuen?
Ja, automatische Prozesse unterscheiden sich zwischen Individuen. Obwohl das intuitive System 1 bei allen Menschen automatisch operiert, sind einige anfälliger für die daraus resultierenden kognitiven Verzerrungen als andere [vgl. 10, S. 199]. Stanovich und West argumentieren, dass hohe Intelligenz nicht immun gegen Denkfehler macht; entscheidender ist die Fähigkeit zur Rationalität und die Vermeidung von „faulem“ Denken [vgl. 10, S. 199; 68].
Zudem sind automatische Verhaltensmuster bei Menschen eher gelernt und flexibler als bei Tieren [vgl. 4, S. 333]. Individuelle Unterschiede in Motivation und kognitiven Fähigkeiten beeinflussen, ob eine Person Informationen kontrolliert verarbeitet oder auf einfachere, automatische Vorgehensweisen zurückgreift [vgl. 4, S. 334; 354; 355]. Studien zu ADHS zeigen ebenfalls individuelle Defizite im Arbeitsgedächtnis und den exekutiven Funktionen, was auf Unterschiede in der Effizienz automatischer Prozesse hinweist [vgl. 21, S. 45].
156. Können Priming-Effekte bewusst unterdrückt werden?
Priming-Effekte lassen sich nur schwer bewusst unterdrücken, da System 1 automatisch operiert und nicht willentlich abgestellt werden kann [vgl. 10, S. 191]. Die Präsentation eines Wortes verursacht sofort messbare Veränderungen in der Leichtigkeit, mit der verwandte Wörter abgerufen werden, selbst wenn dies unbemerkt geschieht [vgl. 10, S. 201-202].
Kognitive Verzerrungen lassen sich oft nicht vermeiden, da System 2 (das bewusste System) vom Fehler nichts ahnt [vgl. 10, S. 191]. Eine Verhütung erfordert gesteigerte Überwachung und mühsame Aktivierung von System 2, was im Alltag unpraktisch ist [vgl. 10, S. 191]. Bei Ankereffekten kann man System 2 mobilisieren, um den Effekt zu bekämpfen, aber dies erfordert bewusste Anstrengung [vgl. 10, S. 217]. Dies deutet darauf hin, dass eine bewusste Gegensteuerung zwar möglich, aber nicht die Standardreaktion des Systems ist.
157. Ist vorattentive Verarbeitung kapazitätsbegrenzt?
Die Quellen legen nahe, dass die frühesten Stufen der Informationsaufnahme, also die vorattentive Verarbeitung, nicht im selben Maße kapazitätsbegrenzt sind wie nachfolgende Prozesse. Sensorische Reize gelangen zunächst ungefiltert und in unbegrenzter Menge in spezifische sensorische Speicher [vgl. 21, S. 41; 2, S. 55]. Erst danach setzen Filterungsmechanismen ein, um relevante Informationen für die weitere, kapazitätsbegrenzte Verarbeitung auszuwählen.
Das Arbeitsgedächtnis hingegen ist eine explizit kapazitätsbegrenzte Komponente, die für die bewusste Verarbeitung zuständig ist [vgl. 21, S. 41; 29]. Die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitslenkung gilt als die determinierende Größe für die Kapazität des Arbeitsspeichers [vgl. 21, S. 43; 38; 303]. Die vorattentive Verarbeitung dient somit als eine Art Triage, die aus einer riesigen Menge an Reizen das für die kapazitätsbegrenzte bewusste Verarbeitung Relevante auswählt.
158. Erfolgt Konditionierung bei allen Reizarten gleich?
Nein, die Konditionierung erfolgt nicht bei allen Reizarten gleich, da verschiedene Faktoren die Lernergebnisse modulieren. Emotionale Erlebnisse können das Lernen enorm erleichtern, was impliziert, dass affektiv bedeutsame Reize anders verarbeitet werden als neutrale [vgl. 22, S. 321].
Phänomene wie die latente Inhibition (LI) zeigen, dass eine vorherige, nicht-konditionierende Exposition gegenüber einem Reiz dessen spätere Konditionierbarkeit beeinflusst [vgl. 14, S. 279; 322]. Ähnlich verhält es sich mit der Präpulsinhibition (PPI), bei der ein schwacher Hinweisreiz eine Schreckreaktion auf einen folgenden stärkeren Reiz abschwächt [vgl. 14, S. 279; 323].
Diese Beispiele zeigen, dass die „Irrelevanz gelernt werden muss“ und dieses Lernen stark genug ist, um mit späteren motivationalen Eventualitäten zu interferieren [vgl. 16, S. 280]. Die Art und Weise, wie ein Reiz konditioniert wird, hängt somit von seiner Neuheit, emotionalen Valenz und früheren, auch unbewussten, Lernerfahrungen ab.
159. Können abstrakte Konzepte behavioristisch erklärt werden?
Nein, die vorliegenden Quellen legen eine Erklärung für abstrakte Konzepte nahe, die weit über den reinen Behaviorismus hinausgeht. Menschliches Wissen umfasst nicht nur physische Objekte, sondern auch interne mentale Zustände und abstrakte numerische Größen [vgl. 5, S. 755]. Die Fähigkeit zur exakten und symbolischen Berechnung ist dem Menschen einzigartig, und Sprache transformiert angeborene neuronale Systeme [vgl. 5, S. 765; 35].
Je höher die Abstraktionsebene, desto stärker wird die linke Gehirnhälfte involviert, was auf elaborierte neuronale Prozesse statt einfacher Reiz-Reaktions-Verknüpfungen hindeutet [vgl. 14, S. 264, 266]. Die Quellen unterscheiden klar zwischen „Handlungswissen“ (prozedural) und „Konzeptwissen“ (deklarativ), wobei Letzteres eine abstrakte Darstellung und Kommunikation von Vorstellungen erlaubt [vgl. 14, S. 267; 67]. Das assoziative Denken, das konkrete und abstrakte Vorstellungen in einem riesigen Netzwerk verbindet, vollzieht sich größtenteils unterhalb der Bewusstseinsschwelle [vgl. 10, S. 200], was auf komplexe, interne Repräsentationen hindeutet, die ein behavioristischer Ansatz nicht erfassen kann.
160. Ist die Black-Box-Metapher noch zeitgemäß?
Nein, die „Black-Box-Metapher“ ist in den modernen Neurowissenschaften weitgehend nicht mehr zeitgemäß. Die kognitive Neurowissenschaft zielt explizit darauf ab, die internen Prozesse des Gehirns zu verstehen [vgl. 5, S. 691; 5, S. 755].
Die Forschung hat signifikante Fortschritte beim „Öffnen“ dieser Box gemacht:
Sie identifiziert Variablen, die das Gehirn generiert und nutzt, und charakterisiert die neuronalen Grundlagen von Konzepten wie Semantik [vgl. 5, S. 691; 315; 316; 317].
Mittels bildgebender Verfahren werden Hirnregionen identifiziert und die kausale Architektur dynamischer Systeme modelliert [vgl. 21, S. 49].
Die Neuropsychologie untersucht Prozesse wie Aufmerksamkeit und Motivation und hat erwiesen, dass der präfrontale Kortex für exekutive Funktionen bedeutsam ist [vgl. 1, S. 16].
Das RDoC-Framework verknüpft mentale Funktionen mit neurokognitiven Konstrukten, Zellen, Schaltkreisen und Genen [vgl. 9, S. 21-22].
Obwohl die subjektive Bedeutung von Gehirnprozessen nicht direkt messbar ist [vgl. 22, S. 319], ist das Ziel der Neurowissenschaft eindeutig, die internen Abläufe zu entschlüsseln. Die wissenschaftliche Herangehensweise geht somit weit über eine reine Black-Box-Betrachtung hinaus.
# Literaturverzeichnis
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